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# taz.de -- Die NS-Schutzstaffel nach dem Krieg: Nur die SS war richtig böse
> Im Münchener NS-Dokuzentrum berichteten Historiker am Dienstag, wofür die
> Nazi-Mordorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg gebraucht wurde.
Bild: In der Wewelsburg befindet sich die Gedenkstätte zur Geschichte der Schu…
Heinrich Himmler, der „Reichsführer SS“, beging Ende Mai 1945 Suizid. Der
Zweite Weltkrieg war beendet, der Nazi-Staat zusammengebrochen. Am 10.
Oktober 1945 wurde die SS, die „Schutzstaffel“, offiziell aufgelöst und zur
verbotenen Organisation erklärt. Die SS hatte mit ihren Schergen die
Konzentrations- und Vernichtungslager betrieben, die Mitglieder des
Verbandes Waffen-SS kämpften im Krieg neben der Wehrmacht.
Gleich nach der Auflösung begann aber die Suche nach
„Entschuldungsnarrativen“, wie es der Historiker Johannes Hürter
bezeichnet. Ehemalige SS-Angehörige sammelten sich in Veteranengruppen,
bildeten Netzwerke, deren Erzählungen etwa so gingen: Der einfache SS-Mann
hat nichts Schlimmes getan, schuld an den Verbrechen war eine kleine
Machtclique, Polizisten wurden unter Zwang in die SS eingegliedert und
mussten sich fügen.
Im weiteren Sinne, so die damalige „Entschuldung“, waren alle irgendwie
Opfer des Krieges. Auf der anderen Seite verlangten Opfer des Nazi-Regimes
Aufklärung und die Ahndung von Verbrechen. Die SS sahen sie als die
zentrale Verbrechensorganisation, Eugen Kogon gab schon 1946 seinem Buch,
der ersten Beschreibung des NS-Terrors, den Titel „Der SS-Staat“.
## Lautlos in die Gesellschaft integriert
Die Historiker Johannes Hürter, Andreas Eichmüller und Jan Erik Schulte
sind auf die NS-Zeit spezialisiert. Hürter forscht beim Institut für
Zeitgeschichte München-Berlin, Eichmüller ist Wissenschaftler am Münchner
NS-Dokumentationszentrum, Schulte leitet die Gedenkstätte Hadamar. In der
Tötungsanstalt in Hessen waren 14.500 Menschen mit Behinderungen und
psychischen Erkrankungen ermordet worden. Die drei stellten nun am Dienstag
im NS-Dokuzentrum zwei neue Bücher über die SS nach 1945 vor.
Die Organisation war tot, doch ihre ehemaligen Angehörigen wurden
gebraucht. „Die meisten Mitglieder wurden lautlos in die Gesellschaft
integriert“, berichtet Eichmüller. Anfang der 50er Jahre, die
Bundesrepublik gab es schon, war eine frühere SS-Mitgliedschaft „kaum von
Bedeutung“ gewesen, man sprach von „Jugendsünden“ und darüber, dass man…
der NS-Zeit anständig geblieben“ sei. 1953 meinte der damalige
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), in der Waffen-SS „waren Soldaten wie
alle anderen auch“.
Es gab Männer wie Eduard Michael, von 1952 bis 1959 Verwaltungs- und
Personalchef beim Bundeskriminalamt (BKA). Davor war er
SS-Hauptsturmführer, in Tschenstochau beteiligt an der Deportation von
4.000 Juden ins Vernichtungslager nach Treblinka. Für seine Taten war er
nie belangt worden, 1987 starb er als Pensionär im Alter von 85 Jahren.
Michael stellte vielfach weitere frühere SS-Männer beim BKA ein. Jan Erik
Schulte meint, man habe „auf alte Kameraden zurückgegriffen“, sie vor allem
als „Fachleute im Sicherheitswesen“ angesehen.
## Die alleinverantwortliche SS
Zugleich aber, so die These der Wissenschaftler, bemühte man sich, die SS
als „Alleinverantwortliche“ darzustellen, als „Inkarnation des Bösen“,…
Schulte sagt. Eichmüllers Begründung dafür lautet: „So musste sich die
deutsche Gesellschaft nicht mit der eigenen Vergangenheit
auseinandersetzen.“ Einerseits waren SS-Leute praktisch wieder
eingegliedert, andererseits war die abstrakte Organisation der SS das
„Alibi einer Nation“, Hürter zufolge kam es zu einer „Externalisierung d…
SS aus der deutschen Gesellschaft“.
Vor allem konnte so auch der Mythos von der „sauberen Wehrmacht“
aufrechterhalten werden. Doch die Wehrmacht, so Hürter, „war auch am
Holocaust beteiligt“. Noch 1995 wurde dies anlässlich der großen
Wehrmachtsausstellung äußert kontrovers diskutiert.
Was hat sich heute verändert? Die Strafverfolgung einzelner Angehöriger der
sogenannten „KZ-SS“ wäre in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg nicht
möglich gewesen, meinen die Forscher. Etwa der Fall John Demjanjuk, der in
München noch sehr präsent ist: Man hatte den damals 90-Jährigen im
Krankenbett in den Gerichtssaal gerollt, im Mai 2011 wurde er wegen
Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen verurteilt. Zehn Monate darauf starb
er in einem oberbayerischen Pflegeheim.
31 Jan 2019
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
SS
NS-Dokumentationszentrum
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Gedenkstätte
Haus der Kunst München
Finnland
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