Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krise am Haus der Kunst: Starkregen über München
> Am Münchener Haus der Kunst fehlt es an einer zukunftsfähigen Strategie.
> Nun soll es ein dreiköpfiger Expertenrat richten.
Bild: Das Haus der Kunst im Abendlicht
Ohne seine nationalsozialistische Geschichte kann man dem Münchner Haus der
Kunst nicht begegnen, und dieses Spannungsverhältnis ist gewollt:
Internationale Gegenwartskunst trifft auf die Architektur des Nazi-Baus.
1937 war er eröffnet worden im Stil einer neoklassizistischen
Überwältigungsarchitektur als „Haus der deutschen Kunst“. Jetzt ist das
Gebäude ein zerbröckelndes und verfallendes Trumm.
Das künstlerische Innere, von wo aus die Moderne kräftig gegen die NS-Hülle
anschreien soll, ist aber schon seit Jahren zerrüttet von Skandalen,
internen Kämpfen und finanzieller Misswirtschaft. Ein „Expertenrat“ soll es
nun richten, der am Montagabend von Bayerns Kunstminister Bernd Sibler
(CSU) vorgestellt wurde – das Haus gehört dem Freistaat. Aufgabe der
dreiköpfigen Gruppe ist die „zukunftsweisende Aufstellung des Hauses“, so
Sibler. Denn dieses sei „eine echte Weltmarke“.
Dem Expertenrat gehören als Vorsitzende die französische
Kunstwissenschaftlerin Bice Curiger, daneben die Münchener Kunstsammlerin
Ingvild Goetz sowie Achim Hochdörfer, Leiter der Münchner Sammlung
Brandhorst, an. Goetz, Mitglied und Erbin aus der Familie des
Otto-Versandhandels, gilt als Besitzerin der größten deutschen
Privatsammlung moderner Kunst. Bei der Vorstellung des Rates fehlt sie.
Die Empfehlungen für das Haus der Kunst (HdK) sind wenig originell. Die
künstlerische Ausrichtung soll beibehalten werden, in schönen Worten wird
das Haus beschrieben als „eine avancierte Institution moderner und
zeitgenössischer Kunst mit einem globalen Fokus und einer
spartenübergreifenden Offenheit“.
Über die Probleme und Verwerfungen der letzten Jahre schweigt sich das
Gremium aus. Das Haus muss dringend generalsaniert werden, ließe man es
nicht kontrolliert verfallen. Bernhard Spies, kaufmännischer Direktor des
HdK, sagt trocken: „Bei Starkregen schaffen wir es noch, das Haus dicht zu
bekommen.“ Zum Teil sei weiterhin die Erstausstattung aus dem Jahr 1937 in
Gebrauch.
## Wiederherstellung des NS-Originals
Zum ersten Aufruhr kam es Ende 2016, als die Sanierungspläne des
künstlerischen Direktors Okwui Enwezor und des Stararchitekten David
Chipperfield bekannt wurden. Die Fassade des Hauses sollte, so der Plan,
gemäß dem NS-Original wiederhergestellt werden. Ob das heute noch gilt, ist
ungewiss. Das Haus wollte man von außen wieder ganz
nationalsozialistisch-brutal machen und dabei auch die Bäume an der
Vorderfront abholzen. Der Protest war enorm.
Dann kam die Scientology-Krise, die zeigte, dass Direktor Enwezor – ein
international hoch geschätzter Kunstkurator – die Verhältnisse nicht unter
Kontrolle hatte. Ein damals für das Personal verantwortlicher Mitarbeiter
war Scientologe, die Belegschaft stand unter dem Pauschalverdacht der
Sektenzugehörigkeit.
Es bedurfte lang, um sich von dem Mann zu trennen. Enwezor wurde der
kaufmännische Direktor Spies zur Seite gestellt, im Sommer 2018 kündigte
der gebürtige Nigerianer überraschend aus gesundheitlichen Gründen. Seitdem
wird das Bild seiner angeblichen finanziellen Misswirtschaft ausgebreitet.
Das Haus stehe kurz vor der Insolvenz, hieß es. Allein für seine
Herzensausstellung „Postwar“ habe Enwezor nicht die angesetzten 1,2
Millionen Euro ausgegeben, sondern 4,5 Millionen.
## Vertane Chance
Mit einem großen Hammer zur Ehrenrettung Enwezors holte kürzlich der
Berliner Kunstprofessor [1][Jörg Heiser in der Süddeutschen Zeitung] aus.
In einem ebenso meinungsstarken wie gut recherchierten Artikel wirft er dem
kaufmännischen Direktor Spies vor, bereits geplante, wegweisende Schauen
von zwei Künstlerinnen (Adrian Piper und Joan Jonas) gecancelt zu haben,
die aus New York und London hätten kommen sollen. Stattdessen werde 2019
Markus Lüpertz als „vermeintlich Bewährtes“ gezeigt.
Nach der Pressekonferenz sagt die Expertenrat-Vorsitzende Bice Curiger im
Gespräch, sie könne diese Meinung „schon verstehen“. Das Gremium sucht
einen neuen künstlerischen Leiter für das Haus, ab 2020. Das Jahr 2019, so
meint der Direktor Spies, werde man irgendwie „über die Bühne bringen“.
23 Jan 2019
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/kultur/haus-der-kunst-adrian-piper-joan-jonas-m…
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Haus der Kunst München
Okwui Enwezor
Chris Dercon
München
Documenta
SS
Haus der Kunst München
Free Jazz
München
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zum Tod von Okwui Enwezor: Ein Plädoyer für Vielfalt
Okwui Enwezor, der Afrika auf die Weltkarte der Kunst setzte und der
Documenta ihre erste postkoloniale Erfahrung bescherte, ist tot.
Die NS-Schutzstaffel nach dem Krieg: Nur die SS war richtig böse
Im Münchener NS-Dokuzentrum berichteten Historiker am Dienstag, wofür die
Nazi-Mordorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg gebraucht wurde.
Ausstellungsabsage am Haus der Kunst: Eine Komplott alter weißer Männer
Erst sagt man die Tate-Ausstellung von Joan Jonas ab. Dann cancelt das Haus
der Kunst in München auch die MoMA-Schau von Adrian Piper.
Münchner Ausstellung über Freejazz: Konzentrierter Freakout
Wie Freejazz aus Protest und Emanzipationsbewegung entstand: Das Haus der
Kunst in München dokumentiert das Wirken des Westberliner Labels FMP.
Feministisches Theaterfestival Body Talk: Private Dance für alle
Matthias Lilienthals erste Spielzeit an den Münchner Kammerspielen neigt
sich dem Ende zu. Eine Intendanz, die München bereichert hat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.