| # taz.de -- Ausstellung NS-Reichsarbeitsministerium: In den Mühlen des Nazi-Te… | |
| > In der Berliner Gedenkstätte Topographie des Terrors informiert eine | |
| > Ausstellung über Menschenjagd im Reichsarbeitsministerium. | |
| Bild: Die Ausstellung präsentiert die Geschichte des Reichsarbeitsministeriums… | |
| Zum Beispiel Ottmar Heiligenthal: Der Mann war einer der Fälle, bei dem | |
| heute die Hartz-IV-Bezüge gekürzt würden, weil er angebotene Arbeitsstellen | |
| mehrfach ablehnte. Nichts anderes geschah mit Heiligenthal im | |
| nationalsozialistischen Staat. 1938 stellte das Arbeitsamt die | |
| Unterstützung für den 1913 Geborenen ein. | |
| Hier aber enden auch schon die Parallelen zwischen NS-Regime und der | |
| Bundesrepublik. Denn Heiligenthal geriet im selben Jahr in die Hände der | |
| Gestapo. Der Mann galt als „arbeitsscheu“. „Als Parasit im Volkskörper i… | |
| seine Absonderung und Erziehung zur ernsten Arbeit angezeigt“, heißt es in | |
| der Begründung der Staatspolizei Würzburg für seine Inhaftierung. Ottmar | |
| Heiligenthal kam im Mai 1938 in das KZ Buchenwald, so wie mehr als 10.000 | |
| weitere Männer. Erst im Januar 1940 wurde die „Schutzhaft“ für ihn | |
| aufgehoben. | |
| Das Schicksal von Heiligenthal ist in einer bemerkenswerten Schau [1][der | |
| Berliner Gedenkstätte Topographie des Terrors] über das | |
| Reichsarbeitsministerium zwischen 1933 und 1945 dokumentiert. „Beamte im | |
| Dienst des Nationalsozialismus“ lautet die Überschrift der | |
| Sonderausstellung. Denn es war keineswegs so, dass diese Staatsdiener, wie | |
| lange behauptet, nach der NS-Machtübernahme an Einfluss verloren. Ganz im | |
| Gegenteil: Sie konnten ihre Befugnisse erweitern. Es war kein Zufall, dass | |
| Heiligenthal in die Mühlen des Nazi-Terrors geriet. Es war Programm. | |
| Individualität galt nichts im NS-Staat, [2][stattdessen triumphierte dort | |
| die rassistisch definierte „Volksgemeinschaft“.] Entsprechend entstand | |
| statt eines freien Arbeitsmarkts der „Arbeitseinsatz“ zugunsten des Staates | |
| als Teil der Entmenschlichung der Gesellschaft. Federführend dabei war eben | |
| das 1919 gegründete Reichsarbeitsministerium. | |
| ## System der Zwangsarbeit | |
| Die Konsequenzen dieser staatlichen Allmacht zeigt die Ausstellung an | |
| Einzelschicksalen: Elfriede R. etwa entschied sich Ende 1942 dazu, ihre | |
| Arbeitsstelle zu wechseln. Doch weil sie dazu keine Erlaubnis besaß, ließ | |
| das Regime sie zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilen. Oder der | |
| vollständig gehörlose Julius Danner. 1938 entzog man ihm seine | |
| Invalidenrente. Er sollte wegen der gesteigerten Nachfrage nach | |
| Arbeitskräften wieder der „Volksgemeinschaft“ dienlich sein. | |
| Dem Arbeitsministerium unterstand auch die Rentenversicherung, die die | |
| Judendeportationen klaglos hinnahm. Zwar wurden Juden nicht gänzlich aus | |
| der Versicherung ausgeschlossen, aber sie verloren schon vor Kriegsbeginn | |
| die Möglichkeit zur Teilnahme an Kuren. Nachdem die ersten Deportationen | |
| begonnen hatten, stellte die Versicherung ihre Zahlungen an die Empfänger | |
| wie selbstverständlich ein – so wie bei Anna Fetterer aus dem badischen | |
| Gegenbach, die 1940 ins französische Lager Gurs verschleppt wurde. | |
| Nach Kriegsbeginn entwickelte sich aus der zwangsweisen Arbeit ein System | |
| der Zwangsarbeit, das Millionen Menschen umfasste. Menschen aus den | |
| besetzten Gebieten mussten zur Sklavenarbeit antreten und in Ghettos | |
| gesperrte Juden in Osteuropa arbeiteten bis zu ihrer eigenen Deportation in | |
| den Tod, ebenso wie die im Reich verbliebenen Juden, die in der | |
| Kriegswirtschaft eingesetzt waren, bis man sie durch osteuropäische | |
| Zwangsarbeiter ersetzen konnte – und die nun „Überflüssigen“ ebenfalls | |
| ermordete. | |
| Immer dabei: Das Reichsarbeitsministerium und die ihnen unterstellten | |
| Arbeitsämter. Selbst in entlegenen Gebieten der Sowjetunion etablierten | |
| sich diese Menschenjäger. Die Ausstellung thematisiert dieses Kapitel am | |
| Beispiel der Ukraine. Die zur Zwangsarbeit gepressten Menschen aber mussten | |
| Jahrzehnte warten – und viele erlebten den Zeitpunkt nicht mehr –, bis sich | |
| die Bundesrepublik dazu herabließ, ihnen eine Rente zukommen zu lassen. | |
| ## Kontinuität zum Bundesarbeitsministerium | |
| All diese Tatsachen sind seit einigen Jahren bekannt, ebenso wie die in der | |
| Ausstellung breit dokumentierte personelle Kontinuität zwischen dem | |
| NS-Ministerium und dem westdeutschem Bundesministerium für Arbeit, wo in | |
| den Spitzenpositionen zeitweise mehr als die Hälfte der Beamten eine | |
| einschlägige Vergangenheit besaß. Die Rolle des Reichsarbeitsministeriums | |
| im Nationalsozialismus ist, ebenso wie bei weiteren Institutionen, von | |
| einer unabhängigen Historikerkommission untersucht worden, die 2017 ihren | |
| Abschlussbericht vorgelegt hat. | |
| Die von Swantje Greve kuratierte Ausstellung fußt auf den Ergebnissen | |
| dieser wissenschaftlichen Untersuchung. Dieses Novum betont auch Andreas | |
| Nachama, Leiter der Topographie des Terrors. Es wäre zu wünschen, wenn die | |
| Ausstellung nicht das letzte Projekt dieser Kooperation bliebe. | |
| 6 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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