# taz.de -- Nazi-Erinnerungen in der Kirche: Das Kreuz mit dem Hakenkreuz | |
> In der Herxheimer Dorfkirche hängt eine Glocke, auf der „Alles fuer’s | |
> Vaterland – Adolf Hitler“ steht. Sigrid Peters streitet dafür, dass die | |
> Glocke wegkommt. | |
Bild: Soll hängen bleiben: Die Nazi-Kirchenglocke von Herxheim läutet derzeit… | |
HERXHEIM AM BERG/WEISENHEIM AM BERG taz | Zur Evangelischen Kirche der | |
Pfalz gehören über 400 Kirchengemeinden in Rheinland-Pfalz und im Saarland. | |
Eines der Dörfer ist Herxheim am Berg mit seinen rund 800 Einwohnern, am | |
höchsten Punkt der Deutschen Weinstraße gelegen. | |
Sigrid Peters, die gelegentlich sonntags in der Jakobskirche die Orgel | |
spielte, hat die Existenz der Glocke, als sie vor zwei Jahren davon erfuhr, | |
überregional bekannt gemacht. „Hochzeit unter Hitler-Glocke“ titelte die | |
Rheinpfalz im Mai 2017. Von einer „Swastika on a Church Bell“ – einem | |
„Hakenkreuz auf einer Kirchenglocke“ schrieb die New York Times. | |
Kirchenleitungen schickten Pfarrerinnen und Pfarrer auf die Kirchtürme, um | |
nach historischem Ballast zu fahnden. | |
Neulich hat Sigrid Peters einen weiteren Versuch unternommen, damit die | |
„Nazi-Devotionalie“ aus der Kirche verschwindet. Seit fast zwei Jahren | |
kämpft sie darum. Sie will die Glocke mit Hakenkreuz und der Widmung „Alles | |
fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ nun mit dem kirchlichen Dienstrecht aus | |
dem Turm der evangelischen Kirche von Herxheim am Berg verbannen. | |
Die beiden maßgeblichen Akteure, der Pfarrer und der Bürgermeister, sind | |
Männer der Kirche und daher dem Pfarrdienstgesetz unterworfen. Der eine ist | |
aktiver, der andere ehemaliger Pfarrer von Herxheim am Berg. Doch beide | |
sind nicht willens, die Bronzeglocke mit dem Hakenkreuz aus der | |
Jakobskirche entfernen zu lassen. | |
## Orgeln, Saumagen und die Pfälzer Gemütlichkeit | |
Orgel spielt Sigrid Peters immer noch, aber nicht mehr in Herxheim. Musik | |
ist ihr Leben. Im Haus der Peters in Weisenheim am Berg, kaum drei | |
Kilometer von Herxheim entfernt, steht ein Klavier, ihr Mann Manfred Peters | |
war Flötist in einem Orchester, später unterrichtete er wie seine Frau | |
Musik am Gymnasium im nahen Grünstadt. „Ein Sonntag ohne Orgel ist ein | |
verlorener Sonntag“, wird Sigrid Peters noch sagen. Jetzt aber serviert sie | |
Saumagen, Pfälzer Saumagen. Die dicken Scheiben glänzen in der Pfanne. | |
Mageres Fleisch, Kartoffeln oder Maroni, Pilze, Majoran – das sind die | |
Hauptzutaten, erzählt Peters. | |
Unter Helmut Kohl ist Pfälzer Saumagen zu einem Mittel deutscher Diplomatie | |
aufgestiegen. Bush senior, Gorbatschow, Mitterrand, Margaret Thatcher – sie | |
alle hat Kohl in Deidesheim, unweit von hier, mit Saumagen bewirtet. Er hat | |
seine Staatsgäste so sehr mit pfälzischer Lebensart eingeseift, dass die | |
ganz sicher waren, dass das neue größere Deutschland so gemütlich werden | |
würde, wie es die Pfalz schon immer war. Bei den Männern hat das gut | |
geklappt. Nur Margaret Thatcher hat der Kohl’schen Inszenierung nie | |
getraut. | |
Was, wenn hinter diesem Idyll eine andere, eine verstörende Welt | |
aufscheint? Eine Welt, in der Hochzeitspaare mit dem Hakenkreuz in den | |
siebten Himmel geläutet wurden? In der die Deutsche Weinstraße, als | |
„Saumpfad der Glückseligkeit“ besungen, eine Idee von Josef Bürckel war, | |
dem NSDAP-Gauleiter der Rheinpfalz, um 1935 den darbenden Winzern | |
aufzuhelfen? Und wenn der eigene Schwiegervater ein glühender | |
Nationalsozialist war, ein Bürgermeister, der tatkräftig mithalf, das neue | |
Dritte Reich zu bauen? | |
## Der Vater, ein Nationalsozialist | |
Als Bürgermeister Fritz Peters, der 1940 freiwillig in den Krieg gezogen | |
war, in Lothringen fiel, ließ Gauleiter Bürckel den Ort zu seinen Ehren in | |
Petersruh umbenennen. Alles fuers’ Vaterland! Alles so pfälzisch wie der | |
Riesling und der Saumagen – und das Grabmal von Josef Bürckel auf dem | |
Hauptfriedhof in Neustadt an der Weinstraße. Die Pfalz hat viele | |
Geschichten und manche, so scheint es, lassen Sigrid und Manfred Peters | |
schaudern. | |
Frau Peters arbeite sich an der Glocke doch nur deshalb so ab, weil ihr | |
Schwiegervater so ein Nazi war, ist in Herxheim zu hören. Der Bürgermeister | |
hat es erst am Nachmittag wiederholt: Die beiden Peters kämpften wie Löwen | |
gegen die Glocke, weil sie diesen Vorfahr haben. | |
Manfred Peters lacht auf, als er das hört. Das mit den „Löwen“ ist | |
natürlich ein Kompliment, das andere Unterstellung. Manfred Peters wird | |
später noch einen Bericht der SWR-Landesschau zeigen, der ihn auf den | |
Spuren seines Vaters zeigt. „Mein Vater, der Nazi“ heißt ein Artikel über | |
Fritz Peters in der Rheinpfalz von 2014, wo er offen über das ambivalente | |
Verhältnis zu seinem Vater redet. Manfred Peters hat mit veranlasst, dass | |
in Annweiler, wo sein Vater Bürgermeister war, Stolpersteine verlegt wurden | |
in Erinnerung an die ermordeten Juden der Stadt. | |
Peters, ein agiler Mann mit Stoppelhaar und Brille, ist Jahrgang 1934. An | |
seinen Vater hat er kaum Erinnerungen, geprägt hat der ihn trotzdem. Bis | |
1945 war Peters der privilegierte Sohn eines NS-Funktionärs, danach ein | |
Nazikind, so sehr gemieden, dass er sich einigelte. Erst durch Studium und | |
Musik fasste er Selbstvertrauen. Peters, der Pfälzer, ist ein Linker | |
geworden, ein Freigeist, auch musikalisch. Mit siebzig hat er über Johann | |
Sebastian Bach promoviert. Doch eigentlich ist er ein Anhänger der Neuen | |
Musik, geprägt von John Cage, Karlheinz Stockhausen, Dieter Schnebel. | |
Sigrid Peters wurde 1944 in Schlesien geboren. Im Jahr darauf flüchtete die | |
Familie in die Sowjetzone, zehn Jahre später in den Westen. In | |
Kaiserslautern ging Sigrid aufs Gymnasium. Seit ihrer Jugend spielt sie | |
Orgel, als streng erzogene Katholikin in katholischen Kirchen – bis sie für | |
die SPD für den Gemeinderat kandidierte. „Katholiken wählen CDU, hat der | |
Pfarrer mir gesagt“, erzählt Peters. Sie wechselt die Konfession und | |
spielte fortan in evangelischen Kirchen, auch in Herxheim. | |
## Die Glocke soll ins Gemeinschaftshaus, findet Peter | |
Die Musik hat die beiden verbunden. Er ist aufmerksam, klar. Manchmal | |
mischt sich ein helles Lachen in seine Rede. Sie, weiße Bluse, mit wachem, | |
direktem Blick, entschlossen, sich nicht das Wort nehmen zu lassen, ganz | |
gleich, was der Nachbar denkt. Oder der Pfarrer. „Wieso ich mich einmische, | |
werde ich gefragt. ‚Sie wohnen doch gar nicht in Herxheim‘ “, sagt Sigrid | |
Peters. „Was ist das für eine Mentalität?“ Das Wort „Rentnerehepaar“ … | |
einem bei den beiden nicht in den Sinn. Musik hält jung. Renitenz auch. | |
Im Dorfgemeinschaftshaus in Herxheim ist pfälzische Lebensart konserviert. | |
Auf Schwarz-Weiß-Fotos prosten Zecher einander zu – beim Weinabend 1971, | |
beim Fasching 1954, die stolze Jugend 1934. „Die Herxheimer in fröhlichen | |
Weinrunden und sonstige Zeugnisse der Weinkultur!“ steht unter Glas | |
geschrieben. Hier im Foyer wäre noch Platz für die Glocke. Sie verbliebe im | |
Ort, wäre zugänglich, aber doch unter Aufsicht – so die Idee von Sigrid | |
Peters. Ursprünglich hatte sie sich damit zufriedengeben wollen, dass die | |
Glocke schweigt. „Aber dass sie noch mal läuten könnte …“ | |
Wann? Zu welchem Anlass? Etwa am Holocaustgedenktag? „Nein, das wäre | |
schräg“, räumt Georg Welker ein. Die Glocke werde vorerst schweigen. Wie | |
lange? „Solange das ein Thema ist.“ Welker bleibt im Vagen. Georg Welker, | |
Jahrgang 1946, war zwanzig Jahre lang Pfarrer in Herxheim, wechselte 1998 | |
die Gemeinde, kehrte aber nach seiner Pensionierung zurück und ist seit | |
Dezember 2017 ehrenamtlicher Ortsbürgermeister. Welker ist qua Amt der | |
Hüter der „Hitlerglocke“, denn die Glocke ist seit 1934 Eigentum der | |
politischen Gemeinde. Als „Polizeiglocke“ rief sie nicht nur zum | |
Gottesdienst, sondern warnte auch vor Feuersbrunst, Fliegeralarm oder | |
sonstiger Gefahr. | |
Welkers Vorgänger war nicht mehr zu halten, als er bekräftigte, er sei | |
schon „stolz“ auf eine so seltene Glocke. Überdies brachte er viel | |
Verständnis für die Nazizeit auf. Nicht alles sei schlecht gewesen, sprach | |
er in eine TV-Kamera – und trat bald darauf zurück. Georg Welker dürfte bei | |
seinem Sieg geholfen haben, dass er sich ganz offen für das Hängenlassen | |
der Glocke aussprach. | |
## Eine Stele fürs Vergangene, doch die Glocke bleibt | |
Welker ist eine stattliche Erscheinung. Obwohl 72 Jahre alt, wirkt er | |
geradezu athletisch. Welker hat einen klaren Bass und klare Ansichten. Die | |
Glocke sei ein „Zeitzeugnis“ und wenn „das Thema“ abgearbeitet sei, wenn | |
sich also alles ein wenig beruhigt habe, „kann man darüber nachdenken, dass | |
sie wieder läutet“. Man werde demnächst eine Mahntafel aufstellen, die | |
Stele sei schon aufgestellt. Geschwungen sei sie, früher Teil eines | |
gotischen Fensterbogens, und stehe für etwas Zerbrochenes, Inperfektes. | |
Glocken kündeten nicht nur von Schönem, sondern auch von Zerbrochenem. | |
Welker verfällt ins Predigen. Glocken erinnerten an die Zerrissenheit des | |
eigenen Handelns wie an die Zerrissenheit der Welt. „Es muss heute alles | |
perfekt sein, hundert Prozent richtig“, schimpft der Ruhestandspfarrer. Die | |
Menschen suchten sich ihre eigene Ethik, würden rigoros. „Hypermoral“ nennt | |
er das und empfiehlt ein Buch zur Lektüre. Die Glocke könne daher sehr wohl | |
im Turm verbleiben, als Mahnmal an authentischem Ort und nicht irgendwo | |
„entsorgt“ im Museum. Der Gemeinderat habe so entschieden, das Presbyterium | |
der Kirchengemeinde auch. „Von daher könnte ich mir vorstellen, dass sie | |
wieder läutet“, schließt Welker und fügt an: „Ich weiß, dass es Leute g… | |
die damit ein Problem haben.“ | |
Sigrid Peters? „Die hat ein eigenes Problem“, sagt Welker, dann folgt das | |
Wort von den „Löwen“ und dem NS-Schwiegervater. Und wie ist es bei ihm | |
selbst? „Ich weiß, dass mein Großvater ranghoher General war“, sagt Welke… | |
Es gibt ein Foto, wo sein Großvater, Generalleutnant Rainer Stahel, 1944 | |
aus der Hand Adolf Hitlers das Ritterkreuz erhält. Stahel wird als | |
Stadtkommandant an die Brennpunkte des Rückzugs geschickt: Rom, Vilnius, | |
Warschau. In der polnischen Hauptstadt ist er an der Niederschlagung des | |
Warschauer Aufstands beteiligt, den die polnische Heimatarmee gegen die | |
deutschen Besatzer beginnt. Weit über 100.000 Zivilisten sterben, viele | |
durch Massenexekutionen. Wenig später gerät Stahel in Gefangenschaft, 1955 | |
stirbt er in der Sowjetunion. Im Museum des Warschauer Aufstands wird | |
Welkers Großvater als Kriegsverbrecher geführt. Alles fuer’s Vaterland. | |
Müsste man bei diesem Verwandten nicht sensibler sein, was die Glocke | |
betrifft? Nächtelang hätten er und seine Schwester diskutiert, entgegnet | |
Welker. Welche Rolle spielte ein General? Welche Möglichkeiten hatte er? | |
Wie war das mit der Politik? Am Grab in Russland sei er gewesen. „Wie sieht | |
er die Verantwortung für Politik, hätte ich ihn gefragt.“ Mit Blick auf | |
eine „Hitlerglocke“ könnte sich das auch der Dorfbürgermeister fragen | |
lassen. | |
## Was, wenn eines Tages Donald Trump kommt? | |
Dass eine solche Glocke hängen bleibt, zeuge von einer tiefen | |
Respektlosigkeit gegenüber allen Opfern des Nationalsozialismus, | |
unterstreicht dagegen Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der | |
Juden in Deutschland. | |
Georg Welker lädt zu einer Rundfahrt durchs Dorf, zeigt den Neubau der | |
Winzergenossenschaft, errichtet am höchsten Punkt der Weinstraße. Von der | |
Terrasse aus kann man gut ins zwei Kilometer entfernte Kallstadt blicken, | |
von wo aus Friedrich Trump einst in die Neue Welt aufbrach. Sein Enkel | |
Donald hat geäußert, das Dorf der Vorfahren besuchen zu wollen. Gut | |
möglich, dass er, wenn er von der „Swastika on a Church Bell“ erfährt, die | |
Story kurzerhand twittert. Da hätte Bürgermeister Welker einiges zu tun. | |
Welker hält es mehr mit Kuba. Er hat ein oliv Käppi mit rotem Stern | |
aufgesetzt, an der Seite prangt eine kleine Kuba-Flagge, er sieht aus wie | |
ein Comandante. Seine Frau komme aus Kuba, erklärt Welker dieses Faible. An | |
der Jakobskirche blinzelt er zum Turm hinauf. Dort oben hängt „diese | |
hirnrissige Glocke“, wie es schon aus ihm herausgeplatzt ist. Die Mahntafel | |
könnte bereits befestigt sein, schimpft er, doch der Herxheimer | |
Handwerksmeister, den er beauftragen wollte, lehnte ab. „Mach ich nicht, | |
hat der gesagt, ich bin für Abhängen.“ Die Inschrift habe er selbst | |
verfasst, im Einvernehmen mit der Kirchengemeinde. | |
Eigentlich gibt es doch ganz andere Themen, die das Dorf beschäftigen, | |
wendet Welker ein. Der Lkw-Verkehr, der regelmäßig die Straßen blockiert, | |
müsse dringend am Dorf vorbeigeführt werden. Die Umgehungsstraße allerdings | |
könnte ein Naturschutzgebiet durchschneiden. Und die Kirchenmauern sind von | |
Rissen durchzogen. Der Hang ist instabil. Eine Spendensammlung läuft | |
bereits. Es käme daher nicht gut an, wenn die Landeskirche, wie | |
angekündigt, 50.000 Euro für eine neue Glocke geben will, damit die | |
„Hitlerglocke“ verschwindet, das Kirchlein aber zerbricht. „De Leut’ | |
verstehen das nicht“, sagt Helmut Meinhardt. Der Ortspfarrer ist auf den | |
Kirchhof gekommen. | |
## Die Kirchenleitung will handeln, kann aber nichts tun | |
Später wird Meinhardt eine Erklärung zur „Causa Herxheim“ überreichen, d… | |
Resümee: Die Gestaltung der Glocke sei vor 2017 bekannt gewesen, sie gehöre | |
der politischen Gemeinde, die sie als Mahnung im Turm belassen wolle. Das | |
Presbyterium akzeptiere das und habe sie stillgelegt. Zudem würden | |
Denkmalbehörden – die ganze Kirche steht unter Denkmalschutz – einer | |
„Translozierung“ gar nicht zustimmen. Die Typografie der Erklärung ist so | |
unruhig wie der Inhalt. Schriftgrößen, Ausrufungszeichen, Gefettetes, | |
Kursives – es geht hin und her. | |
Wer will, kann eine vorsichtige Distanzierung vom Bürgermeister | |
herauslesen. Doch eigentlich ist es eine Apologie. Die beiden Pfarrer, sie | |
sind per Sie, mögen recht unterschiedlich sein. Die Einstellung zur Glocke | |
eint sie. | |
„Ich befürworte die Haltung von Frau Peters zu hundert Prozent“, sagt | |
Oberkirchenrat Michael Gärtner in Speyer. „Die Glocke muss runter.“ Aber | |
wie? Gärtner ist Mitglied im sechsköpfigen Leitungsgremium, doch der | |
Theologe, das wird beim Telefonat schnell klar, sieht keinen Ansatz. Man | |
habe Peters’ Dienstaufsichtsbeschwerden geprüft, jedoch keine Möglichkeiten | |
gefunden, gegen die beiden Pfarrer vorzugehen. „Wir können die | |
Kirchengemeinde nicht zwingen, die Glocke abzuhängen.“ Und bei dieser | |
Glocke haben überdies Gerichte entschieden, dass sie im Turm bleiben könne. | |
Die Sache, bedauert Gärtner, sei verfahren. Die Mahntafel werde nichts | |
daran ändern. „Die Tafel halten wir nicht für den optimalen Weg.“ Erst | |
recht, wenn Bürgermeister Welker die Glocke wieder läuten würde. „Das wäre | |
ein Unding.“ | |
Warum eine Landeskirche, in der die „Versöhnung mit dem jüdischen Volk“ | |
ebenso Verfassungsrang hat wie die Ächtung „jeder Form von | |
Judenfeindschaft“, nicht juristisch gegen die Pfarrer vorgehen kann, bleibt | |
Sigrid Peters aller verständnisvollen Worte zum Trotz ein Rätsel. Die | |
Herxheimer Pfarrer haben sich auf diese Verfassung verpflichten lassen. | |
Von Vertuschung spricht Peters, von Aussitzen. Eine politische Strategie | |
übrigens, die in der Pfalz erfunden wurde. Inzwischen hat sich Sigrid | |
Peters an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gewandt. Der | |
Verfassungsgerichtshof der EKD als höchste Instanz evangelischer | |
Gerichtsbarkeit möge sich mit der Sache befassen. Das Vertrauen in die | |
Kirche der Pfalz ist jedenfalls weg. | |
Georg Welker hat inzwischen einen Handwerker für die Stahltafel gefunden. | |
Nach einigen Sätzen zur Geschichte der Glocke und der Würdigung des | |
„unendlichen Leids“, das der Nationalsozialismus über die Welt gebracht | |
hat, heißt es: „Als Mahnmal soll die Glocke dazu auffordern, sich mit der | |
Vergangenheit verantwortungsvoll zu befassen, um rechtzeitig gegen Unrecht, | |
Rassismus, Gewalt und Krieg das Wort zu erheben und Widerstand zu leisten.“ | |
Keine Silbe davon, dass die Glocke bis 2017 fröhlich geläutet hat. | |
Zeitungen zitieren Welker mit den Worten, die Tafel sei eine notwendige | |
Ergänzung eines nun abgeschlossenen Prozesses. Es klingt nach | |
Schlussstrich. | |
Aber nicht, was Welker selbst betrifft. Der Ruhestandspfarrer hat an | |
Politik Gefallen gefunden. Zur Kommunalwahl am 26. Mai will er sein Amt | |
verteidigen. Die Chancen stehen gut dafür, dass Welker im Juli das Wein- | |
und Sektsymposium, das edelste Weinfest im Dorf, weil man neben der Kirche | |
so einen grandiosen Blick in das Rheintal hat, erneut als Bürgermeister | |
eröffnen wird. Welker macht weiter. Sigrid Peters auch. | |
31 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Thomas Gerlach | |
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