# taz.de -- 75 Jahre Attentat auf Adolf Hitler: Der 20. Juli und die Lüge | |
> Lange galt der Versuch, Hitler zu stürzen, als „Verrat“. Heute bemühen | |
> sich Rechte, die Tat als Vorbild zu vereinnahmen. | |
Bild: Blumen in der Gedenkstätte im Bendlerblock, dort wo Stauffenberg ermorde… | |
BERLIN taz | Fünfundsiebzig Jahre nach dem 20. Juli 1944 erinnern wir an | |
den gescheiterten Umsturzversuch. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer | |
über die Jahrzehnte gewachsenen Akzeptanz des Widerstands gegen den | |
Nationalsozialismus. Dies war nicht immer so. Missdeutungen und | |
Instrumentalisierungen begleiten die Debatte schon seit der frühen | |
Nachkriegszeit. Und auch im Jahr 2019 bemühen sich Rechte und Rechtsextreme | |
darum, die Attentäter in ihrem Sinne für sich zu instrumentalisieren. | |
Grundsätzlich wurde der [1][Widerstand gegen den Nationalsozialismus] in | |
den westlichen Besatzungszonen in der unmittelbaren Nachkriegszeit in einer | |
noch direkt vom NS-Regime geprägten Gesellschaft mit nur wenigen Ausnahmen | |
negativ bewertet. Es war das Odium des „Verrats“ und des „Eidbruchs“, d… | |
die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer lange Zeit umgab. | |
Hierunter hatten nicht nur die unmittelbar beteiligten Überlebenden selbst | |
zu leiden, sondern auch die Familienangehörigen der Menschen, die von der | |
nationalsozialistischen Unrechtsjustiz ermordet worden waren. Sie wurden | |
vielfach gesellschaftlich ausgegrenzt und erhielten keine oder nur sehr | |
spät eine materielle Entschädigung. | |
Die Bundesrepublik Deutschland tat sich sehr schwer mit der Anerkennung des | |
gegen das NS-Regime gerichteten Handelns. So stellte 1951 die | |
Oberfinanzdirektion München die Unterhaltszahlungen an die Witwe eines | |
Obersten, der im Oktober 1944 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt | |
und in Berlin-Plötzensee erhängt worden war, mit der Begründung ein, das | |
Recht auf Fürsorge erlösche „mit dem Tag, an dem ein Fürsorge- und | |
Versorgungsempfänger wegen eines Hoch- und Landesverrats zum Tode | |
verurteilt worden ist“. Erst das bayerische Finanzministerium hob diesen | |
skandalösen Bescheid auf. | |
## Nazi-Recht galt in der Bundesrepublik weiter | |
Die nationalsozialistische „Rechtsprechung“ galt in vollem Umfang weiter. | |
Der Deutsche Bundestag konnte sich erst 1998 dazu entschließen, die Urteile | |
des „Volksgerichtshofs“ und der Sondergerichte aufzuheben. Und erst 2002 | |
hob das deutsche Parlament die Urteile der Militärjustiz auf, erst 2009 | |
auch die Urteile wegen sogenannten Kriegsverrates – einer von den | |
Nationalsozialisten eingeführten Norm, die immer weiter ausgeweitet wurde. | |
Seit 1941 genügte – so ein zeitgenössischer Kommentar – für ein Todesurt… | |
wegen „Kriegsverrats“ „jegliche Unterstützung der Ziele des Bolschewismu… | |
Hunderte von Widerstandskämpfern wurden nach dieser Norm zum Tode | |
verurteilt und ermordet – erst seit 2009 kann dieses Unrecht auch Unrecht | |
genannt werden. | |
In der Sowjetischen Besatzungszone war die Wahrnehmung des Umsturzversuchs | |
vom 20. Juli 1944 zunächst durchaus widersprüchlich. Sie war von Ehrung, | |
aber auch von Kritik und Verurteilung geprägt. Die sich wandelnde | |
Wahrnehmung zeigt sich in den Artikeln des kommunistischen | |
Widerstandskämpfers und späteren SED-Funktionärs Anton Ackermann. Im Juli | |
1945 sah er den Umsturzversuch als „bedeutende illegale Bewegung | |
entschlossener Männer aus verschiedenen Lagern und Schichten des Volkes, | |
die mit ihrer mutigen Tat an den Grundfesten des Hitlerstaates gerüttelt | |
hätten“. | |
Zwei Jahre später verurteilte Ackermann den Plan der „Palastrevolution“ als | |
„dilettantisch“ und den Anschlag als „übereilt“. Er folgerte: „Die S… | |
hätte einen kompromisslosen Kampf für die sofortige Beendigung des Krieges | |
durch den Sturz der Hitlerdiktatur erfordert. Keiner der Generale erwies | |
sich zu einem solchen Kampfe im Interesse von Volk und Vaterland fähig. Die | |
eine Art der reaktionären Diktatur sollte nur von einer anderen abgelöst | |
werden.“ | |
Der Substanz des Umsturzversuchs, den Krieg und damit auch die | |
nationalsozialistischen Gewaltverbrechen zu beenden, wurden solche | |
Deutungen nicht gerecht. Natürlich hatten die an der Vorbereitung von | |
Attentat und Umsturzversuch Beteiligten kein ausformuliertes Konzept für | |
die nachnationalsozialistische Zeit in der Tasche. Zu einschränkend waren | |
die Rahmenbedingungen, innerhalb deren sie agierten: Die Mehrheit der | |
Deutschen folgte bereitwillig Hitler und hatte es sich in der | |
nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ bequem gemacht oder glaubte gar | |
noch an den Endsieg. Die alliierten Mächte verlangten seit Januar 1943 die | |
bedingungslose militärische Kapitulation Deutschlands und befanden sich | |
1944 an allen Fronten in der Offensive. Vor diesem Hintergrund waren zwar – | |
wie im Kreisauer Kreis – „Grundsätze für die Neuordnung“ denkbar, aber | |
konkrete politische Entscheidungen konnten nur vorbereitet, aber nicht | |
gefällt werden. | |
## Für Rechtsstaatlichkeit, gegen Judenverfolgung | |
Unter den „Konsensdokumenten“ des 20. Juli 1944 spielt die von | |
Generaloberst Ludwig Beck und dem nationalkonservativ geprägten Carl | |
Friedrich Goerdeler maßgeblich beeinflusste „Regierungserklärung“ eine | |
große Rolle. Darin sind die Ziele des Umsturzes formuliert: „Erste Aufgabe | |
ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die | |
Regierung selbst muss darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie | |
muss sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen. […] | |
Das Recht wird jedem gegenüber, der es verletzt hat, durchgesetzt. Alle | |
Rechtsbrecher werden der verdienten Strafe zugeführt. […] Die | |
Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, | |
tief beschämenden und gar nicht wieder gutzumachenden Formen vollzogen hat, | |
ist sofort eingestellt.“ | |
Dies ist ein klares Bekenntnis zu einem Rechtsstaat, der in Deutschland | |
seit Februar 1933 nicht mehr existierte und der jetzt wiederhergestellt | |
werden sollte. Welche Form der Volksherrschaft allerdings folgen sollte, | |
darüber gab es noch keine Einigung – dies konnte getrost der politischen | |
Entwicklung überlassen werden. So ist dem Juristen Christian Waldhoff | |
zuzustimmen, dass von den politischen Plänen der Verschwörer kein direkter | |
Traditionsstrang ins Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland führte, | |
wohl aber in eine rechtsstaatliche Ordnung als Voraussetzung für ein | |
demokratisch verfasstes Gemeinwesen. | |
Doch es war lange Zeit einfacher, den Umsturzversuch entweder zu | |
heroisieren, ihn zu entpolitisieren oder als „falsch und zu spät“ zu | |
diskreditieren. Tatsächlich handelte es sich um ein Attentat als | |
Voraussetzung für einen Staatsstreich. Eine Militärherrschaft war nicht das | |
Ziel der Verschwörer, sondern bestenfalls Mittel des gesicherten Übergangs | |
zu einer zivilen Nachkriegsregierung. | |
## Kontakte zum kommunistischen Widerstand | |
Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die zentrale Persönlichkeit des | |
Umsturzversuchs, wurde vielfach nur auf einige Facetten seiner | |
Persönlichkeit und seiner Entwicklung reduziert. In der neuesten Biografie | |
wird stark auf den Einfluss des Dichters Stefan George verwiesen, der in | |
einer heute kaum mehr verständlichen Sprache einem Kreis von jungen Männern | |
ein elitäres Bewusstsein vermitteln wollte. Doch George war 1933 gestorben, | |
und Stauffenbergs Aktivitäten im Widerstand konzentrieren sich auf die | |
Jahre 1943 und 1944. Stauffenberg war zudem Realpolitiker genug, um in alle | |
politischen Richtungen zu sondieren. | |
Und so kam es im Juni 1944 zu einem Gespräch zwischen den Sozialdemokraten | |
Julius Leber und Adolf Reichwein mit den führenden Berliner Kommunisten | |
Anton Saefkow und Franz Jacob – und dies mit Wissen und Billigung | |
Stauffenbergs. Die Sondierungen, die gut begannen, sollten fortgesetzt | |
werden – doch vor dem nächsten Treffen wurden alle Beteiligten durch einen | |
Spitzel der Gestapo verraten. | |
Die Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus war und ist | |
immer unbequem. Er führt uns vor Augen, dass es Handlungsalternativen zur | |
Folgebereitschaft gegenüber der Diktatur gab. Und er macht deutlich, dass | |
viele Regimegegner erst sich selbst überwinden und vom Regime lösen | |
mussten, ehe sie sich dem Widerstand anschlossen. Dies zeigt sich etwa am | |
Beispiel der heftigen Diskussion über die Offiziere der Heeresgruppe Mitte, | |
die sich an der Verschwörung gegen Hitler beteiligten. Die neuere | |
Forschung hat herausgearbeitet, dass diese schon früher über die | |
nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und vor allem über die | |
Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung durch Einsatzgruppen | |
informiert waren, als in der einschlägigen Erinnerungsliteratur zu lesen | |
war. | |
Doch ändert sich dadurch etwas an der Einschätzung der Substanz ihrer | |
Entscheidung, sich konsequent gegen Hitler zu wenden? Henning von Tresckow, | |
neben Stauffenberg der führende Kopf der Umsturzbestrebungen von 1943/44, | |
suchte ebenso verzweifelt wie dieser nach neuen Mitstreitern und zugleich | |
nach Möglichkeiten, mit einem Attentat auf Hitler das NS-Regime zu | |
beseitigen. Verschwörungen gegen ein totalitäres System können in der | |
Rückschau nur dann historisch angemessen beurteilt werden, wenn wir die | |
Handelnden in ihrer Zeit betrachten – und nicht so, wie wir sie gerne | |
hätten. | |
## Wie die Neue Rechte den 20. Juli benutzt | |
Seit einigen Jahren ist der Widerstand gegen den Nationalsozialismus einer | |
neuen Instrumentalisierung ausgesetzt, dieses Mal von der rechten bis | |
rechtsextremen Seite des politischen Spektrums. Diese Strömungen überlappen | |
sich durchaus. Die Junge Freiheit (JF), das Sprachrohr der „Neuen Rechten“, | |
versucht seit Jahren, den 20. Juli in ihrem Sinne umzudeuten. Dieter Stein, | |
maßgeblich daran beteiligt, formulierte 2008 offen seine Intentionen: „Noch | |
immer hat es das heutige, wiedervereinigte Deutschland nicht vermocht, den | |
Patriotismus und Widerstandsgeist des 20. Juli 1944 ins Zentrum der | |
nationalen Erinnerung zu stellen. Immer noch befindet sich das Land im Bann | |
einer kollektivistischen Schuldhaftung, wie sie in ihrer Totalität dem | |
Tyrannen, der vor sechszig [!] Jahren beseitigt werden sollte, wohl | |
gefallen hätte. Die Zusammenarbeit, die die deutschen Kriegsgegner einer | |
möglichen Regierung des deutschen Widerstands versagt haben, verweist auch | |
darauf, daß es im Zweiten Weltkrieg nicht in erster Linie darum ging, eine | |
verbrecherische Regierung zu beseitigen und Deutschland zu befreien, | |
sondern das Deutsche Reich zu zerschlagen und zu besetzen.“ Das ist | |
Geschichtsrevisionismus pur. | |
Karlheinz Weißmann, langjähriger JF-Autor, reklamiert Stauffenberg nicht | |
nur für die „Konservative Revolution“, sondern verbindet die Kritik mit | |
einer scharfen Ablehnung des politischen Systems der Bundesrepublik | |
Deutschland: „Wer [,,,] die Auffassung teilt, daß die Gegenwart das Ziel | |
der Geschichte und die beste aller denkbaren Welten ist, findet keinen | |
Zugang zu den Motiven Stauffenbergs. Denn die Stärke und | |
Kompromißlosigkeit, die Verweigerung des Konsens und das Einzelgängertum, | |
die Entschlossenheit und der Mut der Männer des 20. Juli wie ihr Ceterum | |
censeo – ‚Wir glauben an die Zukunft der Deutschen‘ – zog Kraft aus | |
Reserven, über die eine liberale Gesellschaft nicht verfügt, die sie nur | |
verachtet und gleichzeitig verzehrt.“ | |
Der Politikwissenschaftler Hajo Funke hat jüngst darauf hingewiesen, dass | |
hierbei die „neuen Rechten“ einer zentralen Vermittlungsfigur der | |
historischen Radikalnationalisten, nämlich Armin Mohler, folgen. Dieser | |
habe „schon wenige Jahre nach 1945 Personen wie den Schriftsteller Ernst | |
Jünger oder den Staatsrechtler Carl Schmitt zur sogenannten ‚Konservativen | |
Revolution‘ erklärt, um sie – abgesetzt vom Nationalsozialismus – für d… | |
extreme Rechte nach 1945 als ideologische Figuren neu präsentieren zu | |
können.“ Hierfür wird jetzt auch Stauffenberg beansprucht. | |
## AfD vergleicht den Widerstand mit Kritik an Merkel | |
Auch die die AfD versucht, den Widerstand für sich zu instrumentalisieren. | |
Das fängt mit einer kruden Begriffsverwirrung an: Es sei „Widerstand“ gegen | |
die „Merkel-Diktatur“ oder die „Kanzlerinnendiktatur“ notwendig. Dies | |
verwechselt grundsätzlich den Widerstand gegen eine Diktatur mit Opposition | |
und Widerspruch in einem demokratischen Rechtsstaat. Aber es steckt System | |
hinter der Symbol- und Begriffsokkupation. | |
Vergangenes Jahr begann die hessische AfD ihren Landtagswahlkampf | |
ausgerechnet am 20. Juli mit einem Abend zum Thema „Widerstand heute? Von | |
Graf Stauffenberg zum Grundgesetz Artikel 20 IV“, an dem auch Beatrix von | |
Storch sprechen sollte. Anfang Juli 2019 rief der brandenburgische | |
AfD-Landesvorsitzende Andreas Kalbitz, neben Höcke Anführer des „Flügels�… | |
auf dem Kyffhäuser-Treffen zum „Widerstand“ auf und forderte einen | |
„Paradigmenwechsel für unser Land.“ | |
Beklemmend ist ein anderer Versuch der Symbolpolitik. Bei den | |
„Pegida“-Demonstrationen wird immer wieder die sogenannte Wirmer-Fahne | |
geschwenkt. Der Widerstandskämpfer Josef Wirmer hatte diese Fahne mit einem | |
schwarz-goldenen Kreuz auf rotem Grund als Zeichen der Erhebung gegen das | |
nationalsozialistische Unrechtsregime entworfen. Die Farben | |
Schwarz-Rot-Gold als Rückbesinnung auf die Weimarer Republik und das | |
christliche Philippuskreuz als Kontrapunkt gegen das Hakenkreuz. Wirmer | |
hatte diese Fahne als Symbol für eine rechtsstaatliche und freiheitliche | |
Gesellschaft entworfen. Sie heute für extremistische und fremdenfeindliche | |
Zwecke zu missbrauchen, verhöhnt diese Absicht. | |
Neben Stauffenberg werden auch andere Persönlichkeiten von der AfD | |
vereinnahmt. Die AfD Nürnberg postete 2017 ein Foto von Sophie Scholl mit | |
dem Hinweis „Sophie Scholl würde AfD wählen“. Erst nach heftigen Protesten | |
wurde der Beitrag gelöscht. Ein Pressesprecher der AfD, Roland Gläser, | |
kommentierte dies so: „Zunächst einmal liegt dieser Bezug zu den Scholls | |
für mich auf der Hand. Auch wir leisten Widerstand aus dem rechten Lager. | |
Der Freiheitsbegriff, wie ihn die Scholls vertraten, ist auch für die AfD | |
prägend. Wir sehen uns genauso im Widerspruch zum Mainstream, wie sie es | |
taten. Wir sind klar gegen den Zeitgeist von heute inklusive | |
Multikulturalismus und Willkommenskultur. Auch die Geschwister Scholl haben | |
sich mutig dem Zeitgeist widersetzt, so wie heute die AfD.“ Nein, die | |
Scholls haben sich nicht in einem demokratischen System „dem Zeitgeist | |
widersetzt“, sondern in einer Diktatur die nationalsozialistischen | |
Gewaltverbrechen angeprangert und dafür mit ihrem Leben bezahlt. | |
## Die Identitäre Bewegung und der 20. Juli | |
Doch es geht noch weiter nach rechts. Im Juli 2016 formulierte die | |
Identitäre Bewegung: „Heute ist der 20. Juli. Es ist ein Tag, der für den | |
Mut zur großen Tat steht. Wir stehen im historischen Erbe eines Claus von | |
Stauffenberg. Es ist das Gefühl, nicht wegschauen zu können. Die Helden | |
dieses Datums sind das leuchtende Beispiel, sich nicht abfinden zu können, | |
wenn die Not das eigene bedroht. […] Die jüngsten Ereignisse rufen uns zu | |
Taten. Denn ihre Multikulti-Utopie scheitert immer mehr. Sie bringt die | |
Gewalt in die Heimat. Doch so wird es nicht weitergehen.“ | |
Auch für dieses Jahr hat die Identitäre Bewegung in Halle an der Saale für | |
den 20. Juli zu einer Demonstration aufgerufen: „Als patriotische Jugend | |
sind wir dafür angetreten, unsere Identität und unser Erbe zu verteidigen. | |
Linke und Multikultis arbeiten an der Abschaffung aller Grenzen, Völker, | |
Kulturen und Traditionen. Wir wehren uns dagegen und zeigen, dass es noch | |
eine Jugend gibt, die Widerstand leistet“, heißt es in dem entsprechenden | |
Aufruf. In Halle hat sich bereits ein breites Bündnis gegen diesen | |
Missbrauch des 20. Juli gebildet. | |
## Kalkül der Rechten: Sich selbst zum Opfer machen | |
Das Kalkül der Neuen Rechten, der AfD und der Identitären ist klar: sich | |
selbst als Opfer der „Kanzler-Diktatorin“ (so Höcke und Gauland) | |
darzustellen, im freiheitlichen Staat der Bundesrepublik eine „Diktatur“ zu | |
sehen und sich über den Bezug zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus | |
eine eigene Legitimität für politische Aktivitäten zu verschaffen. | |
Dies ist durchsichtig, historisch falsch und unangemessen. Der Widerstand | |
gegen den Nationalsozialismus steht für Freiheitswillen, Rechtsstaat und | |
Toleranz. Er steht für Verständnis und Integration, nicht für | |
Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Es bleibt nur, immer wieder der | |
Vereinnahmung und Instrumentalisierung des Widerstands gegen den | |
Nationalsozialismus zu widersprechen. Das Beispiel der wenigen, die sich | |
der Diktatur widersetzten, gehört zu den freiheitlichen Traditionen der | |
deutschen Geschichte – und nicht in die Hand von Rechtsextremisten und | |
Geschichtsrevisionisten. | |
20 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Tuchel | |
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