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# taz.de -- Kommentar „Je suis Charlie Hebdo“: Jede Menge falsche Freunde
> Die Pegidas dieser Welt haben kein Recht, die ermordeten Satiriker zu
> instrumentalisieren. Und wer die Tat mit „Aber“ verurteilt, rechtfertigt
> sie.
Bild: Auch der Prophet findet es „schwierig, von Arschlöchern geliebt zu wer…
Die Leichen in Paris waren noch nicht kalt, als die Ersten in Deutschland
versuchten, sie für ihre Zwecke zu vereinnahmen: Pegida, Alexander Gauland
von der AfD, einschlägige Webseiten, am Ende sogar die NPD, die auf ihrer
Facebookseite erklärte, nun ebenfalls Charlie zu sein. Diesen Leuten sind
ein paar linksliberale Karikaturisten scheißegal, sie freuen sich nur wie
Bolle, ihre Ressentiments bestätigt zu sehen.
Darum, Spackos, hört zu: Wagt es nicht, die Toten von Paris zu
instrumentalisieren. Denn für euch hätten die Satiriker von Charlie Hebdo
zur „Lügenpresse“ gehört. Ihr könntet ahnen, was die für euresgleichen
übriggehabt hätten. Was sie für [1][euresgleichen in Frankreich
übrighatten]. Was die [2][Titanic], der [3][Postillon] oder die
„heute-show“ für euch übrighaben: nüscht. Absolut nüscht. Außer Kritik,
Spott und Verachtung.
Ihr habt kein Recht, euch der ermordeten Satiriker zu bemächtigen.
Denn die waren, wie alle guten Satiriker, Humanisten. „Gekränkte
Idealisten“, wie es Kurt Tucholsky einmal formulierte. Ihr Antrieb war die
Verzweiflung über inhumane Verhältnisse in der Welt, gegen die sie ihre
Waffe richteten: den Humor. Diese Haltung ist in allen Zeichnungen von
Cabu, Charb, Tignous und Wolinski zu erkennen, gerade auch in den
Zeichnungen, in denen sie sich Vertreter von Religionen vorknöpften, gerade
auch in den [4][Zeichnungen], die sich mit Muslimen und Islamisten
beschäftigten und wohl derentwegen sie von islamfaschistischen Killern
ermordet wurden.
## Kein Aber
Damit wären wir bei der anderen Seite: Ich wünsche jedem islamischen
Vorbeter und seinem Nachbeter, der der Verurteilung des Mordes ein „Aber“
hinterherschiebt, lebenslang Dresden an den Hals.
Dieses „Aber“ war am Mittwoch nicht in offiziellen Stellungnahmen in
Deutschland zu hören, dafür umso mehr in sozialen Netzwerken. Und es sind
weniger irgendwelche Salafisten, nicht mal allein Muslime, die sagen: Ja,
schlimm. Aber die haben ja provoziert. Aber man müsse die religiösen Werte
und Gefühle respektieren. Aber die Islamophobie. So formulierte es
beispielsweise der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Es ist exakt
dasselbe [5][verlogene und beschissene „Aber“], wie man es von den
Klemmrassisten von der AfD und Pegida kennt: „Ich habe nichts gegen
Ausländer, aber ...“
Es gibt kein Aber.
Genauso unerträglich ist die Formel, die Morde von Paris hätten nichts mit
dem Islam zu tun, die nun allenthalben bemüht wird, ob nun aus Furcht vor
einem Aufflackern des Rassismus oder aus weniger ehrenhaften Gründen. Es
ist Blödsinn. Denn den Islam gibt es nicht, [6][der Islam ist die Summe
dessen,] was diejenigen, die sich auf ihn berufen, daraus machen.
Und was ein nennenswerter Teil daraus macht, ist Barbarei. Ob die Fatwa
gegen Salman Rushdie oder der Mord an Theo van Gogh – in der jüngeren
Geschichte waren es fast immer Muslime, die mit Gewalt gegen die Freiheit
der Kunst vorgingen. Und stets konnten sich die Anstifter und Mörder darauf
verlassen, dass eine Reihe von Menschen im Namen des Islam oder des
Antirassismus ihrer Tat mit einem verdrucksten „Aber“ mindestens eine
gewisse Berechtigung zubilligen würden. Das [7][kollektive
Dauerbeleidigtsein] haben die Muslime ziemlich exklusiv; das Verständnis in
einem Teil der linksliberalen Öffentlichkeit ist ihnen gewiss. Die Mörder
sind eben nur ganz besonders Beleidigte.
## Nicht alle grau
Charlie Hebdo hat nicht allein muslimische Frömmler und Fundamentalisten
verspottet, sondern auch [8][christliche] oder [9][jüdische]. Anschläge und
am Ende der Mord kamen nur von einer Seite: von Muslimen. Darum haben auch
die Muslime ein Problem. Sie schaden sich selbst, wenn sie sich das nicht
eingestehen und sich hinter Phrasen wie „Der Terror hat keine Religion“
verstecken. Sie schaden der Wahrheitsfindung. Und wer den Befund nicht
kennt, wird keine Linderung finden. Es sind nicht alle Katzen grau. So wie
Pegida eben kein gesamtdeutsches, sondern ein ostdeutsches Phänomen ist.
Aber, auch diese Differenzierung muss sein, rassistische Dumpfbacken sind
nicht dasselbe wie kaltblütige Killer. Die Entsprechung der Mörder von
Paris ist nicht Pegida, sondern Anders Behring Breivik. Doch faschistische
Killer entstehen in einem geistig-politischen Umfeld, das Mord und Terror
zwar ehrlich verurteilt, aber grundlegende Ansichten und Gefühlslagen mit
den Mördern teilt.
Die ermordeten Zeichner und Journalisten von Charlie Hebdo sind – man muss
das so pathetisch formulieren – Helden. Nicht durch die Umstände ihres
Todes sind sie dazu geworden, sie waren es vorher schon. Weil sie, im
wahrsten und im schrecklichsten Sinne des Wortes, unerschrocken für
liberté, égalité, fraternité gekämpft haben. Dieser Kampf wird bleiben, und
er findet in Frankreich, in Deutschland und anderswo an mehreren Fronten
statt. Und noch etwas wird bleiben: ihr Werk.
Ich verneige mich.
8 Jan 2015
## LINKS
[1] http://a395.idata.over-blog.com/394x500/0/19/24/27/64101408.jpg
[2] http://www.titanic-magazin.de/postkarten/karte/ruhe-im-abendland-22559/?cHa…
[3] http://www.der-postillon.com/2015/01/anschlag-auf-charlie-hebdo-ganz.html
[4] http://cdn.frontpagemag.com/wp-content/uploads/2015/01/1100719.jpg
[5] /!151780/
[6] /!148653/
[7] /!148478/
[8] http://www.jeanmarcmorandini.com/sites/jeanmarcmorandini.com/files/corps/a6…
[9] http://cdn-lejdd.ladmedia.fr/var/lejdd/storage/images/media/images/une-char…
## AUTOREN
Deniz Yücel
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