| # taz.de -- Kommentar „Charlie-Hebdo“-Titel: Die Träne des Propheten | |
| > Man kann es kaum erahnen, welch unmenschlicher Druck auf den überlebenden | |
| > Mitarbeitern der neuen „Charlie Hebdo“-Ausgabe gelastet haben muss. | |
| Bild: Die eigentliche Pointe, das Menschliche: Wir trauern. | |
| Man muss die Situation, einen Nachruf auf einen Freund zu schreiben oder | |
| auf einer Trauerfeier eine Rede zu halten, nicht schon selber erlebt haben, | |
| um zu erahnen, welch schier unmenschlicher Druck auf den überlebenden | |
| Mitarbeitern von Charlie Hebdo gelastet haben muss: Nach einem solch | |
| schrecklichen Anschlag auf ihre Redaktion, bei dem ihre Freunde ermordet | |
| wurden, mit dem ihre Zeitschrift ausgelöscht werden sollte und dem sie | |
| selber womöglich nur durch Zufall entronnen sind, den Titel der nächsten | |
| Ausgabe zu zeichnen. | |
| Einer Ausgabe, von der nicht wie sonst 60.000, sondern drei Million | |
| Exemplare gedruckt werden, und auf die die Welt schauen würde. Und sie | |
| mussten nicht bloß schreiben oder reden. Sie mussten zeichnen. Komisch | |
| sein. Eine Pointe liefern. | |
| Was für eine schreckliche Aufgabe! Und was für eine [1][überwältigend | |
| schönes, rührendes und komisches Ergebnis]! Große Kunst unter den | |
| schwierigsten Bedingungen gezeichnet. Eine Zeichnung, dies zu sagen, ist | |
| man zumindest im Augenblick geneigt, die in eine Reihe gehört mit den | |
| Revolutionsgemälden von Delacroix und da Volpedo und ähnlichen Werken der | |
| Zivilisationsgeschichte der Menschheit. Und die einmal mehr vor Augen | |
| führt, was die Mohammed-Karikaturen, die „umstritten“ zu nennen man sich | |
| angewöhnt hat, von Charlie Hebdo von denen der dänischen Zeitung | |
| Jyllands-Posten in Haltung und Handwerk unterschieden hat und warum − die | |
| auch von Linken und Linksliberalen − an die Adresse von Charlie Hebdo | |
| erhobenen Vorwürfe von Rassismus und Islamophobie schon immer Unfug waren. | |
| Das Kämpferische: Nein, wir lassen uns nicht einschüchtern, trotz alledem. | |
| Das Politische: Nein, wir setzen über eine Milliarde Muslime nicht mit den | |
| Islamfaschisten gleich. Nein, wir liefern kein Poster für Rassisten. Das | |
| Publizistische: Ja, wir machen uns über die lustig, die uns vorwerfen, wir | |
| seien verantwortungslos und – nun das Verspielte, Selbstironische – | |
| [2][zitieren uns selbst]. Das Versöhnliche: Wir schreiben „Alles ist | |
| vergeben“ und lassen dabei alles offen. (In dieser Mehrdeutigkeit auch das | |
| Künstlerische: Haben wir den Mördern vergeben oder hat Gott ihnen vergeben, | |
| weil wir das nicht können? Haben wir dem Islam vergeben oder er uns?) | |
| Dann das Satirische: Wir greifen [3][#JeSuisCharlie] auf und treiben es auf | |
| die Spitze. Und, die eigentliche Pointe, das Menschliche, das Zärtliche: | |
| Wir trauern. Die Träne. Die Träne von Angehörigen, Freunden und Kollegen. | |
| Die Träne von Millionen Menschen. Die Träne des Propheten. | |
| 14 Jan 2015 | |
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| [1] /Neuer-Charlie-Hebdo-Titel/!152724/ | |
| [2] http://www.midilibre.fr/2012/09/25/charlie-hebdo-va-publier-deux-editions-l… | |
| [3] http://twitter.com/search?q=%23JeSuisCharlie&src=tyah | |
| ## AUTOREN | |
| Deniz Yücel | |
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