# taz.de -- „Charlie Hebdo“ in Millionenauflage: Das Extrablatt | |
> Die erste Ausgabe von „Charlie Hebdo“ nach dem Anschlag erscheint | |
> Mittwoch. Die vorab veröffentlichte Titelseite sorgt bereits für erste | |
> Diskussionen. | |
Bild: Cartoonist Luz präsentiert das Titelbild der neuen Ausgabe. | |
PARIS taz | Charlie Hebdo lebt und ist von den Totgeglaubten auferstanden. | |
Bereits am Dienstag zirkulierte das Titelblatt der Sondernummer nach dem | |
Attentat, bei dem am letzten Mittwoch zwölf Menschen, darunter die | |
bekanntesten Karikaturisten der Satirezeitschrift, ermordet wurden. | |
Auf grünem Grund ist darauf ein „Mohammed“-Prophet mit Bart und Turban | |
abgebildet, der eine Träne vergießt und – wie Millionen von Demonstranten | |
in den letzten Tagen – vor sich ein Schild hält, auf dem „Je suis Charlie�… | |
steht. Über der Karikatur des Zeichners Luz steht „Tout est pardonné“ | |
(„Alles ist vergeben“). | |
Im Voraus hatte Luz versprochen, Charlie Hebdo werde auch künftig genauso | |
frech und unkorrekt sein wie immer. Man wusste auch seit Tagen, dass in | |
dieser „Revival“-Nummer verschiedene unpublizierte Zeichnungen und Texte | |
der Ermordeten abgedruckt werden. | |
Leicht fiel es den Mitarbeitern von Charlie Hebdo, die den Anschlag am | |
Mittwoch überlebt haben, bestimmt nicht, diese Nummer ihres Satireblatts zu | |
produzieren. Doch sie waren sich in einem Punkt einig: Sie sind es sich und | |
ihren ermordeten Kollegen und der in den Redaktionsräumen getöteten | |
Psychoanalytikerin Elsa Cayat schuldig, weiterzumachen und zu garantieren, | |
dass diese Ausgabe pünktlich erscheint. | |
## Zuflucht bei | |
Seit dem dramatischen Überfall hat die Redaktion von Charlie Hebdo bei der | |
Pariser Zeitung Libération gleich hinter der Place de République Asyl | |
erhalten. Es ist nicht das erste Mal, dass die Satiriker bei Libé | |
provisorisch beherbergt werden. Schon nach dem Brandanschlag, der 2011 nach | |
der Publikation von Mohammed-Karikaturen ihre Redaktionsräume total | |
verwüstet hatte, fanden sie hier Zuflucht. | |
In den Räumlichkeiten von Libération mussten die Herausgeber von Charlie | |
Hebdo, von denen die meisten noch völlig unter Schock stehen, vor allem vor | |
der zudringlichen Neugier anderer Journalisten geschützt werden. Ihre | |
Arbeitsräume waren mit einer weißen Schiebewand abgesperrt, darauf die | |
Aufschrift „Kein Zutritt für Journalisten“. | |
Groß war auch die Erwartung der Leserinnen und Leser. Sie sind dieses Mal | |
um ein Vielfaches zahlreicher als sonst. Normalerweise kam Charlie Hebdo | |
mit gerade noch 50.000 Exemplaren heraus. | |
## In 16 Sprachen übersetzt | |
Die historische Sondernummer, in der absolut einmaligen Auflage von drei | |
Millionen gedruckt, wird in 16 Sprachen übersetzt. Auf Deutsch wird sie | |
voraussichtlich ab Samstag erhältlich sein. | |
In Paris haben schon alle Kioske eine lange Liste von Vorbestellungen. | |
Neben den üblichen Abnehmern sind darunter viele, die jetzt wissen wollen, | |
was dieses Satireblatt denn wirklich ist, und vielleicht auch, warum es | |
denn diese islamistischen Fanatiker derart bis aufs Blut gereizt haben | |
könnte. | |
Weiterhin umstritten ist der spöttische Umgang mit der Religion im | |
Allgemeinen und mit dem Islam. Ein Teil der Muslime, denen diese | |
Satirekultur fremd ist, hält die Karikaturen für unzulässige Beleidigungen. | |
Andere finden das völlig normal und verweisen auf die Meinungsfreiheit. | |
In einer Fernsehreportage von France-2, bei der auf einem Markt Frauen mit | |
islamischen Kopftüchern und ältere Araber zu ihrer Ansicht zum neuen | |
Titelblatt befragt wurden, war ein gewisses Missbehagen zu spüren. Das | |
hängt auch mit der weit verbreiteten Befürchtung zusammen, dass man | |
Muslimen nach dem Verbrechen der islamistischen Terroristen mit Misstrauen | |
begegnet. | |
13 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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