# taz.de -- „Titanic“-Chef über „Charlie Hebdo“: Im Tod den Humor nich… | |
> Satire muss möglich sein, ohne dass man erschossen wird, sagt | |
> „Titanic“-Chef Tim Wolff. Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ sollt… | |
> weiter Witze gemacht werden. | |
Bild: Startcartoon auf www.titanic-magazin.de. | |
taz: Herr Wolff, bei dem Anschlag auf die französische Satirezeitung | |
Charlie Hebdo wurden 12 Menschen getötet, darunter der Chefredakteur. Macht | |
Ihnen das Angst? | |
Tim Wolff: Ich würde eher sagen, dass ich persönlich entsetzt und betroffen | |
bin. Aber professionell, als Satiriker, ist das anders. Man darf keine | |
Angst haben, das schadet der Satire. | |
Charlie Hebdo hat in den vergangenen Jahren immer wieder | |
Mohammed-Karikaturen gedruckt. Den Anus des Propheten, Mohammed mit Bombe | |
als Turban. Ist die Zeitung damit zu weit gegangen? | |
Nein, natürlich nicht. So etwas muss möglich sein, ohne dass man dafür | |
erschossen wird. Ich will aber auch vorsichtig dabei sein, das rein als | |
Sache des Islam zu deuten. Wenn Menschen mit Raketenwerfern in eine | |
Redaktion eindringen und Menschen töten, ist das ein hochprofessioneller | |
Vorgang, der nicht ohne politische Dimensionen vorstellbar ist. | |
Wird das für die Titanic Konsequenzen haben? | |
Wir lassen uns durch so ein Ereignis nicht unsere schöne Freiheit rauben, | |
das zu machen, was wir für relevant und lustig halten. Bisher kommt der | |
Berufsstand der Satiriker ja gut weg, man wird recht selten ermordet. Bis | |
heute jedenfalls. | |
Sie ändern Ihre Arbeit also nicht? | |
Andere können es sich auch nicht leisten, ihr Verhalten nach so einem | |
Ereignis zu ändern. Es wurden doch in der Vergangenheit viel mehr | |
Polizisten erschossen als Satiriker. Die anderen Beamten machen trotzdem | |
weiter. Und sicher wurden auch mehr Priester ermordet als Satiriker. Und | |
die predigen auch noch. | |
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Satire-Verständnis von radikalen | |
Muslimen? | |
Deutsche Muslime können sehr gut mit Satire umgehen. Entweder sie | |
ignorieren uns einfach – Helmut Kohl hat das jahrelang vorgemacht – oder | |
sie haben Humor. Wir haben jedenfalls noch nie Todesdrohungen oder | |
ähnliches von Muslimen erhalten. Und wir haben durchaus genügend Witze | |
gemacht, bei denen man so etwas hätte erwarten können. | |
Wird sich die Titanic jetzt noch intensiver mit dem radikalen Islam | |
beschäftigen? | |
Es scheinen mir schon die meisten grundsätzlichen Islam-Witze gemacht | |
worden zu sein. Aber natürlich gibt es mit dem Anschlag ein neues, | |
relevantes Thema, mit dem wir uns beschäftigen werden. Und wir werden den | |
Kollegen Respekt erweisen, in welcher Form auch immer. Wir werden da einen | |
Umgang finden, auch wenn die Titanic nicht dazu da ist, das | |
Selbstverständliche zu wiederholen. | |
Die Titanic hat wenige Stunden nach dem Anschlag auf der Homepage gewohnt | |
zynisch reagiert. „Wir machen weiter Witze – gleich nach der Mittagspause“ | |
steht da und „Erste Versehrte sind zu beklagen, Kopfschmerzen nach lästigen | |
Anrufen“. Im Netz gab es viel Kritik dafür... | |
...wir haben ja keine Witze über die Toten gemacht. Wir setzen uns vor | |
allem damit auseinander, wie mit uns Satirikern nach dem Anschlag | |
umgegangen wird. Und außerdem ist das nicht die einzige Reaktion, unser | |
Header ist vorerst als Zeichen der Trauer schwarz statt rot. Ganz | |
grundsätzlich gilt aber: Witze taugen dazu, sehr ernste Geschehnisse | |
erträglich zu machen. | |
Weiter Witze machen ist also der beste Umgang mit so einem Ereignis? | |
Ja, es ist der richtige Umgang. Ein Kollege sagte am Nachmittag: Wenn ich | |
erschossen werde, macht Witze darüber. Man sollte selbst im Tod den Humor | |
nicht verlieren. | |
Die Anteilnahme nach dem Anschlag ist riesig. Tausende sind auf die Straßen | |
gegangen, solidarisieren sich etwa durch „Je suis Charlie“-Plakate. Wünscht | |
man sich als Satiriker so einen Rückhalt auch im Alltag? | |
Das ist natürlich erstmal gut, dass die Menschen auf die Straße gehen. Aber | |
Satire, wie sie in der Titanic oder der Charlie Hebdo betrieben wird, ist | |
kein Massenprodukt, das ist ein Ding für die Nische. Da wehrt sich ein | |
kleiner Teil gegen die Zumutungen der Masse. Wenn etwa die Titanic | |
millionenfach verkauft würde, dann könnten wir vieles nicht machen, weil es | |
zu häufig missverstanden werden würde. Letztlich brauchen wir Satiriker | |
also nicht ständige Solidarität, es ist schon in Ordnung, dass wir ein | |
kleines schmutziges Kampfblatt sind. | |
Schon 2011 gab es heftige Proteste und einen Brandanschlag auf die | |
Redaktionsräume von Charlie Hebdo wegen des Nachdrucks der dänischen | |
Mohammed-Karikaturen... | |
...und Charlie Hebdo hat womöglich nun dafür bezahlt, standhaft geblieben | |
zu sein. Diese aufrechte Haltung ist sehr ehrenhaft. Die Titanic ist bisher | |
nicht in diesen Fokus geraten, obwohl wir damals auch ein paar der | |
Karikaturen nachgedruckt und komik-kritisch betrachtet haben. Ich hoffe | |
natürlich, dass es so bleibt. Aber ich glaube auch nicht, dass das ein | |
reines Problem der Satire ist. Es kann auch seriösen Zeitungen passieren, | |
wenn sie den Propheten nach Ansicht Radikaler mit Worten schmähen. Das ist | |
eine Tat von Wahnsinnigen, letztlich kommt man da rational nicht ran. | |
8 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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