Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Satire im arabischen Raum: Kein westliches Phänomen
> Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ wird in den arabischen Medien
> verurteilt. Oft genug werden dort Autoren von Satire Opfer von Gewalt.
Bild: Schauspieler der TV-Sendung „Daulat Al-Khurafa“ (Mythen des Staates).
KAIRO taz | Von der Azhar-Universität, einer der höchsten Autoritäten des
sunnitischen Islam, bis hin zu arabischen Journalistenverbänden wird der
Anschlag in Paris als krimineller Akt verurteilt. „Der Westen trinkt jetzt
aus dem gleichen Glas wie die Ägypter“, sagt der Kommentator Tamer Amin im
ägyptischen Staatsfernsehen. Dort fühlt man sich bestätigt. Der ägyptischen
Regierung werde von Europa immer wieder vorgeworfen, mit diktatorischen
Mitteln den Terror zu bekämpfen. Jetzt bekomme Europa selbst den Terror zu
spüren.
Menschen, die für ihre Meinung und ihr Schaffen von militanten Islamisten
angegriffen werden, sind aber kein westliches Monopol. Die meisten Opfer
stammen selbst aus der islamischen oder arabischen Welt. Das prominineste
ist wohl der inzwischen verstorbenen Literaturnobelpreisträger Nagib
Mahfuz.
In seinem Buch „Die Kinder unserer Gasse“ beschrieb er das Zusammenleben
mehrerer Propheten. Hinter Adham, Gabal, Rifaa und Kasim, mit denen er die
Menschheitsgeschichte symbolisch in einer Gasse schildert, verbergen sich
Adam, Moses, Jesus und Mohammed. Die literarische Abbildung der Propheten
war 1994 für seinen militanten Angreifer genug, Mahfuz ein Messer in den
Hals zu rammen. Der Schriftsteller wurde schwer verletzt, aber überlebte.
Zwei Jahre zuvor war der ägyptische Publizist Farag Foda von Mitgliedern
der militanten Gruppe „Gama'a Islamija erschossen worden. Er war bekannt
für seine scharfen Artikel und Satiren gegen die radikalen Islamisten. Er
wollte, so seine eigene Aussage, den Islam gegen die Verdrehungen der
Radikalen schützen und bezahlte das mit dem Tod.
## Hochkonjunktur der Satire
In den letzten vier Jahren erlebte die Satire in der arabischen Welt nach
den Aufständen in Tunesien und Ägypten eine Hochkonjunktur. Allerdings
wurde der König der arabischen Satire, der Ägypter Bassem Yussuf, von
seinem saudischen Sender MBC abgesetzt, nachdem die ägyptische
Militärregierung gegen das Programm interveniert hatte. Die Satire ging den
Herrschern zu weit.
Doch Satire gegen die militanten Islamisten ist weiterhin beliebt. Heute
geht es vor allem gegen die selbsternannten Dschihadisten des „Islamischen
Staates“. Bekannt ist die irakische Serie „Staat der Mythen“. Der Titel
entstammt einem Wortspiel. Aus „Daulat al-Khalifa“, also „Staat des
Kalifats“, wurde „Daulat al-Khurafa“, Staat der Mythen. In der Serie wird
die gesamte Ideologie der Militanten aufs Korn genommen. In einer Szene
kommen beispielsweise die selbsternannten Wächter des Islam zu einem
Gemüsehändler und fordern von ihm, männliches und weibliches Gemüse mit
unterschiedlichen grammatikalischen arabischen Endungen strikt zu trennen.
Die 30 Folgen des Fernsehsenders al-Irakia können auch im Territorium des
Islamischen Staates empfangen werden. Alle Schauspieler wissen, dass sie
ihr Engagement mit dem Leben bezahlen würden, sollte die IS-Miliz bis nach
Bagdad vordringen. Ein Grund, warum manche der Drehbuchschreiber lieber
anonym bleiben möchten.
Auch der libanesische Fernsehsender LBC sendet Anti-IS-Sketche. In einem
von ihnen fährt ein christliches Paar ängstlich über eine Landstraße und
gerät in eine Straßensperre mit IS-Kämpfern. „Wenn ihr Christen, Schiiten
oder Abtrünnige seid, schlachten wir euch ab“, droht deren Anführer mit
angeklebten Bart. „Zitiere mir eine Sure aus dem Koran“, fordert der den
Fahrer auf. Der fängt an zu zitieren und der IS-Kommandeur beginnt zu
lächeln. „Das sind Muslime, lasst sie weiterfahren“, weist er seine Männer
an. Bei der Weiterfahrt wendet sich die Frau verwundert an ihren Mann. „Du
hast doch gar nicht aus dem Koran zitiert, sondern aus der Bibel, wieso
leben wir noch?“ Der Mann antwortet verschmitzt: „Wenn die den Koran kennen
würden, würden sie keine Menschen abschlachten.“ Im Hintergrund winken die
Dschihadisten freundlich zum Abschied.
9 Jan 2015
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Irak
Libanon
Ägypten
Satirezeitschrift
Paris
Charlie Hebdo
Satire
Saudi-Arabien
Charlie Hebdo
Twitter / X
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Meinungsfreiheit
Schwerpunkt Frankreich
Dschihadismus
Charlie Hebdo
Todesstrafe
Muslime
Reaktionen
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt AfD
Terroranschlag
Paris
Todesstrafe
Die Linke
Islamismus
Satirezeitschrift
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pressefreiheit in der Türkei: „Mehr Repression, mehr Satire“
Serkan Altuniğne zeichnet für das Satiremagazin „Penguen“. Ein Gespräch
über politische Kunst, eine kluge Jugend und den Humor der Mächtigen.
Prügelstrafe für Blogger in Saudi-Arabien: Die nächsten 50 Peitschenhiebe
Der Blogger Raif Badawi wird Freitag wieder ausgepeitscht. Er hatte sich
mit dem religiösen Establishment angelegt. Seine Frau hofft auf
internationalen Druck.
Charlie Hebdo in der arabischen Welt: „Je suis fed up“
Beim dänischen Karikaturen-Streit brannten noch Fahnen und Botschaften.
Diesmal gibt es wichtigere Themen: Krieg, Ölpreis und Flüchtlinge.
Spott in sozialen Netzen über „Fox News“: Birmingham, plötzlich islamisie…
Auf dem rechtskonservativen US-Sender „Fox News“ behauptet ein Experte,
Birmingham sei eine „muslimische Stadt“. Auf Twitter wird der Gedanke zu
Ende gedacht.
Terror in Frankreich: Attentäter und vier Geiseln getötet
Die drei Geiselnehmer und mehrere Geiseln sterben bei Zugriffen der
Polizei. Darunter sind die beiden Hauptverdächtigen des Anschlags auf
„Charlie Hebdo“.
Gedenken nach Anschlag in Paris: „Alle Bürger können kommen“
Am Sonntag soll in Paris ein Gedenkmarsch für die Opfer des Anschlags auf
„Charlie Hebdo“ stattfinden – ohne den rechtsextremen Front National.
Kommentar „Charlie“ und Saudi-Arabien: Peitschenhiebe gegen Aufklärung
Wir sollten neben „Charlie“ auch Raif Badawi sein. Er gründete die Seite
„Die saudischen Liberalen“ – und wird mit 1.000 Peitschenhieben bestraft.
Islamismusforscher über „Charlie Hebdo“: „Nicht das letzte Ereignis dies…
Experte Peter Neumann vermutet al-Qaida oder IS hinter dem Anschlag in
Paris. Er warnt vor weiteren Angriffen und einer extremen
gesellschaftlichen Polarisierung.
Drama nach Attentat in Paris: Geiseln in koscherem Supermarkt
In Paris soll ein Mann, der möglicherweise mit den „Charlie
Hebdo“-Attentätern in Verbindung steht, fünf Geiseln genommen haben,
darunter auch Kinder.
Politische Karikaturen in Frankreich: Unverzichtbare Verzerrung
Im 19. Jahrhundert schuf man in Frankreich die Grundlagen drastischer
Darstellungsformen. Ohne sie gäbe es weder HipHop noch Karikaturen.
Marine Le Pen zu „Charlie Hebdo“: Hüterin von Nation und Pressefreiheit
Die Front-National-Chefin versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen: Nach
dem Anschlag fordert sie ein Referendum zur Einführung der Todesstrafe.
Muslime nach „Charlie Hebdo“: Gefühlte Bedrohung
Deutsche Islamverbände planen nach dem Anschlag in Paris eine Kundgebung
gegen den Terror. Einer Umfrage zufolge wächst das Misstrauen.
Arabische Presse zu „Charlie Hebdo“: Entschuldiger und Aufstachler
Der Anschlag auf die französische Satirezeitung wird in der arabischen
Presse als Akt des Terrors verurteilt. Doch auch Rassismus sei ein Problem.
Terrorexperte über Pariser Anschlag: „Das war nicht zufällig in Frankreich�…
Je mehr Dschihadisten in einem Land leben, desto höher ist die
Anschlagsgefahr, sagt Guido Steinberg. Daher sei auch Deutschland
gefährdet.
Deutsche Politik zu „Charlie Hebdo“: Die Terrortaten Einzelner
Die CSU fordert nach dem Anschlag schärfere Maßnahmen, etwa die
Vorratsdatenspeicherung. Die SPD warnt vor Verallgemeinerungen bei
Muslimen.
„Titanic“-Chef über „Charlie Hebdo“: Im Tod den Humor nicht verlieren
Satire muss möglich sein, ohne dass man erschossen wird, sagt
„Titanic“-Chef Tim Wolff. Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ sollten
weiter Witze gemacht werden.
Internationale Presse zu „Charlie Hebdo“: Angriff auf die Freiheit
Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Währe…
einige Medien von Krieg reden, warnen andere vor simplen Narrativen.
Frankreich nach dem Anschlag: Muslimische Einrichtungen attackiert
Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ gab es mehrere Attacken auf
muslimische Einrichtungen in Frankreich. Die rechtsextreme Marine Le Pen
fordert die Todesstrafe.
Sicherheit nach Anschlag in Frankreich: „Angstmacherei dient der Eskalation“
Frank Tempel, Linke-Politiker und Mitglied im Bundestags-Innenausschuss,
über die Gefahr von Einzeltätern, die Angst der Bürger, Prävention und
Pauschalisierungen.
Kommentar Reaktionen in Frankreich: Ungewollter Krieg
Die Feinde kommen nicht aus der Ferne, sondern aus der Nachbarschaft:
Frankreich befindet sich am Tag nach den Anschlägen im Schockzustand.
„Charlie Hebdo“-Video in den Medien: Blutige Bilder aus Paris
Schnell kursierte im Netz ein Video, das die Erschießung eines Polizisten
zeigt. Journalisten gehen mit dieser Szene unterschiedlich um.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.