# taz.de -- Kommentar „Charlie“ und Saudi-Arabien: Peitschenhiebe gegen Auf… | |
> Wir sollten neben „Charlie“ auch Raif Badawi sein. Er gründete die Seite | |
> „Die saudischen Liberalen“ – und wird mit 1.000 Peitschenhieben bestraf… | |
Bild: Bekommen Liberale in Saudi-Arabien zu spüren: Peitsche. | |
Die islamische Welt versinkt in Blut und Tränen, und sie wird nicht von | |
außen gerettet werden, sondern sich selbst ändern müssen. Aber wo sind sie, | |
die liberalen Moslems, die aufgeklärten Araber, die das bewerkstelligen | |
könnten? | |
Nun, zum Beispiel hier: Raif Badawi ist Saudi. Er gründete 2008 die Website | |
„Die saudischen Liberalen“ und schrieb dort, dass Moslems, Christen, Juden, | |
Atheisten und andere Menschen gleichwertig seien. | |
Das verstößt gegen die Gesetze von Saudi-Arabien, einerseits, weil es | |
angeblich den Islam abwertet, und andererseits, weil der Betrieb der | |
Website selbst gegen die Zensurbestimmungen verstößt. Raif Badawi wurde | |
verhaftet und zu zehn Jahren Haft, umgerechnet 200.000 Euro Geldstrafe und | |
1.000 Peitschenhieben verurteilt. | |
1.000 Peitschenhiebe, das überlebt ein menschlicher Körper nicht am Stück. | |
Und so wird Raif ab heute 20 Wochen lang je 50 Hiebe erhalten. Jeden | |
Freitag. | |
## Mauern höher ziehen, noch mehr Drohnen schicken | |
Saudi-Arabien ist ein Gottesstaat, eine Diktatur, ein Financier | |
extremistischer islamistischer Gruppen. Saudi-Arabien ist aber auch ein | |
wichtiger Energielieferant, eine Schlüsselmacht im Nahen Osten, ein | |
strategischer Verbündeter des Westens. | |
Wir können uns mit Charlie Hebdo solidarisch erklären und Karikaturen | |
abdrucken. Wir können Spenden für Flüchtlinge sammeln, Luftangriffe auf | |
Stellungen des Islamischen Staates fliegen und al-Qaida-Führer mit Drohnen | |
töten. Wir könnten auch die Überwachung unser aller Kommunikation weiter | |
ausbauen und die Mauern um die Mittelmeerküsten noch höher ziehen. | |
All das wird nichts bringen, wenn wir zulassen, dass liberale Muslime für | |
ein Jahrzehnt hinter Gitter gesteckt werden und Woche für Woche halbtot | |
gepeitscht werden – und die radikalen Islamisten, die dieses Verbrechen | |
begehen, als unsere Verbündeten hofieren. Das muss aufhören. Alles andere | |
ist verlogen, ohne Wenn und Aber. Unsere wahren Verbündeten sind Menschen | |
wie Raif Badawi, ihnen haben wir zu helfen und beizustehen. Jeder einzelne | |
Freitag in den nächsten 20 Wochen wird ein Tag unserer Schande, unserer | |
Scheinheiligkeit und unseres Versagens sein, wenn wir wegsehen. | |
Deshalb sollten wir nicht nur Charlie sein, sondern auch Raif. | |
9 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Michel Reimon | |
## TAGS | |
Meinungsfreiheit | |
Islam | |
Charlie Hebdo | |
Saudi-Arabien | |
Prügelstrafe | |
Nobelpreis | |
Folter | |
Ägypten | |
Human Rights Watch | |
Islamisten | |
Satiremagazin | |
Solidarität | |
Terrorismus | |
Irak | |
Frankreich | |
Charlie Hebdo | |
Saudi-Arabien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prügelstrafe gegen saudischen Blogger: Hiebe erneut ausgesetzt | |
1.000 Schläge wegen „Beleidigung des Islams“: Zum dritten Mal in Folge | |
bleibt Raif Badawi verschont. Wie lange der Aufschub gilt, ist unklar. | |
Nobelpreisträger gegen Auspeitschung: Die Zeit ist reif | |
18 Nobepreisträger setzen sich für den saudi-arabischen Blogger Raif Badawi | |
ein. Sie rufen zum Widerstand gegen seine Auspeitschung auf. | |
Blogger in Saudi-Arabien: Gefängnisarzt stoppt Auspeitschung | |
Der saudische Blogger sollte am Freitag wieder 50 Peitschenhiebe erhalten. | |
Aus „medizinischen Gründen“ ist die Folter vorerst ausgesetzt. | |
Kommentar Folter saudischen Bloggers: Und nun zum Staatsterrorismus | |
Das arabische Terrorverständnis ist ein etwas anderes als das europäische. | |
Aber Europa hat keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. | |
Glaubensfreiheit in Ägypten: Haftstrafe für Atheisten | |
Die ägyptische Verfassung verspricht zwar „absolute Glaubenfreiheit“, doch | |
Nicht-Gläubige werden vom Staat strafrechtlich verfolgt. | |
Debatte „Je suis Charlie“: Nein, wir sind nicht „Charlie Hebdo“... | |
… und genau das ist das Problem. Ein Vorschlag zur tatsächlichen | |
Meinungsfreiheit, während die Selbstzensur um sich greift. | |
Trauer um Stéphane Charbonnier: Er hätte gelacht | |
Er war das Gesicht von „Charlie Hebdo“. Und der Verteidiger. Seine Freundin | |
findet, Stéphane Charbonnier müsse neben Voltaire und Zola ruhen. | |
KollegInnen über „Charlie Hebdo“: „Wir trauern um die Opfer“ | |
Rund 200 ZeichnerInnen haben eine Solidaritätsnote für „Charlie Hebdo“ | |
verfasst. Sie wollen sich durch den Terroranschlag nicht einschüchtern | |
lassen. | |
Terror in Frankreich: Mindestens vier Geiseln tot | |
Nach der Geiselnahme im Osten von Paris sollen fünf Menschen tot sein, | |
darunter auch der Geiselnehmer. Die mutmaßlichen „Charlie Hebdo“-Attentät… | |
wurden getötet. | |
Satire im arabischen Raum: Kein westliches Phänomen | |
Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ wird in den arabischen Medien verurteilt. | |
Oft genug werden dort Autoren von Satire Opfer von Gewalt. | |
„Charlie“-Karikaturen in den USA: Bei Gott hört der Spaß auf | |
In Europa wetteifern Medien darum, wer die meisten Bilder von „Charlie | |
Hebdo“ reproduziert. In den USA wird verpixelt und zurückgehalten. | |
Politische Karikaturen in Frankreich: Unverzichtbare Verzerrung | |
Im 19. Jahrhundert schuf man in Frankreich die Grundlagen drastischer | |
Darstellungsformen. Ohne sie gäbe es weder HipHop noch Karikaturen. | |
Strafe für Aktivisten in Saudi-Arabien: Haft und tausend Peitschenhiebe | |
Der liberale Menschenrechtsaktivist Raif Badawi ist verurteilt worden. Er | |
hatte auf einer Webseite die Religionspolizei im Land kritisiert. |