# taz.de -- Frankreich nach dem Anschlag: Muslimische Einrichtungen attackiert | |
> Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ gab es mehrere Attacken auf | |
> muslimische Einrichtungen in Frankreich. Die rechtsextreme Marine Le Pen | |
> fordert die Todesstrafe. | |
Bild: Frankreich nach dem Anschlag: Fahnen auf Halbmast. | |
PARIS afp/dpa/kna/ap | Nach dem Anschlag auf die Satirezeitung Charlie | |
Hebdo in Paris hat es in mehreren Gemeinden Frankreichs Attacken auf | |
muslimische Einrichtungen gegeben. Eine Moschee im nordwestfranzösischen | |
Mans sowie ein muslimischer Gebetsraum im südfranzösischen Port-la-Nouvelle | |
seien in der Nacht beschossen worden, teilten am Donnerstag die zuständigen | |
Staatsanwaltschaften mit. Verletzt wurde demnach niemand. | |
Eine absichtlich ausgelöste Explosion gab es nach Polizeiangaben zudem am | |
Donnerstagmorgen vor einem Kebab-Laden nahe einer Moschee im | |
ostfranzösischen Villefranche-sur-Saône. Auch dort sei niemand verletzt | |
worden. | |
Derweil sind die Imame aller Moscheen des Landes aufgerufen, die Gewalt | |
während des Freitagsgebets zu verurteilen. Der Dachverband der | |
französischen Muslime forderte alle Gläubigen auf, sich an einer nationalen | |
Kundgebung gegen die Gewalt am Sonntag zu beteiligen. | |
Ein führender islamischer Gelehrter Frankreichs hat die Muslime seines | |
Landes zu Massendemonstrationen aufgerufen. Wie die katholische Zeitung La | |
Vie am Donnerstag in ihrer Online-Ausgabe berichtet, sagte der Rektor der | |
Großen Moschee von Bordeaux, Tareq Oubrou, nach einer Begegnung mit Papst | |
Franziskus in Rom: „Der gesellschaftliche Friede ist bedroht. Die Muslime | |
Frankreichs müssen massenhaft auf die Straße gehen, um ihre Abscheu | |
angesichts dieses Verbrechens kundzutun“. Oubrou ist einer von vier | |
französischen Islamgelehrten, die am Mittwoch zu einer seit langem | |
geplanten interreligiösen Begegnung mit dem Papst nach Rom gekommen waren. | |
## Imam: An einem „Einfallstor zum Krieg“ | |
Der in Marokko geborene Imam betonte, das Massaker von Paris habe seine | |
eigene Wahrnehmung grundlegend verändert. Bislang habe er einen | |
Rechtfertigungsdruck auf die Muslime angesichts islamistischer Gewalttaten | |
abgelehnt, nun aber befinde man sich an einem „Einfallstor zum Krieg“. | |
Mohammed Moussaoui, Vorsitzender der Vereinigungen der Moscheen | |
Frankreichs, betonte laut La Vie in Rom, die Ereignisse von Paris | |
verstärkten die Notwendigkeit des Dialogs zwischen den Religionen. Den | |
Terroristen warf er vor, sie instrumentalisierten den Islam für ihre | |
Zwecke. | |
Bischof Michel Dubost, in der französischen Bischofskonferenz zuständig für | |
den interreligiösen Dialog, erklärte bei gleicher Gelegenheit, das Attentat | |
von Paris werde den französischen Laizismus grundlegend verändern. Die | |
öffentlichen Schulen in Frankreich dürften den Unterricht über Religionen | |
und Weltanschauungen nicht länger außer Acht lassen. Der bisherige | |
Laizismus beruhe auf einer "krassen Ignoranz", die letztlich die Extreme | |
fördere. | |
Nach Angaben des Pariser Innenministers Bernard Cazeneuve sind die beiden | |
gesuchten Tatverdächtigen des Anschlags auf Charlie Hebdo überwacht worden. | |
Dabei habe es allerdings keinerlei Hinweise auf einen bevorstehenden | |
Terrorakt gegeben, gegen die Männer habe es auch kein juristisches | |
Verfahren gegeben, sagte Cazeneuve am Donnerstag dem Sender Europe 1. „Wir | |
treffen hundertprozentig Vorsichtsmaßnahmen, ein Null-Risiko gibt es aber | |
nicht“, fügte Cazeneuve an. Die derzeitige Risikolage könne auch zu anderen | |
Gewalttaten führen, warnte der Innenminister. | |
## Le Pen fordert Todesstrafe | |
Die Chefin der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, hat nach | |
dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo erneut ein Referendum über | |
die Todesstrafe in die Debatte gebracht. Sie wolle eine Abstimmung über die | |
Wiedereinführung der Todesstrafe vorschlagen, sollte sie (2017) zur | |
Staatspräsidentin gewählt werden, bekräftigte Le Pen am Donnerstag | |
gegenüber dem Sender France 2. | |
Die Franzosen sollten die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden. Sie | |
persönlich halte es dabei für notwendig, dass die Todesstrafe für die | |
abscheulichsten Verbrechen zum „juristischen Arsenal“ gehören sollte, sagte | |
Le Pen nach dem Attentat gegen das Magazin mit zwölf Toten. Bereits am | |
frühen Mittwochabend hatte sie erklärt: Es sei klar, dass islamische | |
Fundamentalisten den Anschlag verübt hätten. | |
Hollande will gegensteuern. Er fordert die Franzosen auf, angesichts des | |
Terrors zusammenzustehen. Am Donnerstag will er sich unter anderem mit Le | |
Pen und seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy treffen. Der Parteichef der | |
konservativen UMP stößt ins selbe Horn wie Hollande und fordert die | |
Franzosen auf, gegen diese „Barbarei“ aufzustehen. | |
Le Pen kritisierte am zudem scharf, dass die Rechtsextremen nicht zu dem | |
für Sonntag geplanten „Republikanischen Marsch“ im Gedenken an die Opfer | |
des Anschlages eingeladen worden seien. Damit gebe es „keine nationale | |
Einheit mehr“. Sie spielte damit auf die Aufrufe der sozialistischen | |
Regierung zur „nationalen Einheit“ nach dem mutmaßlich islamistischen | |
Anschlag an. Premierminister Manuel Valls hatte aber erklärt, diese beziehe | |
sich auch auf gemeinsame Werte, „tief republikanische Werte“ wie Toleranz. | |
Der Pariser Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois, der sich derzeit in Rom | |
aufhält, brachte in einer Botschaft sein „tiefes Mitleid“ mit den Familien | |
und Freunden der Opfer zum Ausdruck. Gemeinsam mit allen Pariser Katholiken | |
verurteile er die „barbarische Tat“. Zugleich rief er dazu auf, sich in der | |
Gesellschaft „mehr denn je“ für gegenseitigen Respekt und Frieden | |
einzusetzen. | |
## „Kultur des Friedens und der Hoffnung“ | |
Der Vatikan und vier französische Imame haben in einer gemeinsamen | |
Erklärung den Anschlag in Paris als „Grausamkeit und blinde Gewalt“ | |
verurteilt. Ohne die Pressefreiheit sei die Welt in Gefahr, heißt es in dem | |
Schreiben, das der Vatikan am Donnerstag veröffentlichte. Jeder Mensch | |
müsse sich allen Formen der Gewalt, die das menschliche Leben zerstörten | |
oder die menschliche Würde verletzten, entgegenstellen. Die | |
Verantwortlichen der Religionen müssten stets eine „Kultur des Friedens und | |
der Hoffnung“ fördern. An die Verantwortlichen in den Medien appelliert die | |
Erklärung, respektvoll über Religion zu berichten. Zugleich rufen die | |
Unterzeichner zum Gebet für die Opfer auf. | |
Unterzeichner sind der Präsident des päpstlichen Rates für den | |
interreligiösen Dialog, der französische Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, | |
vier französische Imame sowie der Bischof von Evry, Michel Dubost, und der | |
Direktor des französischen katholischen Dienstes für die Beziehungen mit | |
dem Islam, Christophe Roucou. Sie hatten im Vatikan an einer Konferenz über | |
den interreligiösen Dialog in Frankreich teilgenommen, die am Donnerstag zu | |
Ende ging. | |
Auch der Präsident des französischen Islamrats (CFCM), Dalil Boubakeur, | |
sagte, er werde gemeinsam mit muslimischen Vertretern Frankreichs eine | |
Erklärung erarbeiten. | |
8 Jan 2015 | |
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