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# taz.de -- Terrorexperte über Pariser Anschlag: „Das war nicht zufällig in…
> Je mehr Dschihadisten in einem Land leben, desto höher ist die
> Anschlagsgefahr, sagt Guido Steinberg. Daher sei auch Deutschland
> gefährdet.
Bild: Paris am 8. Januar 2014.
taz: Herr Steinberg, der Anschlag in Paris war gut organisiert, aber im
Vergleich zu den Anschlägen in New York, Madrid oder London deutlich
weniger aufwendig. Ist das eine neue Qualität?
Guido Steinberg: Das kommt darauf an, wer dahintersteckt – und das wissen
wir noch nicht. Große organisierte Anschläge in Europa hat es lange nicht
mehr gegeben, der letzte war in London 2005. Wenn da eine Organisation
hintersteckt wie al-Qaida oder der IS, dann ist das für die Organisation
ein Erfolg, aber auf deutlich niedrigerem Niveau als früher. Wenn der
Anschlag aber von einer unabhängigen, kleinen Gruppe durchgeführt wurde,
Einzeltäter quasi, dann ist das ein Qualitätssprung. Vor sieben, acht
Jahren sind diese Anschläge meist gescheitert, aber sie werden besser. Der
Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel im April 2014 war ein Hinweis.
Das ist besorgniserregend. Wenn wir uns auf Einzeltäteranschläge auf diesem
Niveau einstellen müssen, dann wird es deutlich gefährlicher, als wir
bislang gedacht haben.
Ist Ihrer Einschätzung nach ein Anschlag dieser Art auch in Deutschland
denkbar?
Es ist kein Zufall, dass er in Frankreich stattgefunden hat. Charlie Hebdo
hat enorm provoziert und war gefährdet, das wusste man. Und Frankreich hat
in Europa die größte Dschihadistenszene, gefolgt von Großbritannien. Ich
glaube trotzdem, dass eine ähnliche Gefahr in all den Ländern droht, die
viele Dschihadisten haben. Denn das Personal macht die Strategie. Ein
Franzose, der aus Syrien zurückkehrt oder von al-Qaida aus Pakistan
geschickt wird, wird eher einen Anschlag in Frankreich machen, ein
Deutscher eher in Deutschland. Da hier die Szene wächst und die Ausreisen
nach Syrien zunehmen, steigt auch die Gefahr.
Den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel hat ein Franzose verübt.
Aber er ist französischsprachig und es ist kein Problem für einen
Franzosen, in Brüssel aktiv zu werden. In Berlin schon eher. Brüssel ist
sehr interessant, weil es dem Anschlag in Paris gleicht.
Inwiefern?
Mehdi Nemmouche, der Täter in Brüssel, hat sich sein Ziel auch gut
ausgesucht, war bewaffnet, konnte mit der Waffe umgehen und war
erfolgreich, auch wenn sich das zynisch anhört: Er hat vier Menschen
getötet, das ist eine ähnliche Quote wie jetzt. Wir wissen von Nemmouche,
dass er beim IS war und eine Kampfausbildung hatte. Etwas Ähnliches kann
man hier mutmaßen. Diese Jungs wussten, was sie taten, und hatten
offensichtlich eine militärische Ausbildung.
Ist die Gefahr eines Anschlags in Deutschland durch Paris gestiegen?
Nein, es gibt ja bereits eine Serie von Anschlägen: Brüssel, zwei Anschläge
in Ottawa, Sydney, jetzt Paris. Die Gefahr ist überall dort groß, wo es
Dschihadisten gibt. Und dort, wo es mehr gibt, ist sie ein bisschen größer.
Das heißt, Deutschland kommt sehr schnell nach Frankreich.
Ja. Allerdings funktionieren hier die Sicherheitsbehörden besser als in
kleinen Ländern. Wenn diese, wie Österreich, Dänemark oder Belgien, zudem
einen prozentual hohen Anteil an Dschihadisten haben, ist die Gefahr
größer.
8 Jan 2015
## AUTOREN
Sabine am Orde
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