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# taz.de -- Kommentar zum Pariser Anschlag: Wann gewinnen Terroristen?
> Die Verteidigung der Liberalität muss die Antwort auf den Terror sein.
> Doch die französische Demokratie steht vor einer harten Probe.
Bild: Noch ist Frankreich im Schmerz vereint. Doch es droht eine Spaltung der G…
Die Terroristen von Paris verfolgen zwei Ziele. Sie wollen Medien und
Öffentlichkeit einschüchtern – nicht nur in Frankreich. Wenn wir,
Journalisten und Öffentlichkeit, klammheimliche Selbstzensur zulassen,
waren die Gewalttäter erfolgreich. Deshalb ist es richtig, dass Zeitungen
gestern die religionskritischen Charlie-Hebdo-Karikaturen nachgedruckt
haben. Nun Dutzende von islamkritischen Schmähkarrikaturen zu
veröffentlichen, hätte aber etwas Trotziges. Die souveräne Antwort lautet:
unbeeindruckt weitermachen wie bisher.
Die zentrale Absicht der Radikalislamisten ist noch gefährlicher. Ihre
Schüsse zielen auf die Zerstörung der zivilen Textur der Gesellschaft. Sie
sollen einen Bürgerkrieg zwischen Muslimen und Nichtmuslimen provozieren.
Die Kalaschnikow-Salven auf Wehrlose sollen eine Spirale von
Selbstghettoisierung und Abschottung, von Gewalt und Gegengewalt in Gang
setzen. Das erinnert an die Logik linksextremen Terrors, der den Krieg von
den Rändern in die Metropole tragen wollte. Der einzige Erfolg der RAF war
die Überreaktion des Staats.
Der Anschlag von Paris ist ein Akt politischer Kommunikation. Er soll unser
Denken und Fühlen steuern. Die deutsche Politik hat darauf bemerkenswert
unaufgeregt reagiert. Innenminister Thomas de Maizière warnte, Islam oder
Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Der Zentralrat der Muslime
verurteilte den Terror – rasch, eindeutig, ohne „Ja, aber“. Die Botschaft
dieses Konsens von de Maizière bis Aiman Mazyek lautet: Wir lassen uns
nicht in Muslime und Nichtmuslime spalten.
Das ist nicht selbstverständlich. Vor zehn Jahren, nach dem Mord an dem
Islamkritiker Theo van Gogh, forderten Christdemokraten von Muslimen
Distanzierungen. Ein gefährlicher Diskurs, der Spaltungen vertiefte.
Offenbar haben Konservative und muslimische Verbände dazugelernt. Jenseits
des Konsenses der Demokraten steht 2015 die AfD, die vom Ressentiment lebt.
Alexander Gauland benutzt die Opfer von Paris perfide, um Pegida zu loben.
Es ist eine zivile Tugend, dass die Union mit Gauland nicht gemeinsame
Sache macht.
## Frankreichs Lage ist nicht klar
In Frankreich ist die Lage weniger klar. Nach dem Massaker gab es Schüsse
auf Moscheen, die Rechtsextreme Marine Le Pen träumt von Todesstrafe und
vom „Krieg gegen den Fundamentalismus“. Die Mechanik des Hasses scheint in
Gang zu kommen. Wenn sich weite Teile der Mehrheitsgesellschaft und der
muslimischen Minderheit als Opfer des anderen fühlen, haben die
Radikalislamisten gesiegt.
Die französische Demokratie steht vor einer harten Probe. Die kriselnde,
etablierte politische Klasse muss sich von linksaußen bis ins
rechtsbürgerliche Lager gegen den Front National verbünden. Le Pen taktisch
entgegenzuwirken, Feindbilder zu bedienen, um den Rechtsextremen den Wind
aus Segeln zu nehmen – wird misslingen. Nicht Kulturkampf, sondern die
Verteidigung der Liberalität ist die Antwort auf den Terror.
8 Jan 2015
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Paris
Marine Le Pen
Charlie Hebdo
Attentat
Solidarität
Rote Armee Fraktion / RAF
Paris
Satire
Terrorismus
Schwerpunkt Frankreich
Dschihadismus
Todesstrafe
Terroranschlag
Paris
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