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# taz.de -- Nach Attentat auf „Charlie-Hebdo“: Molotowcocktails im Fluchtwa…
> Die mutmaßlichen Haupttäter sind angeblich in Nordfrankreich.
> Elite-Einheiten wurden in die Gegend beordert. Die Polizei fand Material
> für weitere Anschläge.
Bild: Der Stift: Symbol der Solidarität und der Meinungsfreiheit.
PARIS ap/dpa/afp | Trotz des blutigen Anschlags mit zwölf Toten soll die
französische Satire-Zeitung Charlie Hebdo in der kommenden Woche
erscheinen. „Wir haben uns entschieden, kommende Woche eine Ausgabe
herauszugeben. Wir sind alle einverstanden“, sagte der Charlie-Hebdo-Autor
Patrick Pelloux am Donnerstag. Die Mitarbeiter der Zeitung würden von zu
Hause aus arbeiten, da die Redaktionsräume wegen der laufenden Ermittlungen
nicht genutzt werden könnten.
Die zwei Verdächtigen des Anschlags auf das Satiremagazin Charlie Hebdo
sind nach Angaben von Ermittlern am Donnerstagmorgen in Nordfrankreich
gesichtet worden. Sie seien schwer bewaffnet und mit einem grauen Clio
unterwegs gewesen. Demnach hielten sich die beiden im Département Aisne
auf. Der Betreiber einer Tankstelle in der Nähe der Gemeinde
Villers-Cotterêt habe die beiden verdächtigen Männer „eindeutig erkannt“.
Die beiden Männer seien „vermummt, mit Kalaschnikow und anscheinend mit
Raketen-Werfern“ ausgerüstet.
Die Polizei durchsuche die Gegend, in der die beiden flüchtigen Terroristen
am Mittag ein weiteres Fluchtauto stehengelassen hätten, hieß es. Auch
seien Elite-Einheiten von Polizei (RAID) und Gendarmerie (GIGN) in die
Gegend beordert worden. Diese seien im Umkreis von 15 bis 20 Kilometern um
den Ort Crépy-en-Valois im Département Oise im Einsatz, hieß es.
Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte durchkämmten die Gegend und
durchsuchten einzelne Häuser. Unterstützt wurde die Fahndung durch
Hubschrauber. Die bereits für den Großraum Paris geltende oberste
Sicherheitsstufe gegen Attentate wurde auf die Region Picardie im Norden
des Landes ausgeweitet.
Nach Internetberichten des Magazins Le Point und anderer Medien könnten die
mutmaßlichen Attentäter von Paris bei ihrer Flucht einen Überfall auf eine
Tankstelle in dieser Region verübt haben. Bei dem Raub an einer
Nationalstraße stahlen zwei maskierte Männer Benzin und Essbares. Dann
flohen sie, hieß es in den Berichten.
Die Tatverdächtigen sind nach Angaben des Pariser Innenministers Bernard
Cazeneuve überwacht worden. Dabei habe es allerdings keinerlei Hinweise auf
einen bevorstehenden Terrorakt gegeben, gegen die Männer habe es auch kein
juristisches Verfahren gegeben, sagte er am Donnerstag dem Sender Europe 1.
Einen Tag nach dem Attentat hat ein Mann in Paris am Stadtrand mit einem
Maschinengewehr das Feuer auf Polizisten eröffnet. Eine Beamtin starb an
ihren schweren Verletzungen, verlautete am Donnerstag aus Ermittlerkreisen.
Ein Mitarbeiter der Stadtreinigung ist lebensgefährlich verletzt worden.
Der 52-jährige Angreifer konnte demnach festgenommen werden.
Der Hintergrund der Schießerei war zunächst unklar. Die Tat ereignete sich
in der Nähe der Porte de Châtillon im Süden von Paris. Ein Mann mit einer
schusssicheren Weste und einem Schnellfeuergewehr habe um 08.19 Uhr das
Feuer auf Polizisten eröffnet, die zu einem Unfall gerufen worden waren,
teilte die Polizei mit. Demnach schoss der Mann von hinten auf die Rücken
der Polizisten.
Bereits zuvor hatte es in Frankreich Festnahmen gegeben. Mehrere Menschen
befänden sich in Polizeigewahrsam, sagte Premierminister Manuel Valls am
Donnerstagmorgen im Radiosender RTL. Zur Frage, um wie viele Festnahmen es
sich handle, wollte Valls sich nicht äußern. Aus Justizkreisen hieß es,
neun Menschen befänden sich in Polizeigewahrsam.
In der Nacht zum Donnerstag hatte sich einer der drei mutmaßlichen
Attentäter selbst der Polizei gestellt, wie die Staatsanwaltschaft
mitteilte. Die beiden anderen sind weiter auf der Flucht. Die französische
Polizei fahndet mit tausenden Beamten und Spezialkräften in mehreren
Städten nach den Brüdern Said (34) und Chérif K. (32). Ein mutmaßlicher
Helfer der beiden Brüder stellte sich nach knapp zwölf Stunden freiwillig
der Polizei. Der 18-Jährige wurde ebenso verhört wie das Umfeld der
verdächtigen Brüder.
## Angeblicher Dschihadist
Bei Chérif K. soll es sich um einen den Behörden bekannten Dschihadisten
handeln. Er war im Jahr 2008 zu drei Jahren Haft, von denen 18 Monate zur
Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt weil er in dschihadistischen
Netzwerken geholfen haben soll, Kämpfer in den Irak zu schicken, die sich
dort dem Terrornetzwerk al-Qaida anschließen. Kurz bevor der damals 22
Jahre alte Hilfsarbeiter sich via Syrien in den Irak absetzen konnte, um
dort als Dschihadist gegen die US-Truppen zu kämpfen, wurde er verhaftet.
Die Brüder sollen am Mittwochvormittag schwarz vermummt die Redaktion des
Magazins mitten in der Hauptstadt gestürmt und unter anderem mit einer
Kalaschnikow um sich geschossen haben. Im Kugelhagel waren zwölf Menschen
getötet worden, darunter acht Journalisten. Elf Menschen wurden verletzt.
Die Terroristen riefen während des Anschlags „Allah ist groß“ und „Wir
haben den Propheten gerächt“ und „Wir haben Charlie Hebdo getötet“.
Die Sicherheitsmaßnahmen im Großraum Paris wurden massiv verschärft. Der
französische Staatspräsident François Hollande ordnete am Donnerstag einen
Tag der nationalen Trauer an. Er forderte die Franzosen auf, in dieser
schweren Zeit zusammenzustehen.
## Personalausweis vergessen
Die Polizei war mit mehr als 3.000 Beamten im Einsatz, um die Flüchtigen zu
finden. Spezialkräfte umstellten in der Nacht ein Haus im ostfranzösischen
Reims. Die Behörden veröffentlichten im Internet ein Fahndungsplakat, um
Zeugen zu finden.
Die Attentäter haben auf der Flucht offenbar einen schweren Fehler gemacht
und die Polizei so auf ihre Spur gebracht. Wie die Zeitschrift Le Point und
die Zeitung Le Monde schreiben, vergaß einer der Brüder seinen
Personalausweis im Fluchtwagen, als die Attentäter am Rande der Hauptstadt
das Auto wechselten. In dem Wagen fand die Polizei zudem Molotowcocktails
und Dschihad-Flaggen. Es gehe um etwa zehn Brandsätze und Fahnen, mit denen
zum Heiligen Krieg aufgerufen werde. Das zeige, wie radikalisiert die
Terroristen seien und dass sie möglicherweise weitere Taten geplant hätten.
Die drei Männer sollen aus Paris kommen und die französische
Staatsbürgerschaft haben. Der 18-jährige mutmaßliche Helfer sei in der
Kleinstadt Charleville-Mézière nahe der belgischen Grenze in
Polizeigewahrsam, hieß es am frühen Donnerstagmorgen in übereinstimmenden
Medienberichten. Er heiße Hamyd M. und soll seine Unschuld beteuert haben.
Er habe sich gestellt, weil sein Name in den sozialen Netzwerken genannt
worden sei. Mitschüler in Charleville-Mézière sollen Medien zufolge erklärt
haben, er sei am Morgen in der Schule gewesen.
Charlie Hebdo war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen in die Kritik geraten
und angefeindet worden. Erst am Dienstag hatte die Zeitschrift eine
Karikatur veröffentlicht, auf der ein islamistischer Terrorist mit einer
umgehängten Kalaschnikow auf dem Rücken sagt: „Noch immer kein Attentat in
Frankreich, aber man darf sich ja bis Ende Januar was wünschen.“
## Schwarze Seite eins
Die Tat löste Entsetzen und Abscheu aus. Mehr als 100.000 Franzosen gingen
am Mittwochabend landesweit auf die Straßen, um sich mit Charlie Hebdo zu
solidarisieren. Auch weltweit bekundeten Tausende in Städten ihre
Solidarität, so etwa in Berlin. US-Präsident Barack Obama, Papst Franziskus
und Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigten sich erschüttert. Auch islamische
Staaten wie Katar und Muslimverbände verurteilten die Tat.
Mehrere französische Blätter druckten am Donnerstag eine fast schwarze
Seite eins. Die eher linke Libération schrieb auf schwarzem Grund: „Nous
sommes tous Charlie“ (Wir sind alle Charlie). Die konservative Zeitung Le
Figaro titelt: „La Liberté assassiné“ (Die ermordete Freiheit). Das Blatt
Le Parisien schrieb auf der Eins: „Ils ne tueront pas la liberté“ (Sie
werden die Freiheit nicht töten).
Drei französische Medienhäuser sagten der Satirezeitschrift Hilfe zu. Der
staatliche Hörfunk und das Fernsehen sowie die Tageszeitung Le Monde
erklärten, sie wollten dem Magazin das notwendige Personal und Sachmittel
zur Verfügung stellen. Ihre Mitteilung trägt die Überschrift: „Damit
Charlie lebt.“
Mit einer Schweigeminute ist am Donnerstag in ganz Frankreich der Opfer des
Anschlags auf die Satire-Zeitung Chalie Hebdo gedacht worden. Um Punkt
zwölf Uhr mittags hielten die Menschen landesweit inne, um ihre Trauer um
die zwölf am Mittwoch getöteten Menschen zum Ausdruck zu bringen.
Abgehalten wurde die Schweigeminute unter anderem in Behörden, Unternehmen
und Schulen, Menschen versammelten sich zudem schweigend auf Plätzen und
vor der Redaktion von Chalie Hebdo in Paris.
Frankreichs Staatschef François Hollande nahm in der Pariser
Polizeipräfektur an einer Schweigeminute teil. Auf vielen Balkons und
Plätzen hielten Menschen – wie bereits am Mittwoch – als Zeichen der
Solidarität Schilder mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ („Ich bin
Charlie“) hoch. Unterbrochen wurde die Stille nur von läutenden
Kirchenglocken, etwa den Glocken der Pariser Kathedrale Notre-Dame.
8 Jan 2015
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