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# taz.de -- Kolumne Besser: Muslim krass beleidigt
> Gäbe es einen Nobelpreis für Beleidigtsein, die islamische Welt würde
> nicht so leer ausgehen wie sonst. Jüngster Fall: die Anzeige gegen Dieter
> Nuhr.
Bild: Dieter Nuhr, Hasssatiriker.
Mit seinem schnauzerfreien Zottelbart [1][sieht Erhat Toka so aus], als
wäre er auf dem Sprung in den Dschihad. Doch der 41-jährige
Kampfsportlehrer ist kein geifernder Dschihadist. Vor ein paar Jahren
gründete er in seiner [2][Heimatstadt Osnabrück eine muslimische Partei].
Und sagt Sätze wie: „Wenn sich jemand über den Islam lustig macht, habe ich
nichts dagegen, aber …“ Was man halt so sagt, wenn man das Gegenteil meint,
sich aber nicht gleich disqualifizieren will. „Ich habe nichts gegen Juden,
aber …“ „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ Oder, wenn es um S…
geht, gerne mit Kurt Tucholsky: „Satire darf alles, aber …“
Satire darf zum Beispiel nicht, meint zumindest Erhat Toka, so etwas sagen:
„Im Islam ist die Frau zwar frei, aber in erster Linie frei davon, alles
entscheiden zu müssen.“ Deshalb hat er den Kabarettisten Dieter Nuhr, von
dem dieser Satz stammt, nach § 166 StGB [3][(das gibt's wirklich)] wegen
„Beschimpfung von Religionsgemeinschaften“ angezeigt. Nuhr sei ein
„Hassprediger“, der das Klima vergifte.
## Nobelpreis für Beleidigtsein
Am Samstag [4][protestierte er mit 30 Mitstreitern] gegen Nuhrs Auftritt in
Osnabrück. Und er bekommt Zuspruch, etwa vom [5][Kommentator der Neuen
Osnabrücker Zeitung,] die als erste über den Fall berichtet hatte. Oder von
Klaus J. Bade, der der Welt [6][im besten Migrationsforscherdeutsch
diktierte]: „Pauschale Diffamierungen anstelle von Differenzierungen
schaffen nur neue Schreckensbilder, die dem mehrheitlich liberalen
europäischen Islam das Wasser abzugraben versuchen.“
Vermutlich zählt Bade auch einen wie Toka zum „mehrheitlich liberalen
europäischen Islam“. Doch die Kritik der Religion steht am Anfang aller
Aufklärung; es gibt keine liberale Gesellschaft ohne die Freiheit,
religiöse Zumutungen zurückzuweisen. Die christlichen Kirchen haben sich –
zumindest in Europa – [7][damit mehr oder weniger abgefunden]. Anders
moderne Islamisten vom Schlage eines Recep Tayyip Erdogan, dessen [8][Fan
Toka offenbar ist]. Die berufen sich zwar gern auf Menschenrechte, doch
eigentlich kennen sie nur eines, die Religionsfreiheit nämlich, der sie
alles andere untergeordnet wissen möchten.
Ihr Trick: Sie fühlen sich ständig beleidigt – der Fall aus Osnabrück ist
ja bei weitem nicht der erste seiner Art. Gäbe es einen [9][Nobelpreis für
Beleidigtsein,] die islamische Welt würde sicher nicht so leer ausgehen wie
sonst in den Kategorien Medizin, Chemie oder Physik. (Dass sie zu Beginn
des letzten Jahrtausends zuverlässig all diese Preise abgeräumt hätte,
hilft da nicht weiter; wer will sich schon immer auf tausend Jahre alten
Leistungen ausruhen?)
Noch etwas wirft der Osnabrücker Islamist Nuhr vor: dass dieser in seinem
Programm gerne Koranverse wie „Tötet die Ungläubigen, wo immer ihr sie
findet“ zitiert. Nuhr entreiße diese Zitate aus dem Zusammenhang, meint
Toka, überhaupt fänden sich in der Bibel ähnliche Passagen. Doch zur
Ausgewogenheit ist kein Kritiker verpflichtet. Wenn ich über die
Machenschaften der Atomindustrie spreche, muss ich mich nicht auch mit
Bio-Eier-Skandalen beschäftigen. Nur wenn ich immer nur das eine eine sehe
und nie das andere, verliere ich meine Glaubwürdigkeit. Das aber kann man
Dieter Nuhr nicht vorwerfen; vorgeknöpft hat er sich [10][nicht nur den
Koran], sondern [11][ebenso die Bibel].
## Dümmer als die Bibel
Abgesehen davon stimmt Tokas Aussage nicht einmal. Im Alten Testament
finden sich zuhauf verherrlichende Schilderungen von Krieg und Gewalt, auch
nicht alle Worte von Jesus sind so ganz firedlich. Aber ausdrückliche
Aufforderungen, Ungläubige zu töten, gibt es nur im Koran.
Wenn man einmal alle Theologie und Religionsgeschichte beiseite lässt und
nur den Urtext betrachtet, lautet das Ergebnis: Der Koran ist kein genauso
gewalttätiges und dummes Buch wie die Bibel. Er ist gewalttätiger und in
fast jeder Hinsicht dümmer. Zu den Ausnahmen gehört die prinzipielle
Bejahung der sexuellen Lust, die den Koran wohltuend von der Verklemmtheit
des Neuen Testaments unterscheidet, was man aber gleich wieder vergeigt,
weil man die Lust der Frauen der Kontrolle der Männer unterwirft.
Die größte und folgenreichste Dummheit aber ist die Behauptung, der gesamte
Text stamme von Allah, auch die Anweisungen zur Versklavung von Gefangenen
oder die Fürsorge um das Fickificki des Propheten Mohammed. Doch der Islam
ist nicht einfach das, was im Koran steht; jede Religion ist die Summe aus
Text, Tradition und Interpretation, ist das, was die Gläubigen daraus
machen.
Besser: Sie machen etwas Besseres daraus.
28 Oct 2014
## LINKS
[1] http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/516852/muslim-aus-osnabru…
[2] /!77767/
[3] http://dejure.org/gesetze/StGB/166.html
[4] http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/517316/gegner-und-fans-von-die…
[5] http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/516928/streit-um-nuhr-wie…
[6] http://www.welt.de/politik/deutschland/article133641173/Nuhr-verwechselt-Is…
[7] /!112813/
[8] http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/516852/muslim-aus-osnabru…
[9] /!57159/
[10] http://www.youtube.com/watch?v=Ud1cyJE5EPc
[11] http://www.youtube.com/watch?v=WcG38bscp9M
## AUTOREN
Deniz Yücel
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