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# taz.de -- Erdogan-Karikatur in BaWü-Schulbuch: Die beleidigte Peperoni
> Erdogan erzürnt sich über eine Karikatur eines deutschen Zeichnersduos.
> Er unterstellt Rassismus – dabei ist er aus der Türkei Schlimmeres
> gewohnt.
Bild: Recep Tayyip Erdogan (m.) umgeben von seinen Liebsten am Tag der Republik…
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist bekanntlich leicht reizbar
und versteht insbesondere dann keinen Spaß, wenn es um seine eigene Person
geht. Schon vor Jahren, als er noch Premier war, zettelte er mehrere
Prozesse gegen türkische Karikaturisten an, von denen er sich verunglimpft
fühlte, einige dieser Prozesse gewann er sogar.
Nun hat sein Zorn auch Deutschland erreicht. Wegen einer Karikatur, die in
einem baden-württembergischen Schulbuch abgedruckt wurde, hat das türkische
Außenministerium jetzt den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt.
Die offizielle Empörung gilt einer Karikatur, die 2011 in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen war und in einem Schulbuch für
Gemeinschaftskunde nachgedruckt wurde. Laut Hürriyet sollen die Töchter
eines in Friedrichshafen am Bodensee lebenden Erdogan-Fans daran Anstoß
genommen haben.
Dass sich in der Karikatur „die Zunahme von Rassismus und
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland“ spiegele, wie das Außenministerium
in Ankara jetzt behauptet, wirkt allerdings maßlos übertrieben. Zwar
spielen die Zeichner mit ziemlich altbackenen Türken-Klischees. Und
unabhängig von der Überreaktion aus Ankara kann man sich fragen, ob so eine
Karikatur unbedingt in ein Schulbuch gehört: Sähe man Angela Merkel in
einem türkischen Schulbuch als Spinne oder Schwein abgebildet, würde sich
hierzulande sicher auch manche Stirn kräuseln.
## Cäsar, Hulk und Krake
Doch aus der Türkei ist Erdogan eigentlich weit Schlimmeres gewöhnt. Jede
Woche liegen dort am Kiosk populäre Cartoon-Zeitschriften wie LeMan,
Penguen und Girgir aus, die schon auf der Titelseite seit Jahren am
allerliebsten ihn, Recep Tayyip Erdogan, abbilden – wahlweise als Sultan,
Schlägertyp, Cäsar, Hulk, Krake, Bauchtänzer, böser Wolf oder arabischer
Scheich und meistens mit Glubschaugen, Affenschnute und hervorstehender
Stirn karikiert.
Diese Satirehefte haben in der Türkei eine lange Tradition, sie waren dort
schon immer ein Ventil für den Unmut über einen autoritären Staat. Mit
ihrem bösen, bissigen Strich sind ihre Zeichner näher an französischen
Vorbildern wie Charlie Hebdo und Le Canard Enchaine oder an britischen
Zeichnern, die ihre Politiker auch gerne als Pudel, Affen oder mit weit
abstehenden Ohren abbilden, als an ihren deutschen Kollegen. Im Vergleich
dazu wirkt die deutsche Karikatur aus der FAZ geradezu bedrückend harmlos –
und der Rassismusvorwurf etwas weit hergeholt.
Damit erzielt Erdogan ohnehin den gegenteiligen Effekt: je beleidigter er
reagiert, umso mehr reizt er Karikaturisten zur Gegenreaktion. Als er vor
ein paar Jahren zürnte, dass Freiheit nicht bedeute, „den Premier als Tier
zu zeichnen“, verlegten sich die Zeichner von Leman – einer der ältesten
Zeitschriften ihres Genres – eben darauf, ihn als Aubergine, Kürbis, Gurke
oder beleidigte Peperoni zu zeichnen.
Ihr Kollege Musa Kart, der Erdogan in der oppositionellen Zeitung
Cumhuriyet als Katze gezeichnet hatte, die sich in einem Wollknäuel
verheddert, musste deshalb einen jahrelangen Rechtsstreit führen. Als
Reaktion auf dieses Verfahren startete der britische Karikaturist Martin
Rowson, der unter anderem für den Guardian zeichnet, kürzlich unter dem
[1][//twitter.com/search?f=realtime&q=%23Erdogancaricature&src=tyah:Twitter
-Hashtag #ErdoganCaricature] eine Solidaritätskampagne im Netz. Mit Erfolg:
Musa Kart wurde vor ein paar Tagen in letzter Instanz vom Vorwurf der
Beleidigung freigesprochen.
4 Nov 2014
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## AUTOREN
Daniel Bax
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