| # taz.de -- Kolumne Besser: Muss sich Mama vom IS distanzieren? | |
| > Zum Beispiel bei Jauch: Der fromme Muslim distanziert sich vom | |
| > „Islamischen Staat“, die säkulare Türkin sieht dafür keinen Grund. Was | |
| > sagt uns das? | |
| Bild: Kämpfer des „Islamischen Staats“ in Rakka/Syrien: Muss man sich von … | |
| Bislang galt hierzulande die Regel: Wann immer Sie den Fernseher | |
| anschalten, Sie werden mindestens auf einem Kanal Hitler finden. Quasi HTV. | |
| Doch dieses Privileg hat der Führer nicht länger allein. Den Rang streitig | |
| macht ihm derzeit der „Islamische Staat“. | |
| Damit ist nicht gesagt, das Thema würde, um mit Bruno Labbadia zu sprechen, | |
| von den Medien hochsterilisiert. Aber bemerkenswert ist es schon, dieses | |
| IS-TV. Zum Beispiel dieser Sonntag, nur bei der ARD: Klar, die Nachrichten, | |
| dazu mittags „Presseclub“, am Vorabend [1][„Weltspiegel“] und | |
| [2][„Lindenstraße“], spätabends [3][„TTT“]. Und dazwischen – nein, … | |
| kein Dschihad-„Tatort“, aber dafür Günther Jauch. Dessen Thema: [4][„Ge… | |
| im Namen Allahs – wie denken unsere Muslime?“] | |
| Kurz vor Schluss wird die Runde interessant: Bilder von der [5][Kampagne | |
| #NotInMyName, die britische Muslime gestartet haben,] werden eingeblendet, | |
| dann fragt Jauch den Imam von der Neuköllner Al-Nur-Moschee, ob er sich | |
| einer solchen Kampagne anschließen würde. „Auf jeden Fall, voll und ganz“, | |
| antwortet der Imam Abdul Adhim Kamouss, der nicht gewillt ist, die Rolle | |
| des hinterwäldlerischen Hasspredigers zu spielen, die ihm die Redaktion | |
| offensichtlich zugedacht hat. Die Spiegel-Redakteurin [6][Özlem Gezer] | |
| widerspricht ihm: „Das ist ja absurd, was du sagst. Warum soll meine Mutter | |
| als praktizierende Muslimin sich auf den Hamburger Rathausmarkt stellen und | |
| sagen, dass sie gegen IS ist?“ | |
| ## Verpasste Gelegenheit | |
| Jauch, darin geübt, keine Gelegenheit zu verpassen, eine Gelegenheit zu | |
| verpassen, verpasst auch diese nicht. Er fragt den Imam nicht, warum sich | |
| der Mann nicht längst dieser Kampagne angeschlossen hat. Und ihm entgeht | |
| auch die interessante Konstellation: Der – vorsichtig formuliert – | |
| konservative Imam einer Moschee mit [7][zweifelhaftem demokratischem | |
| Leumund] heißt die Distanzierungsaktion gut, während die säkulare, | |
| womöglich atheistische Nannen-Preisträgerin sie für absurd hält. | |
| Diese Konstellation findet sich auch an anderer Stelle. Auf der | |
| [8][Facebookseite der taz] zum Beispiel. Lassen wir einmal die gönnerhaften | |
| („Oh, super, mehr davon“) oder paternalistischen („Was haben die Muslime | |
| damit zu tun?“) Beiträge von irgendwelchen Kartoffeln beiseite und blicken | |
| nur auf die Olivenaugen. Manche von ihnen finden eine Kampagne wie | |
| [9][#NotInMyName] ganz wunderbar, während andere es nicht einsehen, sich | |
| von etwas zu distanzieren, womit sie nicht das Geringste zu tun haben. | |
| ## Was die Säkularen übersehen | |
| Nun kann man sagen, dass Muslime – oder Menschen aus muslimischen Ländern – | |
| seit dem 11. September ohnehin einem permanenten Verhör ausgesetzt sind. | |
| Aber dass dieser Rechtfertigungsdruck, wie etwa jüngst von der | |
| [10][Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur in der taz behauptet], | |
| anlässlich des IS besonders stark ist, würde einer empirischen Überprüfung | |
| vermutlich nicht standhalten. | |
| Dafür würde, jede Wette, eine empirische Überprüfung folgende Beobachtung | |
| bestätigen: Es sind vor allem Menschen, die eine öffentliche Stimme haben, | |
| und/oder Leute, die mit Religion nicht viel am Hut haben, die es aus guten | |
| Gründen ablehnen, den IS öffentlich zu verurteilen. | |
| Andererseits sind es eher Leute, die nicht als Journalisten oder | |
| Professoren Teil der Debatte sind, sowie eher religiöse Menschen, die das | |
| Bedürfnis haben, sich zu distanzieren – so wie nach den Anschlägen von | |
| Mölln und Solingen manche ganz gewöhnliche Deutsche den Wunsch hatten, | |
| [11][ihre Scham ihren türkischen Nachbarn mitzuteilen]. | |
| Heute empfinden manche Muslime ein ähnliches Bedürfnis. Aber nicht, weil | |
| man sie dazu nötigen würde, derlei Distanzierungen sind auch in der | |
| islamischen Welt zu hören, ob von konservativen Imamen in Saudi-Arabien | |
| oder den „Antikapitalistischen Muslimen“ in der Türkei. Vermutlich erkennen | |
| fromme Muslime viel eher als säkulare oder atheistische Olivenaugen, dass | |
| der IS sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun hat – die Begriffe, die | |
| Referenzen, die Riten. Und genau deshalb wollen sie sich von IS abgrenzen. | |
| Ihnen diesen Wunsch abzusprechen aber, ist nicht weniger bevormundend als | |
| die herrische Forderung nach Distanzierung. | |
| Besser: Es distanziert sich ein jeder, wovon er will, wie er will. | |
| 29 Sep 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.ardmediathek.de/tv/Weltspiegel/T%C3%BCrkei-Syrien-Verzweifelte-L… | |
| [2] http://www.ardmediathek.de/tv/Lindenstra%C3%9Fe/Folge-1500-Alte-Bekannte/Da… | |
| [3] http://www.ardmediathek.de/tv/ttt-titel-thesen-temperamente/Sendung?documen… | |
| [4] http://www.ardmediathek.de/tv/G%C3%BCnther-Jauch/Gewalt-im-Namen-Allahs-wie… | |
| [5] /!146620/ | |
| [6] http://twitter.com/Oezlem_Gezer | |
| [7] /!142790/ | |
| [8] http://www.facebook.com/taz.kommune/posts/769946476397756 | |
| [9] http://twitter.com/search?q=%23NotInMyName&src=typd | |
| [10] /!146356/ | |
| [11] /!12478/ | |
| ## AUTOREN | |
| Deniz Yücel | |
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