| # taz.de -- Evangelische Islamkritik: Vom hohen Ross | |
| > Nikolaus Schneider vom Rat der evangelischen Kirche fordert eine Debatte | |
| > über Gewalt und den Koran. Der Stammtisch wird ihm applaudieren. | |
| Bild: Nikolaus Schneider im September bei einer gemeinsamen Kundgebung mit den … | |
| In einem [1][Interview mit der Tageszeitung Die Welt] erklärt der | |
| scheidende Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, | |
| unter anderem seine Sicht auf den Islam. „Was von den [deutschen | |
| Islam-]Verbänden an Auseinandersetzung mit Ansatzpunkten für die | |
| Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition bisher | |
| kommt, ist mir zu wenig“, sagt Schneider da und passt sich nahtlos in einen | |
| populären Diskurs ein: Der Muslim habe Stellung zu nehmen zur Quelle der | |
| Gewalt, die gar blutig direkt aus dessen heiliger Schrift sprudelt. | |
| „Wir müssen aber nüchtern feststellen, dass sich der IS auf den Islam | |
| beruft. Darüber haben wir zu debattieren.“ Der sozial engagierte, | |
| theologisch und politisch liberale Kirchenfunktionär Schneider, der sich | |
| seit Jahrzehnten für den jüdisch-christlichen Dialog einsetzt, tappt hier | |
| nicht aus Versehen in eine Falle, die ein geschickter Interviewer auslegt. | |
| Seine Kritik am politischen Islam ist altbekannt und an vielen Stellen | |
| sogar nachvollziehbar. Dass sie aber umstandslos von einer islamophob | |
| verbrämten, inhärent rassistischen Perspektive der Überlegenheit der | |
| sogenannten abendländischen Kultur verstanden werden kann, darüber haben | |
| wir anscheinend nicht zu debattieren. | |
| Mitten in der hitzigen Debatte um den Neubau einer Moschee in | |
| Köln-Ehrenfeld zum Beispiel ließ Schneider, damals noch Präses der | |
| Evangelischen Kirche im Rheinland, die Bauherrin, den Muslimverband Ditib, | |
| wissen, dass er sich die Moschee „[2][zurückgenommener, nicht so imperial]“ | |
| wünsche, und übte unter anderem Kritik an deren Minarette. Denn die sollten | |
| den Kirchturm einer nahe gelegenen evangelischen Kirche überragen. Für „Pro | |
| Köln“, jenen politischen Arm des deutschnationalen Stammtischs, war aber | |
| gerade die Höhe der Minarette nicht zufällig Kernaufreger der Kampagne | |
| gegen die Moschee. | |
| ## Keine Diskussion | |
| Diese Anschlussfähigkeit bei Berufung auf dieselben Werte und Symbole für | |
| verschiedene Strömungen der abendländischen Kultur, von liberalen Christen | |
| bis hin zu offen Rechtsradikalen, soll nun keine Diskussion wert sein, jene | |
| der verschiedenen Ausprägungen des Islam, vom messerwetzenden Dschihadisten | |
| bis zum netten Aleviten von nebenan aber, die „haben wir zu debattieren“? | |
| Nikolaus Schneider ist natürlich ein differenziert denkender Theologe. Er | |
| ist sich selbst der gewalttätigen Geschichte seiner eigenen Kirche voll | |
| bewusst. Er stellt sich sogar noch der Tatsache, dass „ja auch die Bibel | |
| für Begründungen von Gewaltanwendungen nicht frei ist“. | |
| Jedoch betont Schneider, dass, obwohl die christlichen Kirchen eine sehr | |
| „problematische Gewaltgeschichte haben“, sie sich mit ihr | |
| auseinandersetzten; wohl im Gegensatz zum Islam, dessen „rasche Verbreitung | |
| mit ’Feuer und Schwert‘ von Anfang an mit Kriegen“ im Zusammenhang | |
| gestanden habe. | |
| „Wir sitzen nicht auf dem moralisch hohen Ross“, schränkt Schneider ein und | |
| fügt an: „Damit ermutige ich zur Auseinandersetzung über entsprechende | |
| Traditionen im Islam.“ Ein höheres Ross lässt sich kaum vorstellen: von der | |
| Kanzel herab denjenen Ratschläge erteilen, die nie darum gebeten haben. Der | |
| Stammtisch applaudiert zustimmend und denkt sich seinen Teil. | |
| Im Interview kommt Schneider letztlich zu dem Schluss: „ … dass ich mich | |
| einigen peinlichen Fragen stellen muss, wenn ich dereinst Gott | |
| gegenüberstehe.“ Dem lässt sich ganz einfach vorgreifen: Man stellt sich | |
| die wirklich peinlichen Fragen gleich selber, und zwar schon in dieser | |
| Welt. Dann bleibt das hohe Ross im Stall und der Ratspräsident verbringt | |
| nicht mehr so viel Zeit damit, den Splitter im Auge des anderen zu suchen, | |
| sondern bemerkt den Balken im eigenen. | |
| 6 Nov 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article134037095/EKD-Ratschef-sieht-… | |
| [2] http://www.ksta.de/koeln/-die-architektur-ist-triumphierend-angelegt-,15187… | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
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