| # taz.de -- Kommentar Franziskus: Alter Sack der Xte | |
| > Der neue Papst soll gegen Homosexuelle gehetzt haben – sich links | |
| > wähnende Leute sind empört. Aber was haben die denn erwartet? | |
| Der [1][neue Papst] ist, den bislang vorliegenden Informationen nach zu | |
| urteilen, ein reaktionärer alter Sack wie sein Vorgänger, der seinerseits | |
| einem reaktionären alten Sack gefolgt war, der wiederum einen reaktionären | |
| alten Sack beerbt hatte. Alter Sack I. folgte Alter Sack II., Alter Sack | |
| II. aber folgte Alter Sack III., in einem fort, jahrein, jahraus. | |
| Ob dieser oder jene alte Sack nun eine Schwäche für die Schwachen | |
| („katholische Soziallehre“) hatte oder sich lieber mit esoterischem Klimbim | |
| („katholische Dogmatik“) beschäftigte, ist in etwa so relevant wie die | |
| Frage, ob er nebenher Briefmarken sammelte oder lieber doch Schmetterlinge. | |
| Der neue alte Sack, der künftig unter dem Künstlernamen Franziskus | |
| auftreten wird, hat, [2][so ist zu hören], als er noch Jorge Bergoglio hieß | |
| und Erzbischof von Buenos Aires war, gegen die Ehe von Lesben und Schwulen | |
| („Plan des Teufels“) und die Adoption von Kindern durch | |
| gleichgeschlechtliche Paare („Kindesmissbrauch“) gekämpft. Noch früher so… | |
| er als Leiter der argentinischen Jesuiten ein enges [3][Verhältnis zur | |
| Militärjunta] (das waren jene Freaks, die auch die [4][Falklands] | |
| heimholten wollten) unterhalten haben. | |
| Aber ist das so verwunderlich? Und was hat man denn erwartet? Einen | |
| gutaussehenden [5][schwulen Afrikaner], der George Bataille, Simone de | |
| Beauvoir und die Situationisten verehrt, der den Islam, das Judentum oder | |
| die Lehren irgendwelcher Bettelmönche aus dem Anhaltischen für ebenbürtige | |
| Wege zu Gott hält, der den päpstlichen Anspruch auf Führung | |
| („Petrus-Primat“) und Unfehlbarkeit („Ich hab recht, du nicht“) sausen | |
| lässt und der nach der Sonntagsmesse mit einem Joint beim Formel-1-Rennen | |
| Entspannung sucht? | |
| Ungefähr das haben tatsächlich viele erwartet oder sich zumindest | |
| gewünscht, insbesondere sich irgendwie links wähnende Leute, denen die | |
| katholische Kirche eigentlich herzlich egal oder reichlich suspekt ist. Die | |
| Vorstellung aber, irgendein Hungerleider aus der Dritten Welt könnte Papst | |
| werden, fand man in diesen Kreisen total süß („nicht eurozentristisch“). | |
| Und zugleich hegte man, es stand an dieser Stelle [6][schon mal,] die | |
| Hoffnung, der neue Papst würde den Zölibat abschaffen, | |
| gleichgeschlechtliche Ehen gestatten, Frauen zum Priesteramt erlauben, die | |
| Sache mit der Jungfrauengeburt einer naturwissenschaftlichen Prüfung | |
| unterziehen, das gemeinsame Abendmahl mit Hinz und Kunz zulassen, | |
| Abtreibung in Maßen billigen und überhaupt unter den Soutanen den Muff von | |
| 2000 Jahren lüften. | |
| ## Das ist die katholische Kirche, Himmelherrgott! | |
| Doch selbstverständlich wird der neue alte Sack nichts von alledem tun. Und | |
| er muss es auch nicht. Denn er steht nicht einer Bruderschaft in Südholland | |
| vor, sondern der [7][einen heiligen, katholischen und apostolischen | |
| Kirche]; einem Verein, der es schafft, einen rauchenden Schornstein als | |
| globale Fernsehshow zu inszenieren, der aber auch, nun ja, seine Macken | |
| hat. | |
| Nicht dass sich die katholische Kirche und ihre Anhänger unter Berufung auf | |
| ihre Macken alles erlauben könnten. So müssen sie Kritik und Spott | |
| ertragen, dürfen Delinquenten nicht mir nichts, dir nichts auf den | |
| Scheiterhaufen befördern, können Frauen, die mehr vom Leben wollen, als | |
| ihren Männern zu dienen, nicht mit dem Exorzisten auf die Pelle rücken und | |
| müssen es hinnehmen, dass nicht sie die Gesetze des gesellschaftlichen | |
| Zusammenlebens bestimmen, sondern der weltliche politische Souverän. | |
| Besser als so manche Konkurrenz aber hat die katholische Kirche all das, | |
| lange genug hat es gedauert und blutig genug waren die Kämpfe, die hierum | |
| ausgefochten wurden, mehr oder weniger kapiert. Jedes über ein solches | |
| Mindestmaß an gutem Benehmen hinausgehende Wohlverhalten aber darf man von | |
| ihr nicht erwarten. Sie hat ein Recht auf ihre alten Säcke und schrulligen | |
| Rituale und lustigen Kostüme, auf all ihr Heiapopeia. Und sie hat ein Recht | |
| auf [8][ihre Dogmen], solange sie diese niemandem aufzwingt. | |
| Den Rest regelt [9][der Markt]. Wer zum Beispiel unbedingt den Leib Christi | |
| aus der Hand einer Frau in Empfang nehmen will (und darin nicht wirklich | |
| den Leib Christi erkennt), findet genügend andere Angebote. | |
| Und wer partout nicht auf die barocke Show in Rom verzichten und darum | |
| katholisch bleiben und trotzdem als Schwuler oder als Lesbe leben will, | |
| kann auch dies im Schoße der katholischen Kirche tun. Denn im Gegensatz zu | |
| den [10][protestantischen Tugendeiferern] („Gewissen“) haben die Katholiken | |
| seit 2000 Jahren Erfahrung darin, den lieben Gott einen guten Mann (bzw. | |
| ein [11][gutes Dingsbums]) und den Papst einen alten Sack sein zu lassen | |
| und sich den Freuden des Lebens zuzuwenden. | |
| 13 Mar 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!112812/ | |
| [2] http://www.queer.de/detail.php?article_id=18781 | |
| [3] http://www.dradio.de/aktuell/2040199/ | |
| [4] /!112649/ | |
| [5] /!110801/ | |
| [6] /!110801/ | |
| [7] http://www.katholisch.de/de/katholisch/ | |
| [8] /1/archiv/digitaz/artikel/ | |
| [9] /!95632/ | |
| [10] /!52553/ | |
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| Deniz Yücel | |
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