# taz.de -- Kolumne Erwachsen: Suche den Herrn, nicht die Herren | |
> Der Papst will nicht über Homosexuelle richten, sagt er. Aber zwischen | |
> den Zeilen bleibt es dabei: Geschnackselt werden darf nur zwischen Mann | |
> und Frau. | |
Bild: Unerotisch: der Papst. | |
Es steht der Jugend wohlan, am „Weltjugendtag“ zuhauf an die Copacabana zu | |
strömen, um dem heiligen „Papa“ zu huldigen. So wie sie sich auch | |
kreischend vor dem Hotel versammeln, in dem Justin Bieber nächtigt. | |
Begeisterungsfähigkeit gehört zu dieser Phase des Lebens wie straffes | |
Bindegewebe und der Hang zu übersüßten Getränken, die Erwachsenen hingegen | |
– mögen sie auch lediglich der Schotter sein auf den Zukunftspfaden der | |
Jugend – trinken lieber bedacht eine herben Schluck Wein, anstatt mit einem | |
Becher Bubble Tea in der Hand in Euphorie zu versinken. | |
Genau aus diesem Grund ist nun der Erwachsene gehalten, mit beiden Füßen | |
auf dem Teppich zu bleiben angesichts der neuesten Äußerungen von Papst | |
Franziskus: „Wenn jemand schwul ist und den Herrn sucht und dabei guten | |
Willen beweist, wer bin ich, dass ich richte?“. | |
Dieser Satz bedeutet nun keineswegs, dass im Vatikan die Regenbogenflagge | |
gehisst wird und Alcopops an Homos verteilt werden, vielmehr bewegt sich | |
auch der jetzige Papst – eigentlich selbstverständlich – auf der ehernen | |
Grundlage des Katechismus. | |
Nein, Homosexuelle sollen nicht diskriminiert und an den Rand gedrängt | |
werden, auch sie sind ja schließlich Menschen. Nein, nicht die homosexuelle | |
„Neigung“ sei eine Sünde, sondern der homosexuelle Akt an sich. Nichts | |
anderes hatte schon Vorgänger Joseph Ratzinger postuliert, wenn auch in | |
etwas harscherer Form („contra naturam“). | |
Übersetzt bedeutet dies, dass man sich als Homosexueller nur dann auf der | |
richtigen Seite befindet, wenn man zwar den Herrn sucht, nicht aber Herren, | |
mit denen man sich geschlechtlich auszutauschen wünscht. | |
## Konzil statt warme Worte | |
Aus der römischen Zentralverwaltung humaner Sexualität also nichts Neues: | |
Geschnackselt werden darf auch zwischen Mann und Frau nur zu Zwecken der | |
Reproduktion. Und selbstverständlich sind, Papst Franziskus erklärte es im | |
selben Atemzug, Frauen auch weiterhin von der Ordination ausgeschlossen. | |
Tür zu, Licht aus. | |
Falls sich die katholische Kirche eines Tages wirklich zu weitgreifenden | |
Anpassungen an die Moderne entschließen wollte, dann bedürfte es der | |
Einberufung eines Konzils anstatt warmer Worte eines freundlichen alten | |
Herrn. Worte, die so warm dann übrigens gar nicht sind in Bezug auf die | |
Homosexuellen. Garstiges, gieriges, schreckliches „Lobbying“ würden diese | |
betreiben. Spätestens ab diesem Punkt wird deutlich, dass es einfach nichts | |
bringt, an den Weihnachtsmann zu glauben: Homosexuelle sollen also nicht | |
nur auf die Ausübung ihrer Sexualität verzichten, sondern bitte schön auch | |
davon absehen, sich politisch zu organisieren, um für ihre Rechte | |
einzutreten. | |
Angesichts solch kruder Aussagen in Begeisterung auszubrechen ist ungefähr | |
so sinnvoll wie ein Wutausbruch angesichts des neuesten Bushido-Videos. | |
Warum soll man sich darüber aufregen, wenn der Herr reimt, dass Schwule „in | |
den Arsch gefickt“ werden? Diese Praxis gehört ganz normal zum Alltag | |
vieler schwuler Männer. Als Erwachsener kann man der Realität entspannt ins | |
Auge sehen. | |
30 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Reichert | |
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