# taz.de -- Rechte Parteien und Klimapolitik: Europas Rechte gegen das Klima | |
> AfD-Kandidatin Alice Weidel will „Windräder niederreißen“. Aber wie sie… | |
> es bei anderen Rechten aus? taz-Korrespondent:innen zur Lage in ihren | |
> Ländern. | |
Bild: Bloß keine Windkraft: Europas Rechte setzt vor allem auf Atomkraft | |
## Vive la Landwirtschaft | |
Frankreichs extreme Rechte passt sich populistisch dem Trend ihrer | |
Wählerschaft an. Und in diesen Kreisen wächst die Zahl der Klimaskeptiker. | |
Laut einer Studie der NGO „Parlons climat“ („Reden wir vom Klima“) sind… | |
in Frankreich immer zahlreicher und unter den Anhängern von Marine Le Pen | |
besonders stark vertreten. Zwar hat [1][der junge Parteichef, Jordan | |
Bardella], mehrfach versichert, wie wichtig der Arten- und Umweltschutz für | |
das Rassemblement National (RN) sei. Wenn es aber um ganz konkrete | |
Maßnahmen geht, und erste recht um die multilateralen, die auch für | |
Frankreich bindend wären, ändert sich seine Rhetorik. | |
Als Lösung für die Klimaerwärmung und Energiewende setzt die extreme Rechte | |
in Frankreich auf den Ausbau der Atomenergie als Priorität einer nationalen | |
Unabhängigkeit. Alles, was mehr oder weniger einschneidende Folgen für den | |
Massenkonsum im Alltag seiner Wähler*innen und für die industriellen und | |
intensiven landwirtschaftlichen Produktionsformen hätte, stößt beim RN auf | |
Ablehnung. Etwa das Verbot von Agrarpestiziden oder die Begrenzung der | |
Methan- und Kohlendioxydausstoßwerte. | |
Da die ländliche Bevölkerung besonders stark RN wählt, unterstützt die | |
Partei von Le Pen und Bardella – gern in der Rolle eines Freunds der | |
einheimischen Bauern – auch im EU-Parlament praktisch alles, was in die | |
Richtung der Agrarlobby geht, aber dem Umwelt- und Klimaschutz | |
zuwiderläuft. (Rudolf Balmer, Paris) | |
## Braune Deals in Brüssel | |
Klimaschutz hat in Brüssel keine Priorität mehr. Der 2019 verkündete | |
[2][„European Green Deal“] beherrscht nicht mehr die Agenda. | |
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ihn zu einem | |
industrienahen „Clean Industrial Deal“ ummodeln – und macht dabei auch | |
schon mal gemeinsame Sache mit Rechtskonservativen und Rechtsradikalen. | |
Beim Waldschutz haben CDU/CSU sogar mit der AfD gestimmt. | |
Während von der Leyen und ihre Anhänger versuchen, dem Green Deal die | |
angebliche industriefeindlichen Spitzen zu nehmen, geht es den | |
Rechtsradikalen um etwas ganz anderes: Sie wollen einen Rollback: Der Green | |
Deal soll rückabgewickelt werden. | |
Und nicht nur dort versuchen die AfD und die europäischen „Patrioten“ – … | |
heißt die größte rechtsradikale Fraktion in der Straßburger Kammer – | |
klimapolitische Vorhaben zu verhindern. Erst haben sie sich auf das | |
„Verbrennerverbot“ eingeschossen und behauptet, das Ende der europäischen | |
Autoindustrie sei nahe. Dann kam der Kampf gegen das EU-Gesetz zur | |
Renaturierung – mit massiven Falschbehauptungen. Zuletzt haben sie | |
versucht, den Schutz der Wälder aufzuweichen und die Entwaldungsverordnung | |
auszuhöhlen. | |
Doch das ist ihnen nicht gelungen. Am Ende wurde die EU-Verordnung für | |
„entwaldungsfreie Lieferketten“ doch angenommen. Die Rechten feiern dennoch | |
einen Erfolg – denn die Umsetzung wurde um ein Jahr aufgeschoben. (Eric | |
Bonse, Brüssel) | |
## Ungarn setzt auf Uran | |
Ungarn hat sich zwar zur Einhaltung der EU-Klimaziele verpflichtet, wettert | |
gleichwohl aber immer wieder dagegen. Auch die Politik ist widersprüchlich: | |
Während Ungarn beim Ausbau der Solarenergie zu den EU-Spitzenreitern | |
aufgestiegen ist, wurde die Windkraft durch strenge Abstandsregeln | |
praktisch zum Stillstand gebracht. | |
Die Energiestrategie des Landes setzt vor allem auf Atomkraft, die bereits | |
heute rund die Hälfte des ungarischen Stroms liefert. Auch an der engen | |
Energiepartnerschaft mit Russland will Budapest festhalten. [3][Orbáns] | |
Hauptargument im wirtschaftlich zurzeit angeschlagenen Ungarn: Er werde | |
keine zusätzlichen Kosten für die Bevölkerung akzeptieren. (Florian Bayer, | |
Wien) | |
## Meloni immerhin keine Klimaleugnerin | |
Nein, Giorgia Meloni zählt nicht zu jenen Rechten, die den Klimawandel | |
rundheraus abstreiten – auch wenn ihr [4][Koalitionspartner Matteo Salvini] | |
von der Lega noch im Juli 2023 angesichts von Temperaturen bis zu 40 Grad | |
zum Besten gab, es sei „heiß wie immer, es ist Sommer“. | |
Solche Behauptungen stellt Italiens Ministerpräsidentin und Chefin der | |
postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia nicht auf, doch übertriebenem | |
Klimaschutz kann sie nichts abgewinnen. Regelmäßig wettert sie gegen die | |
„Green-Ideology“, und auch im letzten Europawahlkampf 2024 zog sie gegen | |
den von der EU verabschiedeten Green Deal zu Felde. Mit den zu ehrgeizigen | |
Umweltzielen Europas werde Italiens Industrie den Kahlschlag erleben, und | |
„in der Wüste gedeiht kein Grün“, schlussfolgert Meloni. | |
Mit der Wüste meint sie allerdings nicht Sizilien, das eine beispiellose | |
Dürreperiode erlebt, sondern den drohenden Niedergang des | |
Wirtschaftsstandorts Italien. Deshalb will ihre Regierung unbedingt raus | |
aus dem Aus für Verbrennermotoren bis zum Jahr 2035 und fordert stattdessen | |
einen „technologieneutralen“ Ansatz, der auch auf Biokraftstoffe setzt. | |
Auch bewegt Italiens Rechtsregierung sich auf dem Feld der | |
Gebäude-Energieeffizienz so gut wie gar nicht. Stattdessen predigt Meloni | |
eine Zukunft, in der die abgeschaltete Kernenergie wieder zum Zuge kommen | |
soll, denn schließlich könnten Kernfusionstechnologien „unbegrenzt saubere, | |
sichere Energie produzieren“. (Michael Braun, Rom) | |
## Will Nigel Farage jetzt fracken? | |
Im nun labourregierten Vereinigten Königreich blieb Claire Coutinho, die | |
ehemalige konservative Energieministerin unter Rishi Sunak, | |
„Schattenministerin“ für Energie in der derzeitigen Opposition. Sie | |
beschrieb wiederholt erneuerbare Energie als die teure Option, mit | |
Windenergie als der teuersten, und plädiert für den Ausbau von Atomenergie, | |
inklusive kleinerer AKWs und dem Verbrennen von Gas aus den „eigenen“ | |
Ressourcen. Ein Bild, das nicht ganz stimmt, denn selbst einheimische | |
Rohstoffe werden immer auch an den globalen Markt verkauft. Am Ziel der | |
Klimaneutralität bis 2050 hielt die letzte Tories-Regierung fest. | |
Auch [5][der Rechtspopulist Nigel Farage] sagte der BBC im Dezember: | |
„Wollen wir gute Energie, saubere Energie? Sind wir um die Umwelt besorgt? | |
Ja. Ja. Ja. Wir wollen all diese Dinge!“ Gleichzeitig ist seine Partei nur | |
an Windenergie interessiert, wenn sie sich selbst finanzieren kann. Reform | |
UK plädiert für mehr Bäume und weniger Einmalplastik. | |
Anderseits wollen sie sich nicht „durch nicht erreichbare und nicht | |
bezahlbare globale CO₂-Ziele in Armut stürzen“. Man will Gas- und | |
Ölförderung aus der Nordsee ausbauen, auch die Förderung von Schiefergas | |
durch Fracking erwägen. Reform UK ist des Weiteren an vielen kleinen AKWs | |
interessiert und „sauberer“, britischer Kohlegewinnung. Außerdem wollen sie | |
„ethische“ Lithiumförderung für Batterien, sind aber auch für | |
Gezeitenenergiekraftwerke. (Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London) | |
## Neoliberal in Norwegen | |
In Norwegen fährt die Fortschrittspartei (FrP) klimapolitisch gerade die | |
Strategie der pseudoseriösen Skepsis: Parteichefin Sylvi Listhaug sagte | |
kürzlich im norwegischen Fernsehen erst auf mehrfaches Nachfragen, es gäbe | |
Forschung, die darauf hindeuten könnte, dass der Klimawandel | |
menschengemacht sei. Mit Betonung auf „könnte“. Anlass für die Frage waren | |
Behauptungen aus dem Parteiprogramm, wonach die natürlichen Einflüsse auf | |
Klimaveränderungen noch zu wenig erforscht seien. | |
Die Partei mit ihrer Mischung aus Rechtspopulismus und Neoliberalismus ist | |
in Norwegen längst Teil des politischen Establishments – mit gut [6][sechs | |
Jahren Regierungserfahrung bis 2020], unter anderem zusammen mit der | |
bürgerlich-konservativen Partei Høyre. | |
Dieses Jahr wird in Norwegen gewählt, und in Umfragen lag FrP | |
zwischenzeitlich mit gut 20 Prozent Stimmenanteil an erster Stelle, zuletzt | |
nur knapp überholt vom alten Koalitionspartner Høyre. Eine erneute | |
Regierungsbeteiligung ist alles andere als undenkbar. | |
In ihrem Klimaprogramm nutzt die Partei ihre Falschbehauptung über fehlende | |
Klimaforschung für die klassisch rechte Forderung, dass | |
Klimaschutzmaßnahmen nicht zu sinnlosen Verboten und Einschränkungen führen | |
dürften. Sie nennt den Kauf von Auslandsquoten als Mittel. Und sie | |
argumentiert, wenn in Norwegens Industrie von Gas auf nachhaltigen Strom | |
umgestellt werde, würde das Gas – das die Partei im Übrigen als | |
klimafreundlich ansieht – anderswo verbrannt. FrP ist, wenig überraschend, | |
Gegner der Windkraft. Allein regieren wird die Partei, wenn überhaupt, | |
allerdings nicht. (Anne Diekhoff, Härnösand) | |
## Kein neuer Wind in Kärnten | |
„Soll zum Schutz der Kärntner Natur die Errichtung weiterer | |
Windkraftanlagen auf Bergen und Almen in Kärnten landesgesetzlich verboten | |
werden?“ Mit dieser suggestiv formulierten Frage initiierte die FPÖ eine | |
Volksbefragung im südlichsten österreichischen Bundesland. Eine knappe | |
Mehrheit stimmte letzten Sonntag für das Verbot. Das Ergebnis bedeutet | |
einen weiteren Rückschlag für die ohnehin schwach entwickelte Windkraft und | |
spiegelt die klimapolitische Linie der FPÖ wider, die wohl die neue | |
Bundesregierung mit der ÖVP anführen wird. | |
Obwohl [7][die Koalitionsverhandlungen noch laufen], zeichnen sich | |
Rückschritte ab, die als notwendige Einsparungen dargestellt werden. | |
Geplant ist unter anderem die Abschaffung des Klimabonus, der die | |
zeitgleich eingeführte CO₂-Abgabe kompensieren sollte. Auch das von der | |
schwarz-grünen Vorgängerregierung eingeführte Klimaticket steht zur | |
Disposition, ebenso wie der Ausbau erneuerbarer Energien. Den von vielen | |
FPÖ-Politikern relativierten Klimawandel will die Partei durch nicht näher | |
benannte „technologische Entwicklungen“ eindämmen. | |
Auch die ÖVP als künftiger Juniorpartner zeigt wenig klimapolitisches | |
Engagement. Ex-Kanzler Karl Nehammer veranstaltete noch 2023 einen | |
„Verbrenner-Gipfel“. Nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Regierung | |
dürfte der Autobahnausbau ungehindert voranschreiten, während die hohen | |
Steuervergünstigungen für Pendler trotz des proklamierten Sparkurses wohl | |
unangetastet bleiben. (Florian Bayer, Wien) | |
15 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Parteitag-des-Rassemblement-national/!5893006 | |
[2] /Klimapolitik-der-EU-koennte-kippen/!6043938 | |
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[4] /Prozess-gegen-Italiens-Verkehrsminister/!6058116 | |
[5] /Grossbritanniens-Reform-UK-im-Parteitag/!6035369 | |
[6] /Norwegens-Regierungskoalition-platzt/!5655683 | |
[7] /Regierungsbildung-in-Oesterreich/!6057277 | |
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