# taz.de -- 50 Jahre „Atomkraft? Nein Danke“: „Wir wollten ein Symbol, da… | |
> Vor 50 Jahren entwarf die Dänin Anne Lund das „Atomkraft? Nein | |
> Danke“-Logo. Das Symbol wurde oft abgewandelt. Im Sinne der Erfinderin | |
> ist das nicht. | |
Bild: Das Logo ist längst Teil der Popkultur geworden | |
taz: Frau Lund, Sie haben im Frühjahr 1975, also vor 50 Jahren, die | |
lachende Sonne kreiert, das Symbol der [1][Anti-Atomkraft-Bewegung] | |
schlechthin. Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie darauf kamen? | |
Anne Lund: Wir wollten damals einen aussagekräftigen Sticker für die | |
1.-Mai-Demonstration in Aarhus haben. Ich hatte ein paar Entwürfe gemacht | |
und habe sie dann bei einer Versammlung herumgezeigt. Die anderen waren von | |
dem Motiv mit der Sonne ganz begeistert, und dann haben wir die ersten 200 | |
Sticker drucken lassen. | |
taz: Hatten Sie vorher Erfahrung als Grafikerin oder Designerin? | |
Lund: Nein, gar nicht, ich habe zwar immer schon gern auf Papier | |
herumgekritzelt, aber eigentlich habe ich keine Begabung dafür. Mein | |
Entwurf war ja auch nur ein Entwurf, die endgültige Version hat dann ein | |
richtiger Grafikdesigner hergestellt. Die endgültige Druckvorlage für | |
Buttons und Aufkleber lag im Herbst 1975 vor. | |
taz: Sie waren zu der Zeit Mitglied einer Gruppe, die sich gegen Atomkraft | |
engagierte. Gab es damals in Dänemark schon eine breite | |
[2][Anti-Atomkraft-Bewegung]? | |
Lund: Es gab bei uns ungefähr seit 1974 eine organisierte Bewegung, die | |
unter dem Dach der OOA (Organisationen til Oplysning om Atomkraft – | |
Organisation zur Aufklärung über die Atomkraft) vor allem | |
Öffentlichkeitsarbeit zu den Risiken der Atomenergie machte. Die OOA hat | |
die Menschen gefragt, wie sicher sie sich mit Atomkraft fühlen würden. Das | |
sollte zum Nachdenken anregen, ob sie Atomenergie befürworteten oder nicht. | |
taz: Da waren Sie aktiv? | |
Lund: Ja, ich war Mitglied in der lokalen OOA-Gruppe in Aarhus, wir waren | |
anfangs ungefähr zehn Leute. Wir haben zunächst keine großen | |
Demonstrationen organisiert, sondern haben versucht, mit den Menschen über | |
die Gefahren von Atomkraftwerken zu diskutieren und sie zu überzeugen. Wir | |
wollten keine Konfrontation. Damals stand noch nicht fest, ob Dänemark | |
atomstromfrei bleiben würde, einige politische Parteien wollten da durchaus | |
einsteigen, ein Atomkraftwerk war südlich von Aarhus geplant. Das | |
endgültige Aus für die Atompläne wurde erst zehn Jahre später beschlossen. | |
Unserem Vorgehen entsprach dann auch das Motiv mit der lachenden Sonne und | |
mit der freundlichen Einladung zum Dialog, zur Debatte: Atomkraft? Nej tak. | |
Es sollte ein Abzeichen sein, das nicht nur diejenigen anspricht, die | |
sowieso mit Buttons herumlaufen, sondern allgemein gern getragen wird. Und | |
die Sonne erzeugt ja nicht nur Solarenergie, sondern symbolisiert auch die | |
Kräfte der Natur, wie Wind und Wasser, die die ganze Existenz der Erde | |
bestimmen. | |
taz: Haben Sie noch die Originalzeichnungen von dem Logo? | |
Lund: Nein, die gibt es leider nicht mehr. Aber es gibt Buttons und Fotos | |
von den ersten Zeichnungen, die sich im Dänischen Nationalmuseum befinden. | |
taz: Haben Sie eigentlich ein Patent oder ein Copyright auf das Motiv? | |
Lund: Das Motiv hat sich ja rasend schnell verbreitet, Aufkleber und | |
Anstecker damit sind in kurzer Zeit in 30 oder 40 Sprachen gedruckt worden. | |
Die OOA hatte das Copyright. Wer die Kleber herstellen wollte, musste mit | |
Siegfried Christiansen von der OOA einen Vertrag machen. So sollte | |
verhindert werden, dass sich Personen an dem Motiv privat bereichern. | |
Gleichzeitig sollte es aber möglichst unkompliziert sein, das Emblem zu | |
verwenden. | |
taz: Die Aufkleber wurden damals allein in Deutschland hunderttausendfach | |
an den Büchertischen vertrieben, für eine Mark das Stück. Die Herstellung | |
kostete ein paar Pfennige. Sie hätten damit reich werden können. | |
Lund: Das wollte ich nicht. Ich hatte Arbeit als Volkswirtin bei einer | |
Fachhochschule. Das Geld sollte nach Möglichkeit bei den Initiativen gegen | |
Atomkraft bleiben. Zu 100 Prozent kontrollieren ließ sich das natürlich | |
nicht. | |
taz: Warum, glauben Sie, war das Motiv weltweit so erfolgreich? | |
Lund: Die Bewegung gegen Atomkraftwerke ist ja fast auf der ganzen Welt | |
aktiv oder doch zumindest in sehr vielen Ländern. Das Symbol vereint, es | |
schreckt nicht ab, viele Menschen fühlen sich damit wohl. | |
taz: Was hat es mit den Farben Gelb, Schwarz, Rot auf sich? | |
Lund: Gelb und Schwarz stehen für das Gefahrensymbol von Atomkraft. Durch | |
die Sonne in einem warmen Rot oder Orange wird die Gefahr in etwas | |
Positives umgewandelt. | |
taz: In Deutschland gab es seit Ende der 1970er Jahre Abwandlungen der | |
lachenden Sonne. Eine davon hebt die linke Faust, eine andere hat einen | |
Schraubenschlüssel in der Hand, bei wieder anderen ist das Gesicht mit | |
einem Tuch verdeckt. Hat Sie das gestört? | |
Lund: Ja, denn das war klar gegen unsere Absicht. Wir wollten kein Symbol | |
von Konfrontation. Die erhobene Faust zum Beispiel ist ein Symbol der | |
Arbeiterbewegung, ein Symbol der Linken also. Wir wollten aber politisch | |
nicht nach diesem Schema verortet werden, weder auf dem linken und schon | |
gar nicht auf dem rechten Flügel. Wir wollten überparteilich sein. | |
taz: Das Logo ist längst Teil der Popkultur, es wurde zigfach abgewandelt. | |
Lund: Wenn die lachende Sonne mit einem anderen Text benutzt wird, | |
untergräbt das die Integrität des Symbols und es schwächt die ursprüngliche | |
Aussage. Aus Sicht der Anti-Atomkraft- und der Umweltbewegung ist das also | |
keine gute Idee. Ich denke schon, dass viele Leute das Logo mit guten | |
Absichten für andere Zwecke nutzen, ohne sich dabei über die Wirkung des | |
Originalspruchs im Klaren zu sein. Wenn wir von solchen Fällen erfahren, | |
erklären wir, was auf dem Spiel steht. Meistens finden die Leute dann auch | |
andere Möglichkeiten, um ihre Botschaft zu transportieren. | |
taz: Atomkraft? Nein danke; Nuclear Power? No thanks; Nucleaire? Non merci: | |
Es soll mindestens 50 Übersetzungen des Spruchs geben. Haben Sie eine | |
Sammlung davon? | |
Lund: Ich glaube, es sind mittlerweile sogar mehr als 60 Sprachen. Ich habe | |
eine Sammlung, aber ich weiß natürlich nicht, ob sie komplett ist. Wir | |
hatten viele davon als Aufkleber. Einmal waren Kinder bei uns zu Besuch, | |
sie haben im Schlafzimmer gespielt. Sie waren ganz still. Als ich | |
nachgeschaut habe, waren sie damit beschäftigt, die Aufkleber in den | |
verschiedenen Sprachen nebeneinander auf die Tür zu kleben. | |
taz: Wie bewerten Sie die Bedeutung des Logos für die | |
Anti-Atomkraft-Bewegung insgesamt? | |
Lund: Das ist wohl von Land zu Land unterschiedlich, die Bewegung war ja | |
nicht überall so erfolgreich wie in Dänemark oder Deutschland. In Dänemark | |
wurde der Widerstand von allen Bevölkerungsschichten getragen, Dänemark ist | |
führend bei Windenergie und Energiesparen. Die lachende Sonne ist | |
vielleicht nicht der Grund, sondern Ausdruck des Erfolgs. | |
taz: Wie geht es Ihnen, wenn Sie das Logo nach 50 Jahren immer noch in der | |
Öffentlichkeit sehen? | |
Lund: Es ist ein sehr schönes Gefühl, ich freue mich dann. Vielen Menschen | |
ist es zusammen gelungen, etwas zu verändern. Als einzelne Person ist es | |
oft schwierig, etwas zu bewirken, aber zusammen kann man sehr viel | |
erreichen. | |
7 Apr 2025 | |
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