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# taz.de -- Razzia im Geheimdienst: Ungarn ließ offenbar EU-Beamte überwachen…
> Der ungarische Auslandsgeheimdienst ließ offenbar EU-Ermittler
> beobachten. Diese ermittelten wegen Geschäften von Orbáns Schwiegersohn.
Bild: Überwachungsvorwürfe: Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, häl…
Wien taz | Es klingt nach einem billigen Spionageroman: Im Sommer 2018 soll
es einen beispiellosen Machtkampf im ungarischen Auslandsgeheimdienst IH
gegeben haben, der in einer Razzia durch ungarische Sicherheitsbeamte
gipfelte. Im Zentrum stand die jahrelange Überwachung von EU-Beamten, die
gegen die ungarische Regierung ermittelt hatten. Der Fall wurde nun vom
ungarischen Investigativmedium [1][Direkt36] und der belgischen Zeitung
[2][De Tijd] aufgedeckt.
Der Konflikt begann demnach nach der [3][Parlamentswahl 2018]. Der mächtige
Minister János Lázár verlor die Kontrolle über den Auslandsgeheimdienst an
Außenminister Péter Szijjártó. Was als routinemäßige Überprüfung deklar…
wurde, entpuppte sich als gezielte Durchsuchungsaktion: Ein etwa
30-köpfiges Kommando verschiedener Sicherheitsbehörden besetzte wochenlang
die IH-Zentrale, durchforstete Archive und beschlagnahmte Computer, so der
Direkt36-Bericht.
Der Grund für die Razzia ist hochbrisant: Das Team suchte nach Beweisen für
die systematische Überwachung von EU-Ermittlern in den Jahren 2015 bis
2018. Unter Lázárs Führung hatte der Geheimdienst offenbar gezielt
Mitarbeiter der EU-Antibetrugsbehörde OLAF beschattet. Die Ermittler hatten
damals dubiose Ausschreibungen für öffentliche Beleuchtungsprojekte der
Firma Elios untersucht. Das Unternehmen gehörte István Tiborcz, dem
Schwiegersohn [4][von Premier Viktor Orbán].
Die OLAF-Ermittler wurden demnach bei vier Ungarn-Besuchen zwischen 2015
und 2017 nicht nur abgehört, sondern etwa auch im Auto verfolgt. Die
EU-Beamten bemerkten die Observation und spielten zeitweise Katz und Maus
mit ihren Verfolgern, wie es heißt.
## Überwachung blieb ohne Erfolg
Die gesuchten Dokumente fand das Durchsuchungskommando allerdings nicht.
Mutmaßlich weil diese Überwachungsoperationen in sogenannten „White Papers�…
außerhalb der regulären Akten vermerkt wurden.
Der Fall weist auf tiefe Gräben innerhalb der ungarischen Machtelite hin.
Obwohl die Razzia offiziell vom Außenministerium angeordnet wurde, kam der
Befehl wohl aus Orbáns engstem Kreis. Man wollte offenbar herausfinden,
welche Informationen der Geheimdienst unter Lázár über die Geschäfte der
Orbán-Familie gesammelt hatte.
Die ungarisch-belgische Recherche stützt sich auf zahlreiche Interviews mit
Geheimdienstquellen und Regierungspolitikern. Direkt36, 2015 als Zentrum
für Investigativjournalismus gegründet, hatte bereits 2021 aufgedeckt, dass
der ungarische Staat die umstrittene Pegasus-Spyware einsetzte. Damals
wurden Journalisten, Anwälte, Oppositionspolitiker und Beamte ausgespäht.
Die aktuellen Vorwürfe und die Razzia kamen nun erstmalig auf. Für alle
Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Orbáns Sprecher äußerte sich auf taz-Anfrage nicht zu den Berichten. Ob die
EU auch eigene Ermittlungen und Nachforschungen anstellen werde,
beantworteten weder OLAF noch Europäische Kommission, bei der OLAF
angesiedelt ist.
## Missbrauch von Geheimdiensten
Auch auf die Frage, ob die EU-Institutionen bereits vor den aktuellen
Medienberichten Kenntnis der Vorwürfe hatte, beantwortete man nicht. OLAF
verwies auf die Vertraulichkeit und betonte gegenüber der taz lediglich die
Wichtigkeit, „Untersuchungen zu Betrug, Korruption und anderen illegalen
Aktivitäten, die die finanziellen Interessen der EU beeinträchtigen,
ungehindert durchführen zu können“.
Klar ist: Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die zunehmende
Machtkonzentration unter Orbán und den Missbrauch von Geheimdiensten für
politische Zwecke. Dass mutmaßlich illegale Überwachungsaktionen ohne
Konsequenzen blieben, zeigt die Schwäche des ungarischen Rechtsstaats. Doch
auch von der EU würde man sich eine stärkere Reaktion erwarten.
11 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.direkt36.hu/en/english-eu-investigators-probing-orbans-son-in-l…
[2] https://www.tijd.be/politiek-economie/europa/algemeen/van-doorzochte-hotelk…
[3] /Parlamentswahl-in-Ungarn/!5496837
[4] /Viktor-Orban/!t5010201
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Ungarn
Viktor Orbán
Spionage
EU-Kommission
Machtmissbrauch
GNS
Maja T.
Ungarn
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