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# taz.de -- Nationalfeiertag in Ungarn: Orbán sieht Verschwörung aus Brüssel
> Beim Gedenken an den Volksaufstand 1956 setzte Ungarns Premier die EU mit
> Russland gleich. Grund dafür ist wohl Orbáns Herausforderer Petér Magyar.
Bild: Veranstaltung am Jahrestag des Volksaufstands in Ungarn 1956
Wien taz | In seiner Rede zum ungarischen Nationalfeiertag am 23. Oktober
griff Premier Viktor Orbán die Europäische Union heftig an. Die EU wolle
seine „Regierung stürzen und eine Marionettenregierung installieren“, sagte
Orbán vor Tausenden Anhänger:innen im Budapester Millenaris Park, ohne
Belege für diese Behauptungen vorzulegen. Gemeint ist damit wohl die
Tisza-Partei, die bereits in der EU-Wahl aus dem Stand fast 30 Prozent
erreicht hatte.
Eine aktuelle Umfrage sieht die Partei des [1][früheren Orbán-Getreuen
Péter Magyar] nun erstmalig in Führung – zumindest bei jenen, deren
Wahlentscheidung zum aktuellen Zeitpunkt schon feststeht. 42 Prozent dieser
Gruppe würden demnach bei den nächsten Parlamentswahlen Tisza wählen, 40
Prozent Orbáns Fidesz-Partei. Auch andere Umfragen belegen die Aufholjagd.
Bisher vermied Orbán es, über den neuen Herausforderer zu sprechen. Doch
die Nervosität in seinen Reihen scheint zu wachsen. Und so schürte er am
Mittwoch Angst, setzte die EU gar mit Russland gleich: „Beugen wir uns dem
ausländischen Willen, diesmal dem Willen Brüssels, oder widersetzen wir uns
ihm? Ich schlage vor, dass unsere Antwort so klar und eindeutig ist wie
1956“, sagte Orbán in Bezugnahme auf den [2][(erfolglosen) ungarischen
Aufstand] gegen die russische Fremdherrschaft.
## Orbán stellte sich wiederholt gegen EU-Sanktionen
Schon im Vorfeld der EU-Wahl hatte Orbán Angst vor einer Ausweitung des
Ukrainekriegs geschürt. In dieser Tonart ging es am Mittwoch weiter. „Die
Brüsseler Bürokraten haben den Westen in einen aussichtslosen Krieg
geführt“, sagte Orbán, der als treuester Verbündeter Putins in der EU gilt.
Unter Orbáns Führung hatte sich Ungarn wiederholt gegen die EU-Sanktionen
gegen Russland gestellt und die Ukraine aufgefordert, Teile ihres
Territoriums den russischen Besatzern zu überlassen. Den Widerspruch zur
von ihm heroisierten eigenen Widerstands-Geschichte blendet er offenbar
aus. Just am Anfang der ungarischen [3][Präsidentschaft flog Orbán neben
Kyjiw auch nach Moskau]. Die Reise war nicht mit den anderen EU-Spitzen
koordiniert und ein bewusster Affront – zudem erfolglos.
Wie schon im EU-Wahlkampf schürte der ungarische Premier nun wieder Angst.
Die Ungarn würden „eines Morgens aufwachen und feststellen, dass wieder
slawische Soldaten aus dem Osten auf ungarischem Territorium stationiert
sind“, sagt Orbán. „Das wollen wir nicht, aber der Druck aus Brüssel wird
von Tag zu Tag stärker.“ Auch gegen andere Gruppen wie Migranten und
„Gender-Aktivisten“ hetzte er.
## Ideologisch keine großen Unterschiede
Zuletzt geriet die ungarische Regierung immer stärker unter Druck, auch
wegen der katastrophalen Wirtschaftslage. Seit dem Skandal um eine
umstrittene Amnestie in einem Pädophiliefall entlädt sich immer mehr Unmut
über die Klüngelei der Regierung. Im Zuge der damaligen Aufbruchsstimmung
stellte sich rasch Péter Magyar, einst enger Mitarbeiter Orbáns, an die
Spitze der Proteste. Er verspricht, die Regierungskorruption zu beenden und
die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen.
Ideologisch dürfte er sich nicht allzu sehr von Orbán unterscheiden. Auch
er sieht die Unterstützung der Ukraine skeptisch, auch er will die
Migration in die Schranken weisen. Darüber spricht er aber weniger gern und
bleibt oft bewusst allgemein. Auch diese Unbestimmtheit in vielen Details
verhilft ihm zum aktuellen Höhenflug. Ob dieser bis zur nächsten
Parlamentswahl anhält, ist aber noch offen. Diese soll planmäßig erst in
anderthalb Jahren stattfinden.
Einstweilen aber schafft es Magyar, seine Anhängerschaft bei Laune zu
halten. Zu seiner eigenen Rede zum Nationalfeiertag andernorts in Budapest,
kamen mehr als 10.000 Unterstützer:innen. „Orbán hat keine Befugnis, das
Erbe von 1956 zu betrügen“, sagte er da. „Und er hat keine Befugnis,
russischen Interessen zu dienen.“
24 Oct 2024
## LINKS
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[3] /-Nachrichten-aus-dem-Ukrainekrieg-/!6021725
## AUTOREN
Florian Bayer
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