# taz.de -- Orbán und Schröder in Wien: Gäste zum Gruseln | |
> In Wien plauderte Ungarns Premier Viktor Orbán mit Altkanzler Gerhard | |
> Schröder über „Frieden in Europa.“ Der Erkenntnisgewinn blieb mager. | |
Bild: Friedensfreunde unter sich: Gerhard Schröder (l.) und Viktor Orbán (r.)… | |
Wien taz | Wien galt einmal als gutes Pflaster für Diplomatie: Vom Wiener | |
Kongress 1815 über Abrüstung im Kalten Krieg bis hin zum Iran-Atomabkommen | |
2015. Zudem ist Österreich neutral – in einer recht österreichischen, | |
wirtschaftsfreundlichen Auslegung jedenfalls. Die Drähte nach Moskau sind | |
nach wie vor besser als anderswo. | |
Vielleicht waren das die Gründe, warum die rechte Schweizerische Weltwoche | |
ausgerechnet hier zur Debatte mit Ungarns Premier Viktor Orbán und dem | |
deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder lud. Thema der Veranstaltung am | |
Halloween-Tag war „Frieden in Europa“, wobei insbesondere Orbán keinen | |
Zweifel daran ließ, dass er damit die Unterordnung der Ukraine unter die | |
russischen Interessen verstand. Putin verstehe nur die Sprache der Macht, | |
anders als die Europäer. | |
Dass alle bisherigen Friedensbemühungen erfolglos blieben, liege laut Orbán | |
an der fehlenden Unterstützung der anderen EU-Staaten, „die weiter Krieg | |
führen wollen“. Und das, „obwohl der schon verloren ist“. Nur minimal | |
differenzierter argumentierte Gerhard Schröder. Der Krieg sei nicht zu | |
gewinnen, weder von Russland, noch von der Ukraine. | |
Schröder erinnerte an seine eigenen Vermittlungsbemühungen, [1][konkret | |
seine Reise zu Putin im März 2022]. Sie war nicht mit der Bundesregierung | |
abgestimmt und blieb, wie alle anderen Vermittlungsversuche, erfolglos. | |
## Konkrete Aussagen fehlen | |
Schröder und Orbán vermieden während der anderthalbstündigen Debatte | |
Konkretes. Wie soll ein Frieden mit Russland aussehen? Wie viel Territorium | |
muss die Ukraine, souveräner Staat seit 1991, an den Aggressor abtreten? | |
Wie viele Millionen Ukrainer*innen sollen fortan unter russischer | |
Besatzung leben? All diese Fragen wurden nicht einmal touchiert. | |
Stattdessen ging es vor allem um die Friedensbemühungen Orbáns. Der habe | |
lang überlegt, wie er die EU-Ratspräsidentschaft seines Landes anlegen | |
solle. „Im Sinne der Brüsseler Bürokraten, dass also Kapitel für Kapitel | |
abgearbeitet wird, aber im Grunde alles bleibt wie es ist? Oder sollte man | |
sich nicht doch für einen Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand | |
einsetzen?“, sagte Orbán. | |
## Donald Trump als Hoffnungsträger | |
Seine Entscheidung ist bekannt. Seit Beginn der Ratspräsidentschaft im Juli | |
fällt Orbán durch erratische Alleingänge auf. Seine Reisen [2][erst zum | |
ukrainischen, dann zum russischen Präsidenten] zum Beispiel – nicht mit dem | |
Rest der EU koordiniert. Oder die Reise zu Donald Trump nach Mar-A-Lago. | |
Denn einzig die USA würden auch die Sprache der Macht wie Russland | |
verstehen, sagte Orbán. | |
Seine größte Hoffnung auf Frieden sei demnach ein Präsident Trump. Auch | |
Schröder lobte, durchaus überraschend, den republikanischen Kandidaten als | |
„denjenigen, der einen Beitrag zum Ende der Kämpfe leisten will“. | |
## Kein Widerspruch, keine Fragen zugelassen | |
Zum Thema Russland gab sich der Ex-Kanzler schaumgebremster als in der | |
Vergangenheit. Über Putins wahre Ambitionen wolle er nicht mutmaßen, „ich | |
bin kein Psychologe“. Zumindest eine Teilschuld für den Krieg schob er der | |
Ukraine zu, die habe schließlich Russisch als Amtssprache abgeschafft. | |
Ukrainisch ist in der Ukraine zwar seit der staatlichen Unabhängigkeit 1991 | |
alleinige Amtssprache. In einigen Teilen des Landes im Osten und Süden | |
konnte Russisch jedoch zwischen 2012 und 2019 zur regionalen Amtssprache | |
erhoben werden. Das gilt jetzt nicht mehr. | |
Widerspruch gab es ohnehin nie, auch Fragen waren nicht zugelassen. Schon | |
am Vortag hatte Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel, der die Debatte | |
moderierte, sich in den ORF-Nachrichten für Trump ausgesprochen – und recht | |
unwidersprochen erklärt, warum die Sorgen um die Demokratie aufgebauscht | |
seien. | |
Mehrmals schwenkte Orbán zum Thema Migration, die es einzudämmen gelte. Er | |
verwies auf „Millionen getötete Christen, die den Kriegen des 20. | |
Jahrhunderts zum Opfer fielen.“ Den 500 Zuhörern, vom russischen | |
Botschafter bis hin zu FPÖ-Politikern, gefiel der gefällige Plausch. Immer | |
wieder brandete Applaus auf. | |
## Vom FPÖ-Parlamentspräsidenten hofiert | |
Einige Stunden zuvor rollte schon [3][Österreichs neuer Parlamentspräsident | |
Walter Rosenkranz] von der rechtsradikalen FPÖ dem ungarischen Premier den | |
roten Teppich aus. Rosenkranz, kaum eine Woche im Amt, müsste sein Amt | |
überparteilich ausüben, davon war aber nichts zu merken. | |
Anders als üblich wurden weder Rosenkranz' Stellvertreter, noch | |
Politiker*innen anderer Fraktionen eingeladen. Stattdessen an seiner | |
Seite: FPÖ-Chef Herbert Kickl sowie andere Parteigranden. Seit jeher macht | |
die Partei keinen Hehl daraus, dass sie für Österreich einen illiberalen | |
Kurs wie in Ungarn anstrebt. Seit kurzem sitzen FPÖ und Orbáns | |
Fidesz-Partei auch zusammen in der neuen Fraktion „Patrioten für Europa“ im | |
EU-Parlament. | |
## „Wiener Erklärung“ gegen LGBTQ und Migration | |
Orbán und Kickl unterzeichneten bei diesem Anlass eine „Wiener Erklärung“. | |
Man sei dagegen, „dass es neben Frau und Mann noch eine absurde Vielzahl | |
anderer Geschlechter geben soll“, heißt es in dem dünnen Papier etwa. Auch | |
sollen „illegale Migration sowie Missbrauch von Asyl, muss mit allen | |
Mitteln der Rechtsstaatlichkeit bekämpft werden“. Dass Orbáns Regierung | |
selbst seit Jahren systematisch gegen das Asylrecht verstößt, etwa durch | |
Pushbacks und automatische Ablehnung von Asylanträgen, kam freilich nicht | |
zur Sprache. | |
Auch im Parlament stellten sich Orbán und Kickl keinen Fragen, einzig einen | |
Fototermin gab es. Im Hintergrund wehten die österreichische und die | |
ungarische Fahne. Die europäische fehlte. | |
1 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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