# taz.de -- Klimaschädliche Subventionen: Das Geld liegt auf der Straße | |
> Die Ampelkoalition wollte klimaschädliche Subventionen eigentlich | |
> abbauen. Insbesondere im Verkehrssektor gibt es viel Potenzial. Doch die | |
> FDP bremst. | |
Am 28. März 2023 um 12 Uhr treten der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, sein | |
FDP-Kollege Christian Lindner und Ricarda Lang, Grünen-Chefin, schließlich | |
vor die Presse. Insgesamt 30 Stunden haben sie im Koalitionsausschuss über | |
das neue „Deutschlandtempo“ debattiert. Auch der Klimaschutz steht im | |
Fokus. Denn zum zweiten Mal in Folge bricht der Verkehrsminister von der | |
FDP, Volker Wissing, die Sektorenziele. Die Umweltverbände erhoffen sich | |
daher von den Ampel-Spitzen endlich den großen Wurf, um die CO2-Lücke im | |
Verkehrssektor zu schließen. | |
Auf der Pressekonferenz übt man sich in Zuversicht und Harmonie. „Wir sind | |
hochzufrieden“, leitet ein sichtlich erschöpfter Klingbeil ein. „Man | |
schweigt sich auseinander und man diskutiert sich zusammen“, beschreibt | |
Lindner die Atmosphäre. Raus aus dem Krisenmodus der letzten Jahre, rein | |
ins Gestalten – unter diesem Eindruck verkaufen SPD und FDP die neue | |
Arbeitsweise jetzt den Journalist:innen. | |
Doch die Grüne Lang schlägt kritischere Töne an. „Das waren auf keinen Fall | |
einfache Verhandlungen“, formuliert sie. Gerade beim Autobahnbau habe man | |
es sich nicht leicht gemacht. 139 Autobahnprojekte will die Ampel künftig | |
prioritär vorantreiben; die Koalition sieht ein „überragendes öffentliches | |
Interesse“. Doch dafür, sagt Lang um Zuversicht bemüht, könne man immerhin | |
Folgendes verkünden: „Wir verbinden Klimaschutz mit Straßenbau.“ Man star… | |
eine echte „Solarausbauoffensive“. Konkret heißt das: Kein Kilometer | |
Autobahnbau mehr, ohne einen gleichzeitigen Ausbau von erneuerbaren | |
Energien, gibt sich Lang kämpferisch. Als Lang fertig ist mit Reden, | |
verkündet Lindner die Aufweichung der Klimaziele. | |
Was die Grünen im Frühjahr als Erfolg verkaufen wollten, ist für die | |
Umweltverbände denn auch eine herbe Enttäuschung. Ausgerechnet Wissing, | |
dessen Zuständigkeitsbereich, der Verkehrssektor, Schlusslicht ist beim | |
Klimaschutz – ausgerechnet Wissing werde aus der Verantwortung entlassen, | |
resümiert die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Von einem | |
„Frontal-Angriff auf den Klimaschutz“ spricht der World Wildlife Fund | |
(WWF). Und die Denkfabrik Agora Verkehrswende spricht von einer vergebenen | |
Chance beim Klimaschutz im Verkehr. | |
Denn erneut wird der Elefant im Raum nicht adressiert. Es geht um den Abbau | |
klimaschädlicher Subventionen, der für das Gelingen der Verkehrswende laut | |
Expert:innen aber unvermeidbar ist. Zwar hätten die Grünen jede einzelne | |
umweltschädliche Subvention aus dem Verkehrssektor bei den Verhandlungen | |
auf den Tisch gelegt, so heißt es zumindest aus parteiinternen Kreisen. | |
Doch SPD und FDP hätten nichts davon wissen wollen, obwohl es der Abbau | |
umweltschädlicher Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sogar als | |
gemeinsames Ziel in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Konkret heißt es | |
dort: „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass | |
wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche | |
Subventionen und Ausgaben abbauen.“ Ein vielversprechender Satz. Das Ende | |
an Zuwendungen und Steuergeschenken an die fossile Industrie schien | |
gekommen. | |
Denn das Gesamtvolumen dieser Subventionen ist enorm. 65 Milliarden Euro, | |
diese Zahl geistert immer wieder durchs politische Berlin. Sie fällt in | |
Bundestagsdebatten und findet sich in Leitartikeln. 65 Milliarden Euro, mit | |
so viel Geld soll der deutsche Staat umweltschädliche Technologien, | |
Energien und Praktiken fördern. 2018 hatte Deutschlands höchste | |
Umweltbehörde, das Umweltbundesamt, in einer vielbeachteten Studie diese | |
Summe ermittelt. Mit Blick auf das Pariser Abkommen, das die Erderwärmung | |
bis 2030 auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter | |
begrenzen will, und auch mit Blick auf die nationalen Klimaziele scheint | |
dies immer absurder. | |
Wissings Verkehrssektor ist nach dem Energiesektor der zweitgrößte | |
Empfänger dieser Subventionen. Laut Umweltbundesamt sind das jährlich über | |
30 Milliarden Euro – vor allem für den Autoverkehr. Mit dem Dieselprivileg, | |
dem Dienstwagenprivileg und der Pendlerpauschale gibt es fürs Auto gleich | |
drei Förderinstrumente, bei denen es großen Reformbedarf gibt. | |
Das Dieselprivileg ist der ermäßigte Steuersatz auf Diesel im Vergleich zu | |
Benzin. Das Dienstwagenprivileg beschreibt die pauschale Besteuerung privat | |
genutzter Firmenwagen. Und mit der Pendlerpauschale können | |
Arbeitnehmer:innen ihren Weg zur Arbeitsstätte steuerlich absetzen. | |
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass alle drei Steuerregeln einen Anreiz | |
bieten, oft und weit mit spritfressenden Autos zu fahren. | |
Erst vergangene Woche hatte das [1][Berliner Oberverwaltungsgericht einer | |
Klage von Umweltverbänden stattgegeben], die der Koalition zu wenig | |
Anstrengungen beim Klimaschutz vorwerfen. Unter anderem die Deutsche | |
Umwelthilfe und der BUND hatten beklagt, dass sowohl im Verkehrs- als auch | |
im Bausektor 2021 die Klimaziele verfehlt wurden, die sich die | |
Ampelkoalition selbst [2][im Klimaschutzgesetz auferlegt hatte] – und | |
darauf dann aber nicht, wie es das Gesetz eigentlich verlangt, mit | |
entsprechenden „Sofortprogrammen“ für diese Sektoren reagiert hat. | |
Stattdessen arbeitet die Regierung daran, mit einer Reform des | |
Klimaschutzgesetzes die Sektorenziele ganz abzuschaffen. | |
Forderungen nach einem Ende der Steuervergünstigungen für | |
Autofahrer:innen gibt es schon lange. Schon 1995 forderte die damalige | |
PDS, die Pendlerpauschale ökologisch zu reformieren. Zwischen 2010 und 2018 | |
schrieben die Grünen gleich vier Anträge, um Diesel- und | |
Dienstwagenbesteuerung stärker auf das Ziel einer CO2-Reduktion | |
auszurichten. Die Regierungsfraktionen lehnten das ab. CDU und FDP und auch | |
die Große Koalition sahen auch sonst keine Notwendigkeit, die | |
jahrzehntelange Steuerpraktiken selber zu korrigieren. | |
Dann änderte sich die Lage. Die Grünen gehörten 2021 plötzlich der | |
selbsternannten „Fortschrittskoalition“ an, die den Reformstau vergangener | |
Tage angehen wollte. Die Hoffnung bestand, dass nach der Ära der | |
CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer im Verkehr das | |
automobile Paradigma durchbrochen werden könnte. Dazu gehörte auch, | |
jahrzehntelange Steuerprivilegien auf den Prüfstand zu stellen. | |
Doch nach zwei Jahren Ampel fällt die Fortschrittsbilanz ernüchternd aus. | |
Bisher wurde im Verkehrssektor – nach heftiger Kritik der Umweltverbände – | |
nur der „Umweltbonus“ für Hybrid-Fahrzeuge und die Steuervergünstigung auf | |
Diesel für Schiffe im Hafen, der „Hafendiesel“, gestrichen. Zahlreiche | |
kleine wie große Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für den Flugverkehr | |
gelten weiter. Diesel- und Dienstwagenprivileg, für deren Ende sich die | |
Grünen in ihrem Wahlprogramm noch ausgesprochen hatten, blieben | |
unangetastet. Die Pendlerpauschale wurde gar von 35 auf 38 Cent pro | |
Kilometer angehoben. Wie kann das sein? | |
Es ist nicht so, dass die Grünen es nicht versuchen würden. Mehrfach | |
wollten sie die Koalitionspartner für den Subventionsabbau gewinnen. Den | |
ersten Anlass dazu gab es im Sommer 2022, als die Ampel die Finanzierung | |
über einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket verhandelte. „Finanziert werden | |
kann ein solches ÖPNV-Ticket durch den Abbau des sogenannten | |
Dienstwagenprivilegs“, sagte die Grüne Fraktionsvorsitzende Katharina | |
Dröge. Sie schlug vor, die Pauschalbesteuerung zwar nicht zu streichen, | |
jedoch stärker als bisher an den CO2-Ausstoß zu koppeln. | |
Einen Kompromiss braucht es, weil die Koalitionspartner SPD und FDP wenig | |
Begeisterung für den Vorschlag der Grünen übrig hatten. Vor allem die FDP | |
stellte klar, dass sie eine Reform der Dienstwagenbesteuerung nicht | |
mittragen würde. Öffentlicher Druck sollte den bockigen Koalitionspartner | |
FDP überzeugen. Ohne Erfolg. Der Nachfolger für das 9-Euro-Ticket kam, das | |
49-Euro-Deutschlandticket kam, die Subventionen blieben. | |
Ein weiterer Anlass bot sich während der Haushaltsplanungen für 2024. | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) persönlich hatte den auf die | |
Schuldenbremse pochenden Finanzminister Christian Lindner in einem | |
Offenen-Brief-Schlagabtausch zum Abbau umweltschädlicher Subventionen | |
gedrängt. Und auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge forderte erneut | |
eine Reform: „Es gibt Spielräume in Milliardenhöhe“, sagte sie mit Verweis | |
auf die Dienstwagenbesteuerung, die Pendlerpauschale und den Flugverkehr | |
und sprach von einer „Win-win-Situation“. Schließlich könne man so sowohl | |
den Bundeshaushalt entlasten als auch etwas für den Klimaschutz tun. | |
Doch Dröges Argumente verfingen nicht. Als im Juli 2023 Lindners | |
Ministerium den neuen Haushaltsentwurf veröffentlichte, blieben weiterhin | |
alle Subventionen für den Verkehr unangetastet, und Wissing erhielt mit | |
einem Plus von 8,8 Prozent die höchste Budgeterhöhung aller Ministerien. | |
Allerdings hat inzwischen das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgericht | |
die Karten neu gemischt: Die Richter:innen hatten moniert, dass die | |
Ampel zu Unrecht Gelder aus dem Corona-Notlagentopf in den Klima- und | |
Transformationsfonds, kurz KTF, umgewidmet hatte. Plötzlich klaffte im | |
Haushalt ein 60-Milliarden-Euro-Loch – und während sich Lindner für das | |
Jahr 2023 nochmal bewegen ließ, die Schuldenbremse notlagenmäßig | |
auszusetzen, soll das nun für das kommende Jahr auf keinen Fall mehr drin | |
sein. Also muss gespart werden – die FDP will das bei Sozialausgaben tun, | |
die Grünen brachten am Mittwoch indes nochmal das Dienstwagenprivileg ins | |
Spiel. | |
Das grundsätzliche Dilemma bei dieser Sache ist: Wie kann ich jemanden vom | |
Abbau von Subventionen überzeugen, wenn die Gegenseite verneint, dass es | |
sich überhaupt um Subventionen handelt? | |
Grüne und Linke sagen, das Dienstwagenprivileg sei eine klimaschädliche | |
Steuervergünstigung. Unterstützt werden sie dabei von wissenschaftlichen | |
Thinktanks wie Agora Verkehrswende, dem Öko-Institut, dem Forum | |
Ökologische-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und dem Umweltbundesamt. Eine | |
Steuervereinfachung nennt es hingegen die FDP und verweist ihrerseits auf | |
Gerichtsurteile, in denen die Rechtmäßigkeit von Steuervereinfachung | |
bestätigt wurden. | |
Der Kern des Streits ist oft die 1-Prozent-Regel. Sie besagt: | |
Arbeitnehmer:innen müssen pauschal ein Prozent vom Bruttolistenpreis | |
ihres Dienstfahrzeugs monatlich versteuern. Doch ist ein Prozent zu wenig | |
im Vergleich zu privat gekauften Fahrzeugen? | |
Diese Frage ist bis heute nicht abschließend geklärt. „Tatsächlich hängt | |
die Berechnung von schwer zu ermittelnden Annahmen, wie zum | |
durchschnittlichen Fahrzeugpreis, der Fahrleistung oder der Nutzungsdauer, | |
ab“, sagt Matthias Runkel, Leiter für Verkehrs- und Finanzpolitik beim FÖS. | |
Das FÖS beziffert bei der derzeitigen Regel eine klimaschädliche Subvention | |
in Höhe von 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro und sieht das jährliche | |
CO2-Einsparpotenzial bei 1,9 bis 5,8 Millionen Tonnen CO2. Das ist in etwa | |
so viel wie ein Tempolimit auf Autobahnen einsparen würde – was die FDP | |
ebenfalls vehement ablehnt. | |
Ganz anders sieht es die Autoindustrie. Die Regelung habe „keinen | |
subventionierenden Charakter“, sagt der Verband der Deutschen | |
Automobilindustrie (VDA) und schlussfolgert: „Es handelt sich daher auch | |
nicht um eine Privilegierung.“ Der Verband verweist zudem auf die | |
förderliche Absatzwirkung von E-Dienstwagen, die seit 2020 bis zu einem | |
Wert von 60.000 Euro sogar mit einem ermäßigten Pauschalbetrag von 0,25 | |
Prozent besteuert werden. | |
Die Logik der FDP ist also die folgende: Da es sich beim Diesel- und | |
Dienstwagenprivileg und der Pendlerpauschale um Steuerfragen handelt, würde | |
sich jede ökologische Korrektur negativ auf die Steuerlast der | |
Arbeitnehmer:innen auswirken. Eine Angleichung der Dieselsteuer auf | |
das Benzinniveau bedeutet eine Steuererhöhung für Dieselfahrer:innen. Eine | |
Anhebung der Dienstwagenpauschale von ein auf zwei Prozent führt zu einer | |
Steuererhöhung für Käufer:innen von Dienstwagen. Eine Abschaffung der | |
Pendlerpauschale ist eine Steuererhöhung für Vielpendler:innen. | |
„Subventionsabbau darf nicht zu einer Steuererhöhung für die arbeitende | |
Mitte werden“, so Lindners Devise. | |
Tag der offenen Tür im Finanzministerium, August 2022. Christian Lindner | |
steht im weißen Hemd und mit hochgekrempelten Ärmeln in einem Festzelt und | |
spricht zu einer Besuchergruppe. „Das Wort Dienstwagenprivileg ist bereits | |
ein linkes Framing“, beklagt er. Einzelne lachen und applaudieren. | |
Auch für die Pendlerpauschale hat Lindner an diesem heißen Augusttag nicht | |
viel übrig. Es sei lediglich eine steuerliche Berücksichtigung, um der | |
eigenen Arbeit nachzugehen. Denn schließlich bekomme jeder diese Pauschale, | |
unabhängig davon, ob er mit dem Auto, dem Fahrrad oder „per Pedes“ ins Bü… | |
gelange. Es handele sich dabei also nicht per se um eine „unökologische | |
Steuerförderung“, sondern vielmehr um ein „populäres Missverständnis“. | |
Was Lindner verschweigt: In der Praxis profitieren vor allem autofahrende | |
Pendler:innen davon. Ein 20 Kilometer langer Arbeitsweg lässt sich eben | |
bequemer mit dem Auto zurücklegen als mit dem Fahrrad. | |
Ähnlich verhält sich die Partei beim sogenannten Dieselprivileg. Während | |
Benzin mit 65 Cent pro Liter besteuert wird, sind es beim Diesel nur 47 | |
Cent. Dies wurde einst eingeführt, um dem gewerblichen Lkw-Verkehr | |
gegenüber der ausländischen Konkurrenz einen Vorteil zu verschaffen. Doch | |
mit dem Boom des Dieselmotors im Pkw-Bereich profitieren alle privaten | |
Dieselfahrer:innen vom vergünstigten Steuersatz. Laut Umweltbundesamt | |
entgehen dem Staat somit Einnahmen von 8,2 Milliarden Euro. Doch für | |
Lindner ist die Sache klar: Das Dieselprivileg sei gar kein Privileg, da | |
die Kfz-Steuer für ein Dieselfahrzeug wiederum höher sei als bei einem | |
Benziner. | |
„Das ist zwar richtig“, sagt Runkel vom FÖS, entgegnet aber: „Die höhere | |
Kfz-Steuer auf das Auto ist keine angemessene Kompensation für die | |
niedrigere Energiesteuer auf den Kraftstoff. Das bestraft geringe | |
Fahrleistungen und belohnt hohe.“ Und da Diesel-Pkws vor allem von | |
Vielfahrer:innen genutzt werden, überwiege eigentlich immer der Vorteil | |
bei der Energiesteuer, so Runkel. | |
In Deutschland ist im Gegensatz zu anderen Ländern nicht einheitlich | |
definiert, was eine Subvention ist. Auch die Forschung konnte sich bislang | |
nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. „Jede Definition, jede | |
Erweiterung oder Einschränkung des Subventionsbegriffs ist letztlich mit | |
methodischen und normativen Problemen verbunden“, schreibt das | |
Umweltbundesamt. Die gewählte Definition hängt also davon ab, welches Ziel | |
man verfolgt. | |
Während das Bundesamt einen „weiten Subventionsbegriff“ verwendet, um | |
möglichst alle direkten und indirekten Staatshilfen zu erfassen, nutzt das | |
Bundesfinanzministerium in seinen Subventionsberichten eine deutlich engere | |
Definition. Dies führt dazu, dass das Bundesamt das Diesel- und | |
Dienstwagenprivileg sowie die Pendlerpauschale als „umweltschädliche | |
Subvention“ mit 17,3 Milliarden Euro beziffert – die im Finanzministerium | |
jedoch überhaupt nicht auftauchen. | |
Insgesamt stehen im letzten Subventionsbericht von Lindners Ministerium 21 | |
der 35 vom Bundesamt gelisteten Steuervergünstigungen gar nicht drin. | |
Dementsprechend veranschlagt das Bundesamt für 2021 65,4 Milliarden Euro | |
Subventionen – das Ministerium nur 5,7 Milliarden. | |
Neben dieser methodischen Uneinigkeit ist ein weiteres Problem, dass | |
Deutschland die Aktualisierung der Subventionsberichte nicht mit den | |
jährlichen Haushaltsdebatten abstimmt. Die meisten Länder, die | |
Steuervergünstigungen transparent machen, legen ihre Subventionsberichte | |
jährlich vor, Deutschland hingegen nur alle zwei Jahre. Damit fehlt den | |
Parlamentarier:innen im Bundestag im Zuge der jährlichen | |
Haushaltsdebatten oftmals der aktuelle Stand der deutschen | |
Subventionspolitik. Diese lückenhafte Berichterstattung wurde wiederholt | |
vom Bundesrechnungshof gerügt. | |
Die Ampel hat es verpasst, die bestehende Unklarheit beim Thema | |
Subventionen in ihrem Koalitionsvertrag aufzulösen. Das Dokument lässt | |
offen, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage man den Abbau von | |
umweltschädlichen Subventionen vorantreiben will. Die Grünen beziehen sich | |
auf die Studie des Umweltbundesamts und nehmen als Grundlage den weiten | |
Subventionsbegriff. Lindner ignoriert wiederum die Ergebnisse der höchsten | |
Umweltbehörde und führt seine eigene Statistik vor. So gibt es immer wieder | |
Streit, bei dem vor allem die Grünen oft das Nachsehen haben. | |
„Um solche Fragen sauber zu klären, hätte ein klarer Definitionsbegriff im | |
Koalitionsvertrag geholfen“, sagt deshalb Stefan Gelbhaar, | |
verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. „Denn während die Grünen vom | |
Dienstwagenprivileg sprechen, tun dann einige so, als wüssten sie gar | |
nicht, um was es geht.“ | |
Doch die FDP lehnt die Reform umweltschädlicher Subventionen im | |
Verkehrssektor auch aus parteipolitischen Gründen ab. „Die FDP blockiert, | |
weil sie sonst einen ihrer ideologischen Grundsätze hinterfragen müsste“, | |
sagt Gelbhaar, der die Argumentation der FDP im Verkehrsausschuss bestens | |
kennt. „Dieser Grundsatz heißt: keine Steuererhöhungen.“ | |
In der Tat hat Lindner das vor der Wahl zu seiner roten Linie erklärt und | |
zur Bedingung für den Eintritt in die Ampelkoalition gemacht. Das blockiert | |
aktuell auch eine Einigung über den Haushalt 2024 – soll der noch vor | |
Weihnachten beschlossen werden, muss das Kabinett sich eigentlich noch | |
diese Woche über eine Beschlussvorlage für das Parlament einigen. Ein | |
Regierungssprecher gab sich immerhin am Mittwoch optimistisch. | |
Doch auch wenn die Ampel zu einem gemeinsamen Etatentwurf findet: Ob die | |
FDP ihre Blockade bis zum Ende der Wahlperiode aufrechterhalten kann, | |
bleibt fraglich. Der Druck auf Volker Wissing könnte angesichts seiner | |
desaströsen Klimapolitik zunehmen – zumindest außerparlamentarisch: „Mit | |
dem Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehr lassen sich schnell und | |
effektiv Emissionen einsparen“, werden Leute wie Runkel nicht müde zu | |
betonen. | |
Verkehrsminister Wissing wird sehr wahrscheinlich auch dieses und nächstes | |
Jahr seine Sektorziele verfehlen. | |
7 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ingwar Perowanowitsch | |
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