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# taz.de -- Parteitag der SPD und Haushaltskrise: „Ich erwarte SPD pur“
> Der Haushalt für 2024 kann wohl doch nicht mehr in diesem Jahr
> verabschiedet werden. Das überschattet auch den Parteitag der SPD.
Bild: Laut Lindner fehlen 17 Milliarden Euro in dem 450 Milliarden schweren Etat
Berlin taz | Was viele befürchtet haben, wird nun zur Gewissheit: Der
Haushalt für 2024 [1][kann in diesem Jahr nicht mehr verabschiedet werden.]
Das geht aus einer Nachricht der Parlamentarischen Geschäftsführerin der
SPD-Fraktion Katja Mast an die Abgeordneten hervor, die auch der taz
vorliegt. „Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der
Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig beschlossen werden“,
schreibt Mast. Sie beruhigt jedoch: „Olaf ist aber zuversichtlich, dass in
den kommenden Tagen ein Ergebnis erzielt werden kann.“
Ein Sprecher der Fraktion sagte, es bleibe das Ziel der SPD, dass in diesem
Jahr noch eine politische Einigung erzielt werde und der Haushaltsausschuss
den Haushalt in einer zweiten Bereinigungssitzung beschließe. Dann könne
der Bundestag zeitnah im kommenden Jahr den Haushalt für 2024 abschließend
beraten und beschließen.
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erklärte
gegenüber der taz: „Das ist keine gute Nachricht. Für die Industrie, für
die Wirtschaft und für alle anderen bedeutet das, dass die Unklarheit
weiter geht.“ Ihr dringender Appell an die Bundesregierung sei, so schnell
wie möglich Klarheit herzustellen. „Damit die notwendigen Investitionen
getätigt werden können, aber auch, damit für die Beschäftigten in den
Unternehmen klar ist, wie es weitergeht.“
Wenn zu Jahresbeginn kein neuer Haushalt vorliegt, gilt die vorläufige
Haushaltsführung. Das heißt, die Bundesregierung darf nach Artikel 111
Grundgesetz nötige Ausgaben tätigen, um den Betrieb von Bundesbehörden
aufrechtzuerhalten, bereits beschlossene Bauvorhaben und Beschaffungen
fortzuführen und bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Dies bedeutet
auch, dass etwa Sozialleistungen wie Elterngeld oder Arbeitslosengeld
weiter gezahlt werden können.
## Wie kann die Haushaltslücke gestopft werden?
Erst in Planung befindliche Maßnahmen dürfen hingegen in der Regel nicht
begonnen werden. Nur „im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren
Bedürfnisses“ darf es nach Artikel 112 Ausnahmen geben. Über diese
entscheidet der Bundesfinanzminister.
Seit Tagen tüfteln Kanzler Olaf Scholz, SPD, der grüne Wirtschaftsminister
Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner, FDP, wie [2][die im
Haushalt klaffende Lücke] gestopft werden kann. Laut Lindner fehlen 17
Milliarden Euro in dem 450 Milliarden schweren Etat. Die FDP hatte im
Vorfeld [3][Kürzungen im Sozialen gefordert], was die SPD – bislang –
strikt ablehnte. Die Lücke im Haushalt war entstanden, weil das
Bundesverfassungsgericht Mitte November einen großen Teil der für
Transformation und Klimaschutz reservierten Kredite im Klimafonds für nicht
verfassungskonform erklärt hatte. Der Finanzminister löschte daraufhin 60
Milliarden Euro an Krediten, was die Finanzierung wichtiger Projekte
gefährdet.
In seiner Regierungserklärung hatte Scholz in der vergangenen Woche betont,
die Modernisierung des Landes werde weitergehen, auch die nötigen
Investitionen würden getätigt. Außerdem versprach er, dass nicht am
sozialen Zusammenhalt gespart werde, etwa bei Kindergeld, Bafög oder
Wohngeld.
Der Kanzler bekommt auch Druck aus seiner eigenen Partei. Freitag bis
Sonntag trifft sich die SPD zum ersten Mal seit 2019 wieder zum
Präsenzparteitag. Die Rede des Kanzlers steht am Samstag um 10:00 Uhr auf
der Tagesordnung, danach ist der Punkt „Aussprache“ dran. Die Erwartungen
an Scholz’ Rede sind inmitten von Haushaltsstreit und Umfragetief enorm
hoch. „Ich erwarte von Olaf Scholz SPD pur“, sagt die Sprecherin der
Parteilinken Wiebke Esdar gegenüber der taz. Und Kevin Kühnert nennt es
einen „ganz wichtigen Moment, dass der sozialdemokratische Kanzler vor
roter SPD-Wand über sozialdemokratische Politik spricht.“
Doch ob Scholz wirklich SPD pur liefern kann, hängt auch davon ab, wie er
sich vor allem mit Lindner einigen kann. Ohnehin ist die Stimmung in der
Partei angespannt. Die Sozialdemokraten sind im Umfragetief, zuletzt ging
die Wahl in Hessen krachend verloren. Dass die SPD sich dort in eine
Koalition mit der CDU retten konnte, verdankt sie auch massiven
Zugeständnissen bei der Asylpolitik.
Intern gibt es viel Kritik am verschärften Kurs der SPD-geführten Ampel und
der deutlich nach rechts gerückten Tonalität. Wie die taz berichtete, lagen
im Vorfeld des Parteitags rund 60 Anträge zu dem Thema vor. Die SPD-Spitze
hat nun unter Federführung von Kühnert einen Kompromissantrag erarbeitet,
der den Kritikern des Regierungskurses an einigen Stellen entgegenkommt.
Darin wird unter anderem die umstrittene Seenotrettung von Flüchtlingen im
Mittelmeer unterstützt und die Erleichterung des Nachzugs von
Familienangehörigen von Flüchtlingen gefordert. Beim Thema Rückführung von
abgelehnten Asylbewerbern schlägt der Antrag einen deutlich
zurückhaltenderen Ton an als Bundeskanzler Scholz. Der hatte im
Spiegel-Interview gefordert, man müsse „endlich in großem Stil abschieben.�…
Auf dem Bundesparteitag wählt die SPD auch ihre gesamte Führungsspitze neu.
Die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil kandidieren erneut
als Doppelspitze, auch Generalsekretär Kühnert tritt wieder an.
Für den Parteitag reisen rund 600 Delegierte aus der ganzen Republik an –
wobei die Lokführergewerkschaft GDL diesmal [4][offenbar nicht auf der
Seite der SPD ist.] Die Delegierten beraten über 850 Seiten Anträge, 100
internationale Gäste sind eingeladen und 140 Techniker:innen und
Messebauer:innen am Tagungsort auf dem Berliner Messegelände im
Einsatz. „Und meines Wissens [5][kein Klempner]“, meint Generalsekretär
Kühnert.
7 Dec 2023
## LINKS
[1] /Loch-im-Bundesetat/!5978671
[2] /Klimaschaedliche-Subventionen/!5974214
[3] /Streit-um-Buergergeld/!5978446
[4] /Bahn-Streik-ab-Donnerstagabend/!5978575
[5] /Streit-um-den-Bundeshaushalt/!5973742
## AUTOREN
Anna Lehmann
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Schwerpunkt Klimasabotage
Wohnungspolitik
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