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# taz.de -- Rechtes Medienportal „Nius“: Grundprinzip verdrehte Fakten
> Das Medienportal „Nius“ bietet rechter Hetze eine Bühne. Es wird
> finanziert von einem Milliardär und vereint Julian Reichelt mit Jan
> Fleischhauer.
Bild: Der CDU-nahe Milliardär Frank Gotthardt unterstützt „Nius“ finanzie…
Im Grunde muss man [1][Julian Reichelt] dankbar sein. Sein neues
Medienportal „Nius“ sorgt endlich für Ordnung. Solange Jan Fleischhauer
noch Kolumnen für den Spiegel schrieb oder [2][Judith Sevinç Basad] als
freie Journalistin arbeitete, fiel es vielen schwer, diese Stimmen
einzuordnen: Liberale Vordenker:innen, die mit erfrischender Brillanz den
linken Meinungskorridor durchbrechen und deren originelle Thesen, gewürzt
mit einer Prise Provokation, uns alle aufrütteln sollten? Oder doch nur
rechtspopulistische Stimmungsmacher:innen?
Dass es sich bei „Nius“ um rechtspopulistische Stimmungsmache handelt, ist
sicher. Und auch, dass Jan Fleischhauer und Judith Sevinc Basad für das
Portal arbeiten. Genau wie die neurechte Influencerin Anabel Schunke oder
der Journalist Jan Karon, mit dem der RBB im letzten Herbst eiligst die
Zusammenarbeit beendete, nachdem Karon Somalia öffentlich als
„Shithole-Country mit Steinzeitkultur“ bezeichnet hatte.
Julian Reichelt hat sie alle bei seinem Unternehmen versammelt, unterstützt
von seinem Förderer, dem CDU-nahen Milliardär Frank Gotthardt. Einige der
„Nius“-Autor:innen waren ihrem ehemaligen Chef bereits von der Bild zu
seinem Medienunternehmen Rome Medien gefolgt. Auch Sevinç Basad wechselte
von der Bild zu Reichelts Unternehmen, begleitet von ordentlich Tamtam, bei
dem ihr gleich zwei Kunststücke gelangen: dem
Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner mangelnde Resilienz gegen
die „Tyrannei der woke Aktivisten“ zu bescheinigen und von den
Bild-Vorgesetzten für die Verletzung journalistischer Standards kritisiert
zu werden.
## Keine „Stimme der Mehrheit“
„Nius“ wird wie News ausgesprochen, es bleibt unklar, ob das witzig sein
soll oder ob der Kulturkampf nun schon so weit geht, dass man dem eigenen
Publikum keine englischen Wörter mehr zumuten möchte. Dass es sich bei dem
Claim „Die Stimme der Mehrheit“ um Wunschdenken statt Tatsachenbeschreibung
handelt, ist selbst in Zeiten eines AfD-Höhenflugs klar.
Genau wie auf Reichelts Youtube-Kanal wird auch hier daran gearbeitet,
rechtspopulistische Inhalte mehrheitsfähig zu machen. Die Topthemen der
vergangenen Tage: die Wahl einer trans Frau zur Miss Niederlande, die
Proteste beim Eritrea-Festival in Gießen, die Berliner Freibäder.
Das ist kein Zufall: Nach dem Vorbild weitaus reichweitenstärkerer Medien
in den USA wie „Fox News“ werden Nachrichten ausgewählt, bei denen das
vermutete Empörungspotenzial möglichst große Teile der Bevölkerung umfasst.
Kritik an der Transbewegung ist bis in feministische Kreise hinein
anschlussfähig, das wissen auch Jan Karon und Judith Sevinç Basad, die dem
„vielleicht gefährlichsten Zeitgeist-Phänomen“ gleich eine
anderthalbstündige „Dokumentation“ widmen. Worum es bei den Ausschreitungen
in Gießen ging, spielt auch in der Berichterstattung etablierter deutscher
Medien kaum eine Rolle, genauso wenig wie die Frage gestellt wird, ob
zwischen Neuköllns unterfinanzierter Jugendhilfe und Neuköllns
randalierenden Jugendlichen ein Zusammenhang bestehen könnte.
An all das knüpft „Nius“ an: Jedes Topthema wird in möglichst vielen
Beiträgen durchgenudelt. Zum Freibadthema lässt ein Artikel 17 mit
Vornamen zitierte Personen erzählen, warum sie sich im Freibad nicht mehr
wohlfühlen. Ein Reporter rennt so lange mit der Kamera um den Badesee, bis
er eine Frau findet, die das Problem bei den „ausländischen Bürgern“ sieh…
Es gibt einen kitschigen Kommentar zum verlorenen „Sehnsuchtsort Freibad“,
eine Chronologie über Gewaltvorfälle in Freibädern mit dem Titel
„Freibadistan“ und sechs weitere Beiträge zum Thema.
## Hetze gegen Minderheiten und Leugnung der Klimakrise
Eine deutlich offensivere Berichterstattung als etwa zum Ukrainekrieg, der
bei „Nius“ nur am Rande vorkommt, vielleicht, weil man hier zu Recht
Uneinigkeiten im Zielpublikum vermutet. Für ein Nachrichtenportal eine
spezielle Themenauswahl. Klar: Die Selektion von Themen allein wäre, ebenso
wenig wie die Tatsache, dass Journalismus aus einer bestimmten politischen
Haltung heraus betrieben wird, kein Grund, „Nius“ zu kritisieren. Zu
selektieren und zu gewichten gehört zum Kerngeschäft aller Redaktionen, und
nicht nur bei der taz, sondern auch bei der „Tagesschau“ spielen dabei
politische Haltungen eine Rolle, denn es gibt keinen Journalismus im
luftleeren Raum.
Die Luft, in der sich „Nius“ bewegt, riecht allerdings nach Rassismus, nach
Hetze gegen Minderheiten, nach Leugnung der Klimakrise, und das ist das
Problem. Dabei wird überspitzt, verkürzt, aus dem Zusammenhang gerissen und
manchmal auch schlicht gelogen.
In Sachen Klimakrise ist die Berichterstattung fast schon putzig: So voll
und ganz zu leugnen, dass es ein Problem geben könnte, trauen sich offenbar
selbst Rechtspopulist:innen wie die Macher:innen von „Nius“ nicht
mehr. Stattdessen versuchen sie auch hier, an den Alltagsverstand
anzuknüpfen – Sommer ist doch was Schönes – und werden nicht müde zu
betonen, so heiß sei es doch gar nicht. Es seien zwar 38 Grad in
Möhrendorf-Kleinseebach gemessen worden, heißt es dann, aber letztes Jahr,
da waren es in Hamburg-Neuwiedenthal 40,1 Grad, und 2019 in Tönisvorst
sogar 41,2! Wenn Karl Lauterbach aus Bologna per Twitter auf die Hitzewelle
in Südeuropa hinweist, schreibt Julian Reichelt auf „Nius“, „zum Zeitpun…
seines Tweets“ sei es dort „klar unter 30 Grad“ gewesen. Na dann, alles
prima.
Wie das mit dem Lügen funktioniert, lässt sich an einem Fall der
vergangenen Tage beobachten: Verschiedene deutsche Medien zitieren, teils
etwas unsauber, aus einer Meldung der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Diese erwähnt eine Wetterprognose, der zufolge es auf Sizilien bis zu 48
Grad heiß werden könnte, und nennt dann verschiedene in Italien gemessene
Bodentemperaturwerte, die häufig deutlich höher als die Lufttemperatur
sind. Julian Reichelt macht daraus auf „Nius“ „die heißeste Klima-Lüge …
Jahres“: Die 48 Grad hätten sich auf die sizilianische Bodentemperatur
bezogen, „ALLE Journalisten“ hätten das gewusst und die Zahlen vorsätzlich
falsch angegeben, und zwar weil Medien und Politik absichtlich Angst vor
dem Klimawandel verbreiten, um die Bevölkerung besser beherrschen zu
können.
[3][Nichts davon stimmt] – aber dass die Wahrheit das erste Opfer des
Kriegs ist, eben schon. Und das gilt auch für den Kulturkampf, in dem der
ehemalige Kriegsreporter Julian Reichelt längst selbst zum Krieger geworden
ist.
18 Jul 2023
## LINKS
[1] /Urteil-gegen-Julian-Reichelt/!5943830
[2] /Achtung-Reichelt-auf-Youtube/!5914322
[3] https://www.t-online.de/nachrichten/klima-und-umwelt/id_100208188/italien-h…
## AUTOREN
Malene Gürgen
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