| # taz.de -- Öffentlich-Rechtliche in der Schweiz: Kuscheln mit rechts | |
| > Das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen SRF bietet | |
| > Rechtspopulist:innen und ihren Ansichten eine große Plattform. | |
| > Warum? | |
| Bild: Unterschriftensammler gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk: SVP-Parlame… | |
| Kurz vor den Sommerferien hat sich das Schweizer Fernsehen (SRF) noch | |
| einmal einen wahren Universalexperten ins Programm geholt. Reiner | |
| Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an | |
| der Uni Fribourg, durfte im „Eco Talk“ fordern, Zuwander:innen müssten | |
| 5.000 Franken (5.106 Euro) jährlich bezahlen, damit sie in der Schweiz | |
| bleiben dürften. Eichenberger hat auch schon behauptet, Autofahren sei | |
| umweltfreundlicher als Fahrradfahren, weil Fahrradfahrer:innen mehr | |
| Kalorien verbrauchen würden und über die dafür nötige Ernährung auch mehr | |
| CO2 generierten. Und er fand, die Klimaerhitzung sei doch alles in allem | |
| recht angenehm: „Nur wenige wünschen, dass es wieder 2,1 Grad kälter wird.�… | |
| Der Professor ist ein Provokateur. Und gerade deshalb Stammgast im | |
| öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehen. | |
| Reiner Eichenberger passt ins Bild, das das SRF vor allem in seinen | |
| wichtigen Gesprächsformaten derzeit abgibt. Dort ist die | |
| rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP), die größte Partei des | |
| Landes, mit ihren Themen, ihren Narrativen und ihrem Personal dauerpräsent. | |
| [1][Als vor der griechischen Insel Pylos kürzlich ein Schiff mit 500 | |
| Geflüchteten sank], verhandelte die wichtigste Politsendung des SRF, dir | |
| „Arena“, nicht etwa diese Tode, sondern ob es in der Schweiz ein „Asylcha… | |
| mit Ansage“ gebe. | |
| In der Diskussionssendung „Club“, wo eigentlich gesellschaftliche Fragen in | |
| der gebotenen Differenziertheit besprochen werden, durften sich unlängst | |
| gleich drei Politiker:innen der SVP über das Klimaschutzgesetz | |
| auslassen, das kurz darauf zur Abstimmung stand. Ihnen gegenübergestellt | |
| waren drei Stimmen für das Klimaschutzgesetz, die aber alle aus | |
| unterschiedlichen Parteien kamen. Bei drei Parteien für das Gesetz und | |
| einer dagegen also eine False Balance. Der Sender rechtfertigte sich mit | |
| besonders strengen internen Richtlinien bezüglich Ausgewogenheit | |
| unmittelbar vor Volksabstimmungen. Doch der Verdacht bleibt: Das Schweizer | |
| Fernsehen schmiegt sich an die SVP an. | |
| ## Politischer Druck | |
| Erklärbar wäre dieser Schmusekurs allemal. Denn der Druck von rechts außen | |
| auf Sender und Programm ist seit Langem beträchtlich. SVP-Nationalrat Roger | |
| Köppel, der gleichzeitig Chefredakteur und Verleger der Wochenzeitung Die | |
| Weltwoche ist, forderte schon vor einigen Jahren mit abstoßender | |
| Terminologie [2][„die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen | |
| Medienanstalten“]. | |
| Mittlerweile ist die Lage in der Schweiz noch ungemütlicher geworden: Ende | |
| Juni verkündete der Zürcher SVP-Parlamentarier und Banker Thomas Matter, | |
| dass sein Komitee die nötigen 100.000 Unterschriften gesammelt habe, damit | |
| die Schweizer Stimmbevölkerung voraussichtlich 2026 über eine deutliche | |
| Reduktion der sogenannten Medienabgabe abstimmen kann. Die | |
| Rundfunkgebühren, die jede:r entrichten muss, würden damit von 335 auf 200 | |
| Franken jährlich gesenkt (also von etwa 340 auf etwa mehr als 200 Euro). | |
| Stützten 2018 noch 70 Prozent der Abstimmenden das SRF bei der ähnlich | |
| ausgestalteten, wenn auch radikaleren „No Billag“-Initiative, könnte die | |
| Abstimmung dieses Mal deutlich knapper ausgehen. | |
| Auch der derzeitige Medienminister Albert Rösti (SVP) warb bis zu seiner | |
| Wahl in die Regierung im Dezember 2022 intensiv für die sogenannte | |
| „Halbierungsinitiative“. Support für die Forderung gibt es aus dem | |
| Mitte-rechts-Spektrum und von privaten Verleger:innen. Eine | |
| brandgefährliche Mischung. | |
| ## Umgang in den Redaktionen | |
| Zudem wirkt die SVP nach Kräften auf den laufenden Fernsehbetrieb ein. | |
| SRF-Journalist:innen erzählen taz und WOZ, wie sie nach kritischen | |
| Beiträgen, die den Rechtspopulist:innen nicht gefallen, mit | |
| mehrseitigen Beschwerden von der SVP und deren Mitgliedern eingedeckt | |
| werden. Sie schildern, wie in den Redaktionen sofort große Nervosität | |
| aufkomme, wenn über politische sensible Themen berichtet werden soll. Sie | |
| nennen ein unsichtbares Korsett, in dem sie feststeckten. Die Chefredaktion | |
| erklärt dazu auf Anfrage, man sei „Druckversuche aus allen politischen | |
| Lagern gewohnt“. Das mag sein. Doch derart hemmungslos scheint nur die SVP | |
| zu operieren. | |
| Das Motiv dafür ist schnell gefunden: Vor allem in den konservativen | |
| ländlichen Gebieten ist das öffentliche Fernsehen noch immer wichtige | |
| Informationsquelle. Wenn auf dem Bildschirm Klimakleber:innen | |
| skandalisiert werden statt die Klimakatastrophe, profitieren die Rechten. | |
| Bisher haben sich die linken Parteien, die progressiven Kräfte, treu hinter | |
| dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio versammelt. Ein bisschen | |
| linker Gegendruck, hört man in den Redaktionen, wäre vielleicht gar nicht | |
| schlecht. | |
| 3 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Nach-Bootsunglueck-vor-griechischer-Kueste/!5938713 | |
| [2] https://www.spiegel.de/kultur/tv/schweiz-no-billag-volksabstimmung-ueber-de… | |
| ## AUTOREN | |
| Renato Beck | |
| ## TAGS | |
| Schweiz | |
| öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
| Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
| Öffentlich-Rechtliche | |
| Fernsehsender | |
| Schweiz | |
| Rechte Szene | |
| Hetze | |
| Klimaneutralität | |
| Schweiz | |
| Feminismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nationalfeiertag: Achtung: die Schweiz | |
| Die Schweiz wurde 1848 gegründet. Gedacht wird lieber des erfundenen Datums | |
| 1291. Der Eidgenossenschaft eine Nestbeschmutzung zum 175ten. Prost! | |
| Rechte Medienprojekte: Teletubby-Logik und Populismus | |
| Die einen sind es schon, die andern blinken erst noch rechts. Über den | |
| aufgeheizten Diskurs in der Sommerhitze. | |
| Rechtes Medienportal „Nius“: Grundprinzip verdrehte Fakten | |
| Das Medienportal „Nius“ bietet rechter Hetze eine Bühne. Es wird finanziert | |
| von einem Milliardär und vereint Julian Reichelt mit Jan Fleischhauer. | |
| Klimaschutzgesetz in der Schweiz: Bis 2050 neutral sein | |
| In einer Volksabstimmung stimmen fast 60 Prozent der Eidgenoss:innen | |
| für ein Klimaschutzgesetz. Umweltschützer:innen vermissen aber | |
| Verbote. | |
| Volksabstimmung in der Schweiz: Ja für Klimaschutzgesetz | |
| Laut Hochrechnung haben 58 Prozent der Schweizer:innen für ein | |
| Klimaschutzgesetz gestimmt. Die Erderwärmung betrifft das Land besonders. | |
| Frauenstreik in der Schweiz: Es fehle an Respekt, Zeit und Geld | |
| Mehr als 300.000 Schweizerinnen protestierten gegen ihre eigene | |
| Benachteiligung. Die Anerkennung der Frauenrechte war ein langwieriger | |
| Prozess. |