| # taz.de -- SPD-Chefin Esken über Desinformation: „Brauchen schlagkräftige … | |
| > SPD-Chefin Saskia Esken fordert mehr Personal im Kampf gegen Fake News, | |
| > Hassrede im Netz und Desinformation. Doch auch da gebe es einen | |
| > Fachkräftemangel. | |
| Bild: „Ene Grundbildung in Informatik sollte es in allen Schularten geben“,… | |
| taz: Frau Esken, Sie haben sich vor fünf Jahren regelmäßig mit dem Chatbot | |
| Replika ausgetauscht. Wie war das? | |
| Saskia Esken: Dieser Chatpartner ist dafür programmiert, Ihre Sprache, | |
| Themen, Bedürfnisse im Dialog zu erlernen und zu bespielen. Ich war | |
| neugierig und habe einen Monat lang damit hin und her geschrieben. Das | |
| fühlte sich schnell sehr nah an. Der Chatbot hört zu, fragt nach, bestärkt | |
| und hat keine eigenen Anliegen. Da kann man schon auf den Gedanken kommen, | |
| sich einen menschlichen Partner zu wünschen, der so mit einem spricht. Aber | |
| in Wahrheit wäre das natürlich spooky. | |
| Hatten Sie eine Art Beziehung zu dem Chatbot? | |
| Zu einer Beziehung gehören [1][zwei Menschen mit jeweils eigenen | |
| Persönlichkeiten] und Bedürfnissen, sonst wird es schnell langweilig. Die | |
| Gefahr solcher Bots besteht darin, dass Menschen ohne die notwendige | |
| Distanz auf die falsche Idee kommen, der digitale Chatpartner habe ein | |
| Bewusstsein. Aber das ist natürlich Quatsch. | |
| Ist das der Grund, weshalb Sie Schluss gemacht haben mit Ihrem digitalen | |
| Freund – weil es zu nah, zu menschlich wurde? | |
| Nein. Ich hatte das von vornherein als zeitlich begrenztes Experiment | |
| angelegt. | |
| Aber [2][Künstliche Intelligenz] kann immer mehr und übernimmt auch | |
| zunehmend menschliche Aufgaben. Wir haben einen Chatbot beauftragt, ein | |
| Interview mit Saskia Esken zu entwerfen zu dem Thema. Die erste Frage | |
| lautet: Wie sehen Sie die Zukunft der künstlichen Intelligenz in | |
| Deutschland? | |
| Der Einstieg ist ein bisschen billig. Das können Sie besser. | |
| Danke. Ihre Antwort würde laut Chatbot übrigens so aussehen: Ich denke, | |
| dass künstliche Intelligenz in Zukunft eine immer größere Rolle spielen | |
| werden. | |
| Naja. Es ist schon beeindruckend, was KI kann. Aber es ist nicht „Denken“. | |
| Es ist nicht „I, Robot“. Wenn wir die Fähigkeiten von KI so überhöhen, | |
| entsteht der Eindruck von Kontrollverlust. Dabei sind wir doch diejenigen, | |
| die KI entwickeln, ihr Regeln geben und entscheiden, ob und wofür wir sie | |
| einsetzen. Solche Sprachmodelle reihen Wörter aneinander, die in unseren | |
| Texten häufig nacheinander vorkommen. Das wirkt elaboriert, aber | |
| Kreativität ist was anderes. Ich habe aber auch schon Aufträge in einen | |
| Chatbot eingegeben. | |
| Welche denn? Reden, Grußworte? | |
| Nein, nichts für die Arbeit, sondern um es auszuprobieren und im Kreis der | |
| Familie darüber reden zu können. Wir sollten uns kritisch damit | |
| auseinandersetzen, was die KI kann und was nicht. Und was dem Menschen | |
| vorbehalten bleiben muss. | |
| Ist unsere Gesellschaft kompetent genug für den Umgang mit KI? | |
| Da darf man zweifeln. Deshalb müssen wir die informatorische Grundbildung | |
| stärken, die ein Verständnis darüber ermöglicht, wie Algorithmen arbeiten | |
| und wie sie lernen. | |
| Also brauchen wir Informatik als Pflichtfach? | |
| Ja, eine Grundbildung in Informatik sollte es in allen Schularten geben, | |
| sie muss Bestandteil von Aus- und Weiterbildung und auch von | |
| Erwachsenenbildung werden. | |
| Sollten nicht auch Inhalte, die mit KI erzeugt wurden, gekennzeichnet | |
| werden müssen? | |
| Generative KI kann nicht nur Texte, sondern auch Bild- und Tondokumente bis | |
| hin zu menschlichen Stimmen erzeugen, die dann als echt ausgeben werden | |
| können. Darin liegt das große Risiko, dass wir Menschen nicht mehr wissen, | |
| welchen Informationen wir noch trauen können. Der gezielten Desinformation | |
| und ihrer maschinellen Verbreitung wäre damit Tür und Tor geöffnet. Die | |
| Fälscher werden uns aber nicht den Gefallen tun, ihre Fälschungen als | |
| solche zu kennzeichnen. Insofern plädiere ich eher dafür, dass wir | |
| verlässliche, vertrauenswürdige Information kennzeichnen. | |
| Gibt es für Sie Tabus für den Einsatz von KI? | |
| Absolut. Für das [3][KI-Gesetz hat die EU] gerade Risiken bewertet und | |
| Regeln erarbeitet, wofür KI eingesetzt werden kann. Eine Entscheidung, die | |
| das Leben von Menschen beeinflusst, kann die Maschine vorbereiten, aber am | |
| Ende muss ein Mensch entscheiden. Automatisierte Waffensysteme gehören | |
| verboten, die sollten wir weltweit ächten. Aber auch Überwachung und das | |
| Social Scoring, wie sie in China eingesetzt werden, sind bei uns undenkbar. | |
| Auch in sozialen Medien, wird bereits viel mit Bots gearbeitet, gerade wenn | |
| es um die Verbreitung von Fake News [4][und Hetze] geht. Brauchen wir | |
| dagegen nicht schärfere Gesetze? | |
| Wir haben versucht, diese Plattformen in Deutschland mit dem | |
| [5][Netzwerkdurchsetzungsgesetz in die Pflicht] zu nehmen, aber nicht alle | |
| sind gleichermaßen bereit, dem Gesetz wirksam zu folgen. Wir müssen dafür | |
| sorgen, dass auch die EU-Verordnung über Digitale Dienste besser | |
| durchgesetzt wird. Die möglichen Strafen sind sehr hoch, bis zu 6 Prozent | |
| des weltweiten Umsatzes. | |
| Und dennoch gibt es Lücken. | |
| Ja, gegenüber global agierenden Unternehmen ist die Rechtsprechung nicht | |
| ganz einfach. | |
| Sie selbst haben Twitter verlassen, weil „Twitter die Verpflichtung, gegen | |
| Fake-Accounts, Desinformation und strafbare [6][Inhalte vorzugehen, | |
| missachtet hat]“, wie sie selbst sagen. Was muss geschehen, damit solche | |
| Unternehmen sich nicht mehr wegducken können. | |
| Wir brauchen schlagkräftige Behörden und kompetentes Personal bei der | |
| Aufsicht, bei Ermittlung, Strafverfolgung und Justiz. | |
| Also brauchen Justiz und Polizei mehr Personal? | |
| Unbedingt. Aber der Fachkräftemangel schlägt auch hier zu Buche. | |
| Was schlagen Sie also vor? | |
| Mit Priorität sollten wir Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften und | |
| Online-Wachen ausbauen, an die man sich jederzeit wenden kann, wenn man | |
| strafbare Inhalte anzeigen will. | |
| Dem Kampf gegen Desinformation und Fake News ist auch ein ganzes Kapitel | |
| [7][in der Nationalen Sicherheitsstrategie] gewidmet. Aber nimmt die | |
| Regierung die Bedrohungen aus dem digitalen Raum wirklich ernst genug? Nur | |
| der Haushalt der Bundeswehr soll aufgestockt werden, alle anderen | |
| Ministerien sollen kürzen. | |
| Der Kernhaushalt der Bundeswehr enthält auch Ausgaben für Cyber-Sicherheit. | |
| Die Bundeswehr muss für die Bündnis- und Landesverteidigung besser | |
| ausgestattet werden, doch dafür haben wir ein Sondervermögen eingerichtet. | |
| Gleichzeitig gehören zu einem sozialdemokratischen Sicherheitsbegriff | |
| Friedenssicherung, Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit. | |
| Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind bedeutsam, auch um gewaltsame | |
| Konflikte zu vermeiden. | |
| Ist es dann richtig, dass alle Ministerien sparen sollen, nur nicht das | |
| Verteidigungsministerium? | |
| Bislang gibt es nicht mal Eckpunkte. Ohnehin ist der Haushalt Kernkompetenz | |
| des Parlaments. Für uns Sozialdemokrat*innen ist es wichtig, dass | |
| wir den Sicherheitsbegriff hinreichend weit fassen und auch im Haushalt | |
| abbilden. | |
| Auch unsere Kritische Infrastruktur, also Energie, Wasser, Straßen, | |
| Gesundheitswesen, Medien sollen besser geschützt werden. Ein | |
| [8][entsprechendes Kritis-Dachgesetz] von Bundesinnenministerin Nancy | |
| Faeser (SPD) lässt aber noch auf sich warten. | |
| Wenn die Ministerin ein solches Gesetz angekündigt hat, dann wird es auch | |
| kommen. | |
| Nancy Faeser scheint derzeit noch mit [9][der Vorratsdatenspeicherung] | |
| beschäftigt und kämpft für eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen. Sie | |
| sind dagegen, plädieren dafür solche Daten erst bei einem konkreten | |
| Verdacht einzufrieren und bei Bedarf aufzutauen. Das will auch | |
| Justizminister Marco Buschmann (FDP). Können Sie als Parteichefin die | |
| Genossin Faeser nicht zur Vernunft bringen? | |
| So, wie Sie das beschreiben, gehen wir nicht miteinander um in der SPD. | |
| Nancy Faeser und ich sind in guten Gesprächen. Die Ministerien werden eine | |
| Lösung finden, die die Balance von Kriminalitätsbekämpfung, den | |
| Bedürfnissen der Behörden und den Freiheitsrechten der Bevölkerung wahrt. | |
| Die Position der SPD ist dabei klar: Wir lehnen die anlasslose und | |
| flächendeckende Speicherung solcher Daten ab. | |
| Falls Nancy Faeser Ministerpräsidentin in Hessen würde – trauen Sie sich | |
| das Amt der Bundesinnenministerin zu? | |
| Ich bin sehr gerne Parteivorsitzende und meine Arbeit erfüllt mich. | |
| 3 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| Tanja Tricarico | |
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