| # taz.de -- Politikwissenschaftler über 10 Jahre AfD: „Die AfD verrottet von… | |
| > Auch in der Opposition richtet die AfD Schaden an, sagt | |
| > Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch. Er glaubt aber, dass die | |
| > Brandmauer hält. | |
| Bild: Am 3. Oktober 2022 in Gera ließ Höcke kaum ein faschistisches Stichwort… | |
| taz: Herr Botsch, Sie haben 2012 unmittelbar vor der AfD-Gründung das | |
| Standardwerk „Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland – 1949 | |
| bis heute“ geschrieben. Haben Sie damals noch damit gerechnet, dass sich in | |
| Deutschland eine rechtsradikale Partei dauerhaft parlamentarisch festigen | |
| kann? | |
| Gideon Botsch: Ich rechnete schon damals relativ fest mit einer Zäsur: Eine | |
| Trendwende zur extremen Rechten war schon damals absehbar und wurde in | |
| Fachkreisen diskutiert. Aber es gab auch gute Gründe, anfangs an der | |
| Etablierung der AfD zu zweifeln: ihre Strukturprobleme oder die politische | |
| Kultur der Bundesrepublik etwa. Demgegenüber hofften bestimmte Kreise aus | |
| der extremen Rechten genau darauf: Dieter Stein von der Jungen Freiheit | |
| schrieb schon 2009: „Diesmal habe ich wirklich Hoffnung, dass etwas Neues | |
| entstehen kann.“ | |
| In voller gesellschaftlicher Breite wurden damals eher die rassistischen | |
| Thesen von Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ diskutiert. Ist | |
| Sarrazin mitverantwortlich für den Rechtsruck, der die AfD ermöglichte? | |
| Die These von der Sarrazin-Partei, in der er selbst nie Mitglied war, hat | |
| für die frühe AfD einen wahren Kern. Sie war anfangs noch keine klar | |
| rechtsextreme Partei, aber man kann sehr deutlich sagen, dass die | |
| Ressentiments und Vorurteile, die Sarrazin bedient hat, vollumfänglich die | |
| frühe Programmatik der AfD bestimmten. | |
| Welche konkret? | |
| Ein spezifischer Elitenrassismus, der sich sehr stark aus einem sozialen | |
| Rassismus speist. Ebenso EU-Skepsis sowie die Warnung vor einer | |
| „Tugendpolizei“ und einer finanziellen Katastrophe. Ähnlich wie Sarrazin | |
| distanzierte sich die frühe AfD von offenem Rechtsextremismus und tarnte | |
| ihn. Mittlerweile wissen wir genauer, wie rechtsextrem schon diese | |
| Gründergeneration der AfD durchsetzt war, aber es war eben nicht die | |
| Charakterisierung der ganzen Partei. Vor allem nicht derjenigen, die damals | |
| in den vorderen Reihen standen – obwohl sie ihn bedienten und froh waren, | |
| dass er dazukam. | |
| Inwiefern war die Partei damals schon rechtsextrem durchsetzt? | |
| Es gab schnell ein Angebot der Integration an Rechtsextreme, insofern sie | |
| nicht allzu öffentlich aufgetreten sind. In der zweiten und dritten Reihe | |
| waren damals bereits eine Reihe von Leuten aus rechtsextremem Milieus mit | |
| einer aktivistischen Vergangenheit: Personen wie [1][Andreas Kalbitz], der | |
| die Doppelstrategie fuhr, bürgerlich akzeptabel zu sein und gleichzeitig im | |
| völkischen Milieu verankert blieb. Oder nehmen Sie Arnulf Fröhlich, der | |
| 1990 mit Anfang 20 an einer Holocaust-Leugner-Konferenz mit dem Titel | |
| „Wahrheit macht frei“ beteiligt war und versuchte, sich in der AfD | |
| Schleswig-Holstein zu etablieren. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. | |
| Woran liegt es, dass die AfD sich etablierte? Liegt es an einem „Linksruck“ | |
| der CDU, an der Medienrevolution durch das Internet oder am internationalen | |
| Aufwind für rechte Strömungen und Verschwörungsideologien? | |
| Es ist natürlich alles multikausal. Es gab damals eine große Enttäuschung | |
| über die FDP, die damals in der Regierung stark versagte. Es drohten | |
| verschiedene Szenarien: Eine Mitte-links-Regierung war nicht mehr | |
| ausgeschlossen, auch Rot-Grün oder Schwarz-Grün waren realistische | |
| Sondierungsoptionen – ebenso wie eine weitere Große Koalition. Durch das | |
| Versagen der FDP, die in sozialpolitischen Fragen eher rechts von der CDU | |
| einzuordnen war, gab es dort eine Repräsentationslücke. Hier stieß die | |
| „Professoren-Partei“ von Bernd Lucke hinein. | |
| Welche Rolle spielen Medien beim Erfolg der AfD? | |
| Die AfD hat von einem wahnsinnigen medialen Zuspruch profitiert – denken | |
| Sie an die ganze Bereitschaft, die [2][AfD in Talkshows zu lassen]. Hinzu | |
| kommt, dass die AfD mit echten Medienprofis arbeitet. Viele, die mit der | |
| AfD und ihrem Umfeld zu tun haben, haben Meinungsmache von der Pike auf | |
| gelernt: Gauland hat lange Zeit Pressearbeit für die Union gemacht und bei | |
| der Märkischen Allgemeinen gearbeitet. | |
| Er ist damit nicht allein: Gründer Konrad Adam war Welt-Kolumnist und davor | |
| Redakteur im FAZ-Feuilleton, es gab viele weitere mit ähnlichen Erfahrungen | |
| … | |
| Auch bestimmende Gestalten im Umfeld sind Medienprofis: Götz Kubitschek vom | |
| neurechten Institut für Staatspolitik hat bei der Bundeswehr gelernt, wie | |
| man Propagandaprozesse steuert. Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin ist | |
| seit den Siebzigern politischer und meinungsbeeinflussender Journalist. | |
| Durch geschicktes Auftreten konnte die AfD von Beginn an Mediendiskurse | |
| sehr stark bestimmen. Wenn mal ein Thema entglitt, hielt man mit einer | |
| gezielten Provokation anderswo das Stöckchen hin. | |
| Die Flüchtlingsdebatte 2015 erinnerte stark an die Asyldebatte Anfang der | |
| Neunziger. | |
| Für die AfD war das eine wahnsinnig günstige Gelegenheitsstruktur: Man war | |
| im [3][Pegida-Rausch] und profitierte von der medialen Skandalisierung | |
| einer vermeintlichen Flüchtlingskrise. Der AfD-Einzug in den Bundestag 2017 | |
| war nicht gesetzt – und gelang auch, weil Medien durch Neu-Aufwärmung einer | |
| vergangenen Nachrichtenlage der AfD Stimmen verschafften. Erinnern Sie sich | |
| an das Kanzler-Duell? Eine Dreiviertelstunde lang wurde nur über | |
| Flüchtlinge geredet – mit negativem Framing: Das sind zu viele, wie | |
| schließen wir Grenzen? Man verstand sich als Stimme des Volkszorns. Das war | |
| ein Tiefpunkt der öffentlich-rechtlichen Medien. | |
| Blicken wir auf die AfD im internationalen Vergleich: Wenn man nach | |
| Schweden, Italien, Brasilien, Frankreich, in die USA, nach Ungarn und Polen | |
| schaut, sieht man überall erfolgreiche rechtspopulistische bis | |
| rechtsextreme Parteien, die es in Regierungen schaffen oder mutmaßlich kurz | |
| davor sind. Was ist in Deutschland anders? | |
| Es gibt verschiedene Faktoren: Das deutsche Wahlrechtssystem benachteiligt | |
| glücklicherweise bestimmte Polarisierungsstrategien. Der entscheidende | |
| Unterschied ist aber: Die AfD hat sich aus bestimmten intrinsischen Gründen | |
| [4][selbst für eine Radikalisierung entschieden] – man hat extrem rechten | |
| Kräften in der Partei früh eine große Macht eingeräumt. Das hätte die AfD | |
| bei aller Fremdausgrenzung nicht tun müssen, aber sie ging konsequent und | |
| sehr deutlich den Weg der Radikalisierung. | |
| Die Partei hat mit Lucke, Petry und Meuthen bereits drei Vorstände | |
| zerschlissen. Aus Sicht der meisten Beobachter*innen stand jeder neue | |
| Vorstand für einen weiteren Rechtsruck. Wie würden Sie die verschiedenen | |
| Phasen charakterisieren? | |
| Die Lucke-AfD ist eine Abspaltung der Union unter Beteiligung von Teilen | |
| der FDP und versprengten Kräften aus der politischen und extremen Rechten. | |
| Sie ist ein Versuch, eine rechtspopulistische Wahl- und | |
| Koalitionsalternative ins Leben zu rufen. Anfangs hat sich die AfD als | |
| gemäßigte rechtspopulistische Kraft präsentiert, die bestimmte Tendenzen | |
| vermeidet. Sie bekam ein großes mediales Echo und große Zustimmungswerte im | |
| neoliberalen und konservativen Bürgertum. | |
| Lucke ging jedoch 2015 auf dem Essener Parteitag unter, rassistische | |
| Migrationspolitik ersetzte die EU als das entscheidende AfD-Thema. Petry | |
| hatte wie später Meuthen, Weidel und Chrupalla mit Höcke paktiert. | |
| Unter Petry wird die AfD zu einer rechtspopulistischen Sammlungspartei, die | |
| ganz klar populistische Züge trägt. Nachdem Petry gegangen war, wurde sie | |
| [5][unter dem Duo Meuthen/Weidel] zu einer rechtsextrem dominierten Partei, | |
| die weiter Sammlungspartei bleibt. | |
| Meuthen trat wiederum vor einem Jahr erneut mit einem Verweis auf den | |
| Rechtsruck aus. Was wäre die nächste Häutung, wenn die AfD sich unter | |
| Weidel/Chrupalla weiter radikalisiert? | |
| Höcke versucht aus der AfD eine rechtsextreme Bewegungs- und | |
| Weltanschauungspartei zu machen. Wenn Sie sich die Radikalität seiner Rede | |
| in Gera am 3. Oktober nochmal vor Augen führen, sieht man eine deutliche | |
| Tendenz zur neonationalsozialistischen Positionierung. Ob das der Endpunkt | |
| der AfD ist, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. | |
| Inwiefern hat sich die Wählerschaft der AfD seit der Gründung verändert? | |
| Das ist tatsächlich ein radikaler Wandel: Die Wähler der AfD heute sind | |
| nicht mehr Wähler der Gründungsphase: Am Anfang war die AfD eine Eliten- | |
| und Wohlstandspartei. Mittlerweile wird sie hauptsächlich vom unteren | |
| Mittelstand und unteren Sozialschichten gewählt. | |
| Trotz oder gerade wegen ihrer anhaltenden Radikalisierung hat die AfD eine | |
| stabile und treue Wählerbasis. | |
| Ja, und die kann nicht ohne Weiteres demokratisch zurückgewonnen werden. In | |
| den ostdeutschen Ländern hat sie 25 Prozent plus, in den westdeutschen | |
| Ländern bleibt sie deutlich darunter, kann aber bis an die 15 Prozent | |
| herankommen – und stößt dann jeweils an eine gläserne Decke. | |
| Warum kommt sie da nicht durch? | |
| Die AfD kommt aus der Falle, die sie sich selbst gebaut hat, nicht raus. | |
| Sie ist aufgrund ihrer eigenen Inkompetenz und ihres Desinteresses an | |
| funktionierender Politik für alle anderen politischen Kräfte kein | |
| bündnisfähiger Akteur. Deswegen bleibt sie eingemauert auf diesem relativ | |
| stabilen Niveau. | |
| Auf der anderen Seite spielen AfD und CDU in Thüringen gemeinsam | |
| Sprachpolizei und lassen geschlechtsneutrale Sprache verbieten. Im | |
| sächsischen Bautzen streichen AfD und CDU gemeinsam Mittel für Geflüchtete. | |
| [6][Erodiert die Brandmauer] nicht zusehends unter der CDU von Friedrich | |
| Merz, der selbst in Talkshows vor allem durch Rassismus auffällt? | |
| Klar, gerade in der Union, auch in der FDP, gibt es immer wieder Kräfte, | |
| die meinen, man solle lieber mit der AfD koalieren, man sei ihr ja näher. | |
| Aber ich bin dennoch skeptisch, ob es dazu kommt. | |
| Alice Weidel hat eine Koalition kürzlich als Ziel benannt. Sie will nach | |
| den Landtagswahlen in den Ostbundesländern Sachsen, Thüringen und | |
| Brandenburg 2024 mitregieren. Dort könnte die AfD je nach Umfrage sogar | |
| stärkste Kraft werden. | |
| Aber um in Regierungsverantwortung zu kommen, hätte die AfD sich sehr viel | |
| deutlicher als koalitionsfähig profilieren müssen. Gucken Sie doch mal auf | |
| die Fakten: Die AfD ist eine sehr unbeliebte Partei in Deutschland. Selbst | |
| in den östlichen Bundesländern sagen mehr als 60 Prozent, dass sie die AfD | |
| niemals wählen würden. | |
| Allerdings gibt es derzeit eine Krise, die AfD fährt Angstkampagnen und hat | |
| seitdem in den Umfragen zugelegt. | |
| Wir werden die AfD mit großer Wahrscheinlichkeit auch in einigen | |
| ostdeutschen Ländern als stärkste Kraft sehen. Zumal die zentrale | |
| Wählergruppe der AfD in Ostdeutschland demografisch ihren Anteil erhöht – | |
| die mittelalten Männer im unteren und mittleren Mittelstand. Aber: In allen | |
| Wahlkämpfen haben die Wähler jeweils den aussichtsreichsten Demokraten | |
| gewählt. Die Angst vor der AfD als stärkste Kraft ist in den ostdeutschen | |
| Ländern hoch und wahlentscheidend. | |
| Viel Hoffnung hat die AfD zuletzt auf Kommunalwahlen gesetzt. Aber weder in | |
| Sachsen noch bei [7][Bürgermeisterwahlen in rechten Hochburgen wie Cottbus] | |
| konnte die AfD ein Amt erringen. Traut man der AfD vor der eigenen Haustür | |
| am Ende doch keine Kompetenz zu? | |
| Die Ergebnisse bei der Kommunalwahl waren ja gar nicht schlecht. Aber | |
| schauen Sie mal mal, was danach passierte: Die Partei verrottet von unten. | |
| Sie interessiert sich gar nicht für all die Dinge, die der Front National | |
| gemacht hat – nämlich Milieubildung, Graswurzelpolitik, sich lokal | |
| verankern, angreifen im Bund, aber in der Kommune Verantwortung übernehmen | |
| und Vertrauen schaffen, sich mit realen ökonomischen und politischen | |
| Interessen verbinden, in Gewerkschaften und Fachverbände gehen, in die | |
| Universitäten gehen. | |
| Woran machen Sie das fest? | |
| Für Kommunalpolitik setzt sie wenig Ressourcen ein. Es gibt keine | |
| anständigen kommunalpolitischen Schulungen oder gute Strategien. Jeder | |
| wurschtelt vor sich hin, die Fraktionen zerstreiten sich heillos. Will ich, | |
| dass solche Leute verantwortlich dafür sind, dass das Schwimmbad beheizt | |
| ist und der Sportplatz renoviert wird? | |
| Auf der anderen Seite wirkt die AfD, ohne an der Macht zu sein, rechte | |
| Diskursverschiebungen sind ja nicht wegzudiskutieren. Man denke nur mal an | |
| die rassistische Silvester-Debatte, die von der CDU losgetreten wurde. | |
| Es stimmt, dass die AfD zur ungeheuren Radikalisierung der Sprache und des | |
| Umgangs beigetragen hat. Wir hören mittlerweile auch von Unionspolitikern | |
| leider immer öfter Ausfälle, die nach AfD klingen. Ebenso gibt es eine | |
| Verschärfung des Wortlauts in anderen demokratischer Parteien – auch | |
| gegenüber der AfD. Die AfD vergiftet die politische Atmosphäre mit Wirkung | |
| auf die gesamte demokratische Kultur. | |
| Und ich kann Ihnen nicht sagen, ob wir in zehn Jahren nicht doch einen | |
| radikalen Wandel haben werden, der die Erfolgsaussichten der AfD verändert. | |
| Wer hätte den Republikanern, der Grand Old Party in den USA, einen solchen | |
| Niedergang vorhergesagt? Oder wer hätte in Israel prognostiziert, dass | |
| vorbestrafte Rechtsextremisten das Innenamt übernehmen? Wir müssen uns alle | |
| um eine streitbare, Alternativen bietende Politik bemühen. | |
| Öffentliche rassistische Diskurse legitimieren rechte Gewalt indirekt und | |
| befördern Alltagsrassismus. Der Aufstieg der AfD fällt in ein Jahrzehnt | |
| exzessiver rechter Gewalt. Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und | |
| Moscheen, Angriffe und Attacken auf Politiker bis hin zum Lübcke-Mord 2016, | |
| rechtsterroristische Anschläge in München, Halle und Hanau. Inwiefern hängt | |
| das zusammen? | |
| Verantwortungslose Propaganda befördert selbstverständlich die Gewalt. Sie | |
| beeinflusst etwa die Zielauswahl der Gewalttäter. Als die AfD und ihr | |
| Umfeld gegen „unbegleitete minderjährige Geflüchtete“ agitierten und diese | |
| pauschal verdächtigten, ihr Alter zu fälschen, konstatierte die | |
| Opferperspektive Brandenburg eine Zunahme der Gewalt gegen Minderjährige. | |
| Wir können den kausalen Zusammenhang nicht beweisen, aber die zeitliche | |
| Koinzidenz halte ich für keinen Zufall. | |
| Haben Sie noch mehr Beispiele? | |
| Vor dem Mordanschlag in Hanau sprach dort Andreas Kalbitz. Wir wissen | |
| nicht, was er vor Ort genau sagte, aber nur ganz kurz vorher hatte er sich | |
| an anderem Ort die Hetze gegen Schischa-Bars zu eigen gemacht. Leider muss | |
| man sagen, dass Polizeisprecher*innen, liberale Medien und demokratische | |
| Politiker*innen – und ich denke dabei nicht nur an Union und FDP! – | |
| diese Rede, Schischa-Bars pauschal zu „gefährlichen Orten“ zu erklären, | |
| zuerst verbreiteten. Für den Täter schien es irgendwie in Ordnung, seine | |
| Ziele nach diesem Raster auszuwählen. | |
| Für die Zukunft muss man angesichts neuer Feindbild-Zuschreibungen mit | |
| einer größeren Gefährdung von Klimaaktivist*innen rechnen – wegen des | |
| zugrundeliegenden Sexismus wird sich dies, fürchte ich, besonders gegen | |
| junge Frauen richten. Während eine „Klima-RAF“ weithin eine Angstfantasie | |
| ist, steigt das Aggressionspotenzial gegen Umweltaktivist*innen | |
| gerade erheblich. | |
| Der Lübcke-Mörder demonstrierte auf AfD-Kundgebungen, hängte Wahlplakate | |
| auf und spendete an die AfD. Zuletzt war eine ehemalige AfD-Abgeordnete an | |
| einem geplanten gewaltsamen Staatsstreich beteiligt. Waren Sie davon | |
| überrascht? | |
| Nein, überhaupt nicht. Das ist das Milieu, das zur AfD gehört. Es | |
| verwundert nicht, wenn Sie sich noch mal vor Augen führen, was schon 2016 | |
| auf AfD-Kanälen in den Kommentarspalten öffentlich für Mord- und | |
| Vergewaltigungslust in die Welt geblasen wurde, ohne dass man widersprochen | |
| hätte. | |
| Nach dem [8][aufgeflogenen geplanten Reichsbürgerputsch] gab es erneut | |
| AfD-Verbotsforderungen. | |
| Ich denke, jetzt ist die AfD nicht an einem Punkt, wo man sie verbieten | |
| kann. Aber sie bewegt sich in eine Richtung, wo wir fragen müssen: Ab | |
| welchem Moment beginnt sie aggressiv-kämpferisch die Verfassungsordnung | |
| beseitigen zu wollen und wann könnte ein Verbot gemäß Grundgesetz greifen? | |
| Die Diskussion müssen wir führen, bevor sich die AfD in den verbotsreifen | |
| Bereich begibt. Weil auch die Anhänger wissen müssen, wann ein Verhalten | |
| ein Verbot gemäß unseres Grundgesetzes ermöglicht. | |
| Die NPD wurde 2017 vom Bundesverfassungsgericht zwar als | |
| verfassungsfeindlich anerkannt, aber wegen mangelnder Erfolgsaussichten | |
| nicht verboten. Hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem NPD-Urteil | |
| selbst ein Ei gelegt: Man darf eine Partei erst verbieten, wenn sie | |
| relevant ist. Aber wenn eine Partei relevant ist, ist es total | |
| problematisch, sie zu verbieten, oder? | |
| Das ist der Widerspruch dieses absurden Urteils. Vor allem hat mich sehr | |
| geärgert, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtsauffassungen ohne | |
| viel Begründungen abgegeben hat. Das Urteil stellt fest, dass NPD | |
| verfassungsfeindlich ist, zeigt aber nicht auf, was die Kriterien wären, | |
| die einer anderen Partei zeigen, ab wann das Verbot greifen würde. | |
| Das Gericht hat uns in der seit den 80er Jahren schwelenden Debatte um | |
| Parteiverbote rechtsextremer und neonazistischer Parteien keine Guidelines | |
| an die Hand gegeben. Dass die AfD Chancen und Aussichten hat, gemäß der | |
| Definition des Bundesverfassungsgerichts, ihren Willen in Zukunft mal | |
| durchzusetzen, wenn man sie gewähren lässt, halte ich für gegeben. | |
| 5 Feb 2023 | |
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