| # taz.de -- „Freie Sachsen“ heizen Coronaprotest an: Die Einpeitscher | |
| > In Sachsen setzt sich mit den „Freien Sachsen“ ein Trupp Rechtsextremer | |
| > an die Spitze der Mobilisierung zu den Coronaprotesten. Wer sind sie? | |
| Bild: Anführer der „Freien Sachsen“ mit derben Tönen: Martin Kohlmann | |
| Berlin taz | Es sind mal wieder vermeintliche Erfolgsmeldungen, welche die | |
| „[1][Freien Sachsen]“ am Wochenende verkünden. In Chemnitz seien Pfleger | |
| auf die Straße gegangen, in Plauen sei ein „riesiger Spaziergang“ durch die | |
| Stadt gezogen und in Greiz habe man die Polizei „ausgetrickst“, die ein | |
| „Exempel“ gegen den Protest geplant habe. „Stark!“, jubiliert der | |
| Telegramkanal. Und mobilisiert für Montag bereits zu den nächsten | |
| „Spaziergängen“. | |
| Es ist ein bekanntes Muster, seit Wochen schon. Wo immer in Sachsen und | |
| Umgebung [2][Coronaproteste wieder hochschwappen], greifen die „Freien | |
| Sachsen“ das in ihrem Kanal auf, bejubeln und befeuern den Protest. Bilder | |
| und Videos werden verbreitet, neue „Spaziergänge“ angekündigt – auch we… | |
| kaum etwas davon selbst von der Partei organisiert ist. | |
| Als „Mobilisierungsmaschine“ bezeichnet der sächsische Verfassungsschutz | |
| inzwischen die „Freien Sachsen“. Tatsächlich haben diese eine beachtliche | |
| Reichweite: Mehr als 116.000 Abonnenten folgen der Gruppe auf Telegram. Und | |
| das, obwohl es keinen Zweifel gibt, dass hier Rechtsextreme am Werk sind. | |
| Und die „Freien Sachsen“ verhehlen das auch nicht. In ihrem Telegramkanal | |
| wird brachial über die „verlogene Politikerbande“ hergezogen, über „Sze… | |
| einer Diktatur“ oder einen vermeintlichen „Putsch von oben“, gerne mit | |
| Vergleich zur DDR. Die Rede ist von „Impfwahnsinn“ und „Testterror“. | |
| Polizisten werden zu „Milizen“, inklusive Drohungen: „Wer heute nicht | |
| demonstriert, wird im Nachgang rechtlich zur Verantwortung gezogen.“ | |
| ## In ihren Beiträgen schafft die Gruppe Feindbilder | |
| Feindbilder aber allen voran: Sachsens [3][Ministerpräsident Michael | |
| Kretschmer] (CDU), der als „Despot“ und „Pumuckl“ geschmäht wird, und | |
| Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Und auch hier soll es nicht bei | |
| Straßenprotest bleiben. „Verhaftet Kretschmer“, heißt es auf Bannern der | |
| „Freien Sachsen“. | |
| Auf der anderen Seite wird offen der AfD-Rechtsextreme Björn Höcke gefeiert | |
| („mehr Höcke wagen!“). Beworben werden das [4][rechtsextreme | |
| Compact-Magazin] („klare Leseempfehlung“) oder Beiträge der NPD-Postille | |
| Deutsche Stimme. Verwiesen wird auf die Pegida-Proteste, die bereits früher | |
| gezeigt hätten, wie groß der „Bürgerwiderstand“ sei. Und en passant auch | |
| gegen eine „ungebremste Asyleinwanderungswelle“ geätzt. | |
| ## „Diese Wende muss gründlich sein“ | |
| Vor allem aber wird in der Gruppe immer wieder aufgestachelt, mit kaum | |
| verhohlenen Umsturzaufrufen – die zeigen, dass es der Gruppe um mehr geht | |
| als nur Kritik an den Coronamaßnahmen. Man müsse sich „dem Wahnsinn | |
| widersetzen“, heißt es immer wieder. Oder: „Immerhin: In der Vergangenheit | |
| wurden ähnliche Herrschaften häufig irgendwann von den Bürgern beendet.“ | |
| Und noch deutlicher: „Diese Wende muss gründlich sein.“ | |
| Die Gründung der „Freien Sachsen“ erfolgte bereits im Februar im | |
| Erzgebirge, als Partei mit „Bewegungscharakter“. Richtig Fahrt nimmt sie | |
| erst jetzt auf, will inzwischen knapp 1.000 Parteimitglieder haben. | |
| Anführer ist der Anwalt und langjährige Rechtsextremist [5][Martin | |
| Kohlmann], der bereits 2018 die rechten Unruhen in Chemnitz mit anheizte | |
| und auch die Splitterpartei „Pro Chemnitz“ leitet – die „Freien Sachsen… | |
| erlauben explizit Doppelmitgliedschaften. Dazu kommt der NPD-Aktivist | |
| [6][Stefan Hartung], der schon 2014 im Erzgebirge „Lichtelläufe“ gegen | |
| Geflüchtete organisierte. Oder [7][Michael Brück], zuvor Rädelsführer der | |
| Neonazi-Szene in Dortmund, der strategisch nach Sachsen zog. | |
| Der sächsische Verfassungsschutz – der Jahre brauchte, [8][um Pegida | |
| einzustufen] – erklärte die „Freien Sachsen“ auch deshalb bereits im Juni | |
| zur „erwiesenen extremistischen Bestrebung“. Deren Vorstand prägten | |
| „namhafte sächsische Rechtsextremisten“, die überregional vernetzt seien, | |
| erklärte Präsident Dirk-Martin Christian. Um den Coronaprotest gehe es | |
| dabei nur „vordergründig“. Ihr Ziel seien vielmehr „Verächtlichmachung … | |
| Delegitimierung“ des Staates. | |
| ## Kulturbüro sieht „knallharte Neonazis“ | |
| Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das die rechte Szene beobachtet, | |
| wird ebenfalls deutlich. Die „Freien Sachsen“ würden von „knallharten | |
| Neonazis“ angeführt, die viel Erfahrung hätten, sagt er. Die Gruppe habe | |
| maßgeblich dafür gesorgt, dass die Coronaproteste in Sachsen inzwischen | |
| „vollständig von der organisierten Neonaziszene dominiert werden“. | |
| Sie bilde eine Art Dachorganisation, die den Demonstrierenden den Eindruck | |
| geben wolle, Teil einer Großbewegung zu sein. „Obwohl sie in Wahrheit nur | |
| einen Bruchteil der Bevölkerung repräsentieren“, wie Nattke betont. Hohe | |
| Inzidenzwerte und daraus resultierende Einschränkungen spielten ihnen dabei | |
| geradezu in die Hände. „Sie wollen eine weitere Eskalation, damit sie ihre | |
| Umsturzfantasien damit befeuern können.“ | |
| Die Coronaprotestierenden in Sachsen scheint das nicht zu stören. | |
| Berührungsängste mit den „Freien Sachsen“ sind auf den Protesten kaum | |
| sichtbar, deren Telegramkanal wuchs zuletzt rasant. Und inzwischen hat die | |
| Gruppe auch Ableger in mehreren anderen Bundesländern. Als „Flächenbrand“ | |
| glorifizieren die „Freien Sachsen“ das. | |
| ## Kohlmann schon Wortführer bei Chemnitz-Unruhen | |
| Anführer Kohlmann predigte den Widerstand dagegen schon, als es Corona noch | |
| gar nicht gab. Schon 2018, bei den Chemnitz-Unruhen, rief er zu mehr als | |
| Protest auf: „Wenn es eine funktionierende Justiz gibt, brauchen wir keine | |
| Selbstjustiz. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass es die nicht gibt.“ Und | |
| Kohlmann zog schon da [9][Parallelen zur Wende 1989]: „Auch damals ahnte | |
| keiner, wie schnell sich die Zeiten ändern können.“ Sätze, die heute wieder | |
| erklingen. | |
| Und die Widerstandsaufrufe scheinen zu verfangen. Immer wieder kommt es bei | |
| den Coronaprotesten zu Angriffen auf Polizeikräfte und Journalisten. Das | |
| sächsische Innenministerium zählte seit März bereits 891 Straftaten mit | |
| „Bezug zur Covid-19-Pandemie“, auch auf Impfzentren. Für einen Aufschrei | |
| sorgten 30 Protestierende, die [10][mit Fackeln vor das Haus von Köpping] | |
| zogen. Die „Freien Sachsen“ verbreiteten die Bilder dazu, feierten es als | |
| „Bürgerbesuch“. Wenig später ging die Polizei gegen sächsische Mitglieder | |
| einer Telegramgruppe vor, die offenbar [11][Mordpläne gegen Kretschmer] | |
| hegte. | |
| Die „Freien Sachsen“ relativierten die Taten. Was bei der Köpping-Bedrohung | |
| denn passiert sei, fragte Stefan Hartung danach. „Nix!“ Vielmehr redete die | |
| Gruppe von „Jammerorgien“. Zum Mordkomplott gegen Kretschmer betonte | |
| Kohlmann zwar, dass der Protest friedlich bleiben müsse. Es klang | |
| allerdings eher nach Eigennutz: „Nichts hilft dem Feind in der jetzigen | |
| Situation propagandistisch mehr als eigene Opfer.“ Im gleichen Statement | |
| macht sich Kohlmann wieder über „den Pumuckl“ lustig. | |
| Für den Coronaprotest bedeuten die „Freien Sachsen“ einmal mehr eine | |
| [12][Radikalisierung]. Zumindest in Sachsen überflügelt der rechtsextreme | |
| Trupp nun die Reichweite vieler Querdenkergruppen, führt die Proteste an. | |
| Und auch Neonazi-Gruppen wie der „III. Weg“ laufen dort ungestört mit. | |
| ## Linke und SPD fordern Verbot | |
| Die Linkspartei und die mitregierende sächsische SPD fordern nun ein Verbot | |
| der „Freien Sachsen“. Die heizen auch nach dem öffentlichen Druck die | |
| Stimmung weiter an. Und appellieren, sich nicht spalten zu lassen: „Das | |
| Gebot der Stunde lautet: Zusammenhalt, quer durch alle politischen ‚Lager‘ | |
| und Richtungen, die sich dem Wahnsinn widersetzen.“ | |
| Verfassungsschutzchef Christian konstatiert, dass das durchaus | |
| funktioniert. Von einer „auffälligen Distanzlosigkeit nicht-extremistischer | |
| Protestteilnehmer gegen Extremisten“ spricht er. „Die Erosion der | |
| politischen Mitte hat bereits begonnen.“ Und: „Ein Ende der Gewaltspirale | |
| ist derzeit nicht absehbar.“ Im Gegenteil schwant Christian Übles, wenn nun | |
| auch noch die Impfpflicht komme. Diese würde „wie ein Katalysator wirken | |
| und die Radikalisierung der Impfgegner und Coronaleugner nur noch weiter | |
| verstärken“. | |
| 20 Dec 2021 | |
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| Konrad Litschko | |
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