# taz.de -- „Freie Sachsen“ im Corona-Protest: Rechte, die eine Partei sein… | |
> Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ mobilisieren maßgeblich zu | |
> Coronaprotesten und gründeten sich als Partei. Um sich vor einem Verbot | |
> zu schützen? | |
Bild: Polizeieinsatz bei Coronademonstration in Dresden: die „Freien Sachsen�… | |
BERLIN/DRESDEN taz | Es ist so wie mit den „Spaziergängen“ der | |
Coronaleugner:innen, die in der Realität oft unangemeldete und damit | |
illegale Aufmärsche sind. In Sachsen hat sich die rechtsextreme | |
Gruppierung, die maßgeblich zu diesen oft in Gewalt ausartenden Protesten | |
mobilisiert, zur Partei erklärt. Doch haben die „[1][Freien Sachsen]“ | |
überhaupt vor, jemals bei der Bundestagswahl oder wenigstens einer | |
Landtagswahl anzutreten? Daran gibt es berechtigte Zweifel. | |
Die Frage kann dann bedeutsam werden, wenn über das Verbot einer | |
politischen Vereinigung diskutiert wird – bei Parteien ist das deutlich | |
schwerer als bei anderen Organisationen. | |
Die „Freien Sachsen“ gründeten sich [2][im Februar 2021 als Partei]. In | |
ihrer Satzung heißt es zwar, man nehme an „öffentlichen Wahlen und am | |
Parteienwettbewerb“ teil. Gleichzeitig erklärte sich die Gruppe aber als | |
„Sammlungsbewegung“, die „patriotischen Initiativen“ und Aktivisten ein | |
Dach bieten wolle. | |
## Der Bundestag sieht Klärungsbedarf | |
Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck erhielt vom Referat | |
Parteienfinanzierung des Bundestages nun die Auskunft, dass die „Freien | |
Sachsen“ zwar in die Unterlagensammlung des Bundeswahlleiters aufgenommen | |
und somit „vorerst als Partei angesehen“ werden. Einen Rechenschaftsbericht | |
muss die erst im Februar 2021 gründete Vereinigung frühestens zum 30. | |
September 2022 einreichen. | |
„Aktuell nicht einzuschätzen“ sei indes, ob die „Freien Sachsen“ über | |
„hinreichend gefestigte Strukturen“ verfügen, um „ausreichende Gewähr f… | |
die Ernsthaftigkeit“ des Ziels einer Vertretung des Volkes im Bundestag | |
oder einem Landtag zu bieten, heißt es in dem Vermerk. Über die formalen | |
Anforderungen wie Wahlteilnahme oder Rechenschaftsbericht hinaus prüft der | |
Bundestag nicht, ob die Partei-Eigenschaft tatsächlich gegeben ist oder ob | |
eine Partei die demokratische Grundordnung beeinträchtigen will. | |
Für Beck ist die Situation unbefriedigend. Er sieht Handlungsbedarf beim | |
Wahlausschuss, der Bundestagspräsidentin als Parteienfinanzierungsbehörde | |
und den Finanzämtern. Durch die neue [3][Rechtsprechung des | |
Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot] seien Parteien mit | |
verfassungswidriger Ausrichtung „relativ gut vor Verboten geschützt“, so | |
der Grüne zur taz. Vereine mit gleicher Ausrichtung könnten über das | |
Vereinsgesetz einfacher verboten werden. | |
Beck sieht einen „Anreiz für Mitglieder aus verbotenen Parteien wie | |
Kameradschaften, sich in Scheinparteien zusammenzuschließen und nur pro | |
forma an Wahlen teilzunehmen, um an dem privilegierten Parteienstatus mit | |
Schutz vor Verbot und steuerrechtlichen Privilegien teilzuhaben“. | |
## Vorbild: die Neonazi-Partei III. Weg | |
So hat es etwa die Neonazi-Kleinpartei „[4][Der III. Weg]“ gemacht, die | |
sich auf Strukturen des verbotenen „Freien Netzes Süd“ stützte. Sie gab | |
über Jahre verspätet ihre Rechenschaftsberichte ab, beteiligte sich dann | |
2021, acht Jahre nach ihrer Gründung, zum ersten Mal an der Bundestagswahl. | |
Mit mickrigem Resultat: 7.832 Zweitstimmen, 0,0 Prozent. | |
Ähnlich wie Beck schätzt auch die Rechtsextremismusexpertin der sächsischen | |
Linkenfraktion, Kerstin Köditz, das Problem ein: „Aus meiner Sicht sind die | |
‚Freien Sachsen‘ keine Partei, obwohl sie sich so nennen.“ Vorbereitungen | |
für die Teilnahme an einer Wahl im Land oder im Bund seien nicht zu | |
erkennen. Wenigstens im Moment arbeite die Gruppe nicht auf eine | |
parlamentarische Repräsentanz hin, „sondern auf Straßenpräsenz“. | |
Und weil es am „tatsächlichen parteitypischen Agieren“ fehle, müsse auch | |
ein Verbot der verfassungsfeindlichen Gruppe geprüft werden. Und das | |
zeitnah, verlangt Köditz. Weil die „Freien Sachsen“ ausschließlich in | |
Sachsen aktiv sind, sollte aus ihrer Sicht eine Verfügung des | |
Landesinnenministers Roland Wöller (CDU) genügen. | |
16 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Freie-Sachsen-heizen-Coronaprotest-an/!5820715 | |
[2] /Freie-Sachsen-heizen-Coronaprotest-an/!5820715 | |
[3] /NPD-Verbot-wurde-abgelehnt/!5374522 | |
[4] /Rechtsradikale-Kleinstpartei-III-Weg/!5803324 | |
## AUTOREN | |
Matthias Meisner | |
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