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# taz.de -- 24 Todesfälle in Gewahrsam: Wie fahrlässig handelte die Polizei?
> Die taz hat 24 Fälle untersucht, bei denen Menschen, die von Rassismus
> betroffen waren, in Gewahrsam ums Leben kamen. Eine Dokumentation.
Bild: Ist man besonders fahrlässig mit den Opfern umgegangen?
Die Ermordung von [1][George Floyd] in Minneapolis durch vier Polizisten
hat in Erinnerung gerufen, dass in mehrheitlich weißen Gesellschaften
Rassismus in der Polizei ein Problem ist. Und Deutschland ist da keine
Ausnahme.
Rassismus ist alltäglich und durchzieht die gesamte Gesellschaft –
natürlich betrifft er auch die Polizei. Weil diese durch das Gewaltmonopol
eine herausgehobene Machtposition hat, sollte besonders genau hingesehen
werden, wenn Menschen in ihrer Obhut sterben. Diese Fälle müssen penibel
aufgeklärt werden. Das dient letztlich auch der Polizei – und dem Vertrauen
der Bevölkerung in die Institution.
Racial Profiling ist Alltag. Selbst nichtweiße Polizeibeamte wie der
Pressesprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz, erfahren am eigenen
Leib, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe als verdächtig eingestuft werden,
wenn sie in Zivil unterwegs sind. Cablitz hat vor zwei Wochen [2][in einem
taz-Interview] im Berlinteil davon erzählt. Bundesinnenminister Horst
Seehofer möchte dennoch keine Studie zu Racial Profiling in Auftrag geben,
obwohl das Gremium des Europarats gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri)
genau das empfohlen hatte. Seehofer sieht aber keinen Bedarf. Dabei
verstößt Racial Profiling gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.
Laut [3][einer 2017 veröffentlichten Erhebung der europäischen
Grundrechteagentur] wurde ein Drittel der Schwarzen Menschen in Deutschland
in den vergangenen fünf Jahren von der Polizei kontrolliert. 42 Prozent von
ihnen glauben, dass sie nur aufgrund ihrer Herkunft angehalten wurden. Das
ist der fünfthöchste Wert in der Europäischen Union.
In der Erhebung der Europäischen Grundrechteagentur wurde deutlich, dass
besonders häufig Menschen mit einem nordafrikanischen oder subsaharischen
Migrationshintergrund angaben, von der Polizei wegen ihrer Herkunft
kontrolliert worden zu sein. Minderheiten mit einem russischen
Migrationshintergrund glaubten in der Regel nicht, dass sie wegen ihrer
Herkunft kontrolliert wurden. Das zeigt, dass Hautfarbe eine Rolle spielt.
Seit vielen Jahren arbeiten zivilgesellschaftliche Initiativen daran,
dieses Problem in Deutschland öffentlich zu thematisieren. Zu diesen
Gruppen zählt etwa [4][die Antirassistische Initiative (ARI) aus Berlin],
die in der vergangenen Woche die nunmehr 27. Aktualisierung ihrer Chronik
„Bundesrepublikanische Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“
vorlegte.
Geflüchtete, so schreibt die ARI, seien polizeilichen Aktionen in
besonderem Maße ausgesetzt, sei es durch sprachliche Barrieren oder an
„Orten der Isolation – Haftzellen, Flüchtlingslager oder Abschiebeflugzeuge
–, in denen Gewalt ausgeübt wird“. Tötungen oder schwere Verletzungen
würden mit „Notwehr“ gerechtfertigt, Ermittlungen gegen PolizistInnen
schnell eingestellt. Das liegt auch daran, dass es keine unabhängige Stelle
für Ermittlungen gibt – gibt es Vorwürfe gegen die Polizei, ermittelt sie
gegen sich selbst. Das ist ein strukturelles Problem.
Wir möchten dieser Debatte mit journalistischen Mitteln begegnen und sie
mit Fakten unterfüttern. Deshalb haben wir etwa 40 Fälle aus den
vergangenen fünf Jahren genauer untersucht, bei denen Menschen, die von
Rassismus betroffen waren, in Polizeigewahrsam umgekommen sind.
24 Fälle dokumentieren wir hier ausführlicher. Sie zeigen, wie schnell ein
Mensch sterben kann. Durch die Fälle zieht sich ein Muster aus
Überforderung, Schlampigkeit und Gleichgültigkeit der Behörden. Und leider
fehlt es auch viel zu oft an Aufklärungswillen.
In die Sammlung aufgenommen haben wir Fälle, bei denen Menschen in Haft,
Sicherheitsgewahrsam oder bei einem Polizeieinsatz umgekommen sind. Nicht
gelistet sind Menschen, die selbst eine Feuerwaffe hatten, Geiseln genommen
oder außenstehende Dritte auf andere Weise willentlich in Lebensgefahr
gebracht haben. Wenn die Menschen mit einem Messer bewaffnet waren, tauchen
sie jedoch in der Dokumentation auf. Oft ist die Existenz des Messers
zumindest zweifelhaft, und außerdem kann man davon ausgehen, dass die
Polizei in der Lage ist, Menschen mit einem Messer zu entwaffnen, ohne sie
zu töten.
In die Dokumentation aufgenommen wurden alle Todesfälle von Menschen, die
von Sicherheitsbehörden als fremd wahrgenommen werden – sei es aufgrund
ihrer Hautfarbe oder aufgrund dessen, dass sie kein Deutsch können.
Darunter fallen Menschen mit Migrationshintergrund, ausländische
Staatsbürger und People of Color.
Die Gruppe „Death in Custody“ hat uns ihre Vorrecherche zum Thema zur
Verfügung gestellt, wofür wir uns herzlich bedanken. Die 2019 gebildete
Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, alle Fälle in Deutschland zu
dokumentieren, in denen Menschen, die von Rassismus betroffen sind, seit
1990 in Gewahrsam gestorben sind. Bislang hat sie [5][161 Fälle in ihre
Chronologie] aufgenommen.
RedakteurInnen, KorrespondentInnen und AutorInnen der taz haben die Fälle
untersucht und weitere Informationen gesammelt. Wir hoffen, damit dazu
beizutragen, dass die Aufmerksamkeit, die der Tod George Floyds auf die
Probleme auch in unserem Land gerichtet hat, wach bleibt. Christian Jakob
und Steffi Unsleber
## Yaya Jabbi, 19. 2. 2016, Hamburg
Am 15. Januar wird der 21-jährige Yaya Jabbi aus Guinea-Bissau in einer
Seitenstraße der Hamburger Reeperbahn festgenommen. Die Polizei findet 1,65
Gramm Marihuana bei ihm. Eine Kleinstmenge, die weit unter dem Eigenbedarf
liegt – jedenfalls bei weißen Menschen. Die Polizei geht davon aus, dass
Jabbi dealt, und steckt ihn in Untersuchungshaft. Wegen seiner Verbindungen
zum Ausland bestehe Fluchtgefahr, urteilen die Haftrichter*innen. Einen
Monat nach seiner Inhaftierung ist Jabbi tot. Am 19. Februar finden ihn
Mitarbeiter*innen der Justizvollzugsanstalt aufgehängt an der
Gardinenstange seiner Zelle.
Für die Behörden ist der Fall abgeschlossen: Yaya Jabbi hat sich in seiner
Zelle erhängt, ein Gutachten bestätigt den Suizid. Die Obduktion wird
damals von Klaus Püschel durchgeführt, dem Leiter des Instituts für
Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Bei der
Untersuchung stellt der Gerichtsmediziner keine Anzeichen von
Fremdeinwirkung fest.
Püschel ist auch aus anderen Kontexten bekannt: Von 2001 bis 2006
verantwortete er den Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Dealern.
Während eines solchen Einsatzes stirbt der Nigerianer Achidi John. 2015
lässt Püschel die Genitalien von Geflüchteten vermessen, um ihr Alter zu
bestimmen.
Nach Yaya Jabbis Tod will die Familie ihn so bald wie möglich beerdigen, so
kommt es zu keinem zweiten Gutachten. Aber seine Angehörigen und
Freund*innen glauben nicht an einen Suizid. Sie beschreiben Jabbi als
fröhlichen Menschen. Auch das Suizidscreening in der Untersuchungshaft habe
keine Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr ergeben, schreibt die Initiative
Remember Yaya Jabbi unter Berufung auf die Justizbehörde auf ihrer Website.
Mit der Initiative kämpft der Bruder des Verstorbenen, Abou Jabbi, gegen
dessen Vergessen. Katharina Schipkowski
## Amos Thomas, 13. 7. 2016, Erharting bei Mühldorf am Inn
Der 62-jährige Amos Thomas soll aus einem Altenpflegeheim in Erharting,
Oberbayern, in die Psychiatrie gebracht werden. Er leidet an einer
chronischen Schizophrenie und hat die Wahnvorstellung, er sei Gott.
Thomas stammt ursprünglich aus Liberia und ist 1993 nach Deutschland
gekommen, hier lebt er mit einer Duldung. An dem besagten Morgen soll er
sich aggressiv verhalten haben, deshalb werden für den Krankentransport
zwei Polizeibeamte hinzugezogen. Als es zu dem tödlichen Vorfall kommt,
befinden sich in dem kleinen Raum neben Thomas sein Mitbewohner,
DRK-Mitarbeiter, Heimpersonal und die Polizisten. Thomas geht mit einem
Messer auf einen Polizisten los und verletzt ihn am Bein. Daraufhin wird er
erschossen.
Der Fall kommt zur Staatsanwaltschaft Traunstein. Ein Jahr später teilt sie
in einer Pressemitteilung mit, dass „keine Ermittlungen gegen eine
bestimmte Person eingeleitet“ worden seien. Ihrer Auffassung nach sei der
Schusswaffengebrauch rechtmäßig gewesen, da einer der Beamten durch den
Messerstich so schwer verletzt worden sei, „dass konkrete Lebensgefahr
bestand“. Nach dem Messerangriff hätten beide Beamte ihre Dienstwaffe
gezogen „und gaben insgesamt vier Schüsse ab“.
Thomas war sofort tot.
Michael Gaertner war der rechtliche Betreuer von Amos Thomas. Er sagt:
„Amos konnte aggressiv werden, war aber letztlich harmlos. Wenn er
austickte, konnte ich ihn runterholen.“ Patrick Guyton
## Hussam Fadl, 27. 9. 2016, Berlin
Hussam Fadl lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der
Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Moabit, als es am Abend des 27. September
2016 zu einem Polizeieinsatz kommt. Die Polizist:innen sind angerückt,
um einen Mann festzunehmen, der Kinder in der Unterkunft sexuell
missbraucht haben soll – darunter auch die sechsjährige Tochter von Hussam
Fadl.
Der Verdächtige sitzt bereits im Polizeiwagen, als Fadl auf das Auto
zuläuft, er soll aufgebracht gewesen sein. Dann schießen drei Polizisten
insgesamt viermal von hinten auf ihn. Wenige Zeit später stirbt er im
Krankenhaus.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt: Warum haben die Polizisten geschossen?
Die Polizei gibt an, Fadl habe ein Messer bei sich gehabt. Doch es gibt
Zeug:innen, die dem widersprechen. Auf einem später sichergestellten Messer
sind keine Fingerabdrücke des Mannes zu finden.
Der Hauptzeuge und Verdächtige im Missbrauchsfall wird nach Pakistan
abgeschoben, bevor er von Ermittler:innen befragt werden kann. Trotz
der Widersprüche stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren im Mai 2017
ein. Es heißt, die Polizist:innen hätten aus Notwehr gehandelt.
Im Mai 2018 weist das Kammergericht Berlin die Staatsanwaltschaft an, die
Ermittlungen wieder aufzunehmen. In einer Begründung heißt es, die Umstände
seien „unzureichend aufgeklärt“. Das Gericht zweifle an einer „sorgfält…
Ermittlungstätigkeit“. Die Witwe Fadls und ihr Anwalt hoffen auf eine
öffentliche Hauptverhandlung. [6][Doch die Ermittlungen laufen bis heute
nur schleppend]. Die Staatsanwaltschaft Berlin wollte sich gegenüber der
taz bis Redaktionsschluss nicht äußern. Sarah Ulrich
## Dschaber al-Bakr, 12. 10. 2016, Leipzig
Am 12. Oktober wird Dschaber al-Bakr tot in seiner Zelle in der
Justizvollzugsanstalt Leipzig gefunden. Er hat sich erhängt. Nur wenige
Tage zuvor war der 22-jährige Syrer verhaftet worden, Dschabar al-Bakr soll
einen islamistischen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen
geplant haben. Er war einer Verhaftung zunächst entgangen, drei Syrer
übergaben ihn schließlich der Polizei. In al-Bakrs Wohnung fanden sich 1,5
Kilogramm hochexplosiver Sprengstoff.
Da al-Bakr jede Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verweigerte, hatte die
Haftrichterin auf eine erhöhte Suizidgefahr hingewiesen. Die
Anstaltspsychologin hingegen stufte al-Bakr nur als „mäßig suizidgefährdet…
ein, was eine später eingesetzte Expert*innenkommission in einer
Pressemitteilung als „sehr nachvollziehbar“ bezeichnete.
[7][Die Expert*innen sahen keine Mängel in der Kontrolle] – wohl aber in
der Betreuung des Gefangenen, dem etwa kein Hofgang gewährt wurde. Auch
habe die Justizvollzugsanstalt wichtige Informationen zum Inhaftierten
„nicht oder zu spät“ erhalten. Welche das gewesen seien, spezifiziert die
Kommission in ihrer Pressemitteilung nicht.
Der 184 Seiten lange Bericht der Kommission ist nicht öffentlich, aber die
Leipziger Volkszeitung zitiert daraus: „Der Untersuchungsgefangene hätte zu
keinem Zeitpunkt allein gelassen werden dürfen.“
Es sei „wiederholt gegen gesetzliche Vorgaben, allgemeine Richtlinien sowie
Weisungen verstoßen“ worden. „Der Gefangene wurde unangemessen betreut, und
es wurde Sachverhalten nicht nachgegeben, die als Anzeichen für die
Entwicklung einer Suizidgefahr hätten wahrgenommen werden können.“
Die Familie al-Bakrs erstattete Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung. Im
Juni 2017 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein. Dinah Riese
## Name unbekannt, 17. 10. 2016, Bielefeld
Es ist bereits Mitternacht, als die Polizei Bielefeld am 15. Oktober zu
einem Einsatz im Stadtteil Brake gerufen wird. Nachbar:innen haben sich
über Lärm beschwert, ein türkischer Mann, zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt,
schreie auf der Straße. Die Polizei findet ihn vor der Haustür seiner
Ehefrau, später heißt es, sie habe ihn rausgeworfen.
Die Beamten nehmen den Mann fest, fixieren ihn mit Kabelbindern, drücken
ihn mit dem Bauch nach vorne auf den Rasen. Zeug:innen berichten, der
Festgenommene habe nach Allah geschrien, gerufen: „Die wollen mich
umbringen.“ Sie sagen auch, ein Beamter habe sich daraufhin auf ihn
gesetzt und sein Gesicht in den Rasen gedrückt. Ein Zeuge will gehört
haben, wie ein Beamter sagt: „Ruf du nur weiter nach deinem Gott.“
Da der Mann unter Substanzeinfluss steht und, wie die Staatsanwaltschaft
später sagt, „drogenpsychotisches Verhalten“ an den Tag legt, wird ein
Krankenwagen gerufen. Während des Abtransports kollabiert der Mann, wird
mehrfach wiederbelebt. Am zweiten Tag nach der Festnahme stirbt er im
Krankenhaus an einem Herzinfarkt.
Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Obduktion, bei der zahlreiche
Hämatome im Gesicht sowie Abschürfungen und Schnittwunden durch die
Kabelbinder festgestellt werden. Die Witwe schaltet einen Anwalt ein. Sie
wirft der Polizei unverhältnismäßige Härte vor und will prüfen lassen, ob
die Festnahme mit dem Tod ihres Mannes zu tun hatte. Gegen den Beamten wird
zunächst wegen fahrlässiger Tötung ermittelt, die Ermittlungen werden aber
wenige Monate später eingestellt.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bielefeld sagt gegenüber der taz, die
rechtsmedizinische Untersuchung habe eindeutig ergeben, dass es „keine
Hinweise auf eine Kausalität zwischen der Gewalteinwirkung und dem
Herzinfarkt“ gebe. Die Gewalteinwirkungen seien „gerechtfertigt“ gewesen,
da der Mann „massive Gegenwehr gegen rechtmäßige polizeiliche Maßnahmen
geleistet“ habe. Sarah Ulrich
## Name unbekannt, 19. 2. 2017, Herten
Ein 30-jähriger Tunesier, der in einer Psychiatrie der
nordrhein-westfälischen Stadt Herten behandelt wird, läuft am Abend des 19.
Februar unerlaubt von dort weg. Er dringt in die Wohnung einer 72-jährigen
Frau ein, die zu ihrer Nachbarin flüchtet und die Polizei ruft. Nach dem
Eintreffen schießt ein Beamter auf den Eindringling. Der Obduktionsbericht
ergibt, dass der Mann an einer Kugel in der linken Brust starb. Am Tatort
wird ein Messer gefunden, mit dem der Mann die Polizeibeamten bedroht haben
soll. Lea Fauth
## Mikael Haile, 27. 4. 2017, Essen
In der Nacht zum 27. April werden Beamt*innen der Polizei Essen wegen
Ruhestörung gerufen. Der Nachbar, der die Polizei rief, hatte zuvor bei
Mikael Haile geklingelt. „Meine Wohnung, meine Wohnung“, soll Haile
geantwortet haben, bevor er die Tür schloss. In Medienberichten beschreibt
der Nachbar den 22-Jährigen als ruhig und freundlich. Einige Male soll er
abends „Krach“ gemacht haben.
Mikael Haile war aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet und wohnte in
einer Sozialwohnung in Altenessen. Girmay Habtu, der sich seit 20 Jahren
ehrenamtlich um junge Geflüchtete kümmert, war mehrfach dort und beschreibt
die Wohnung als „sehr hellhörig“. Fernseher, Radio oder andere Geräte soll
Haile bis zu seinem Tod nicht gehabt haben. Deutsch habe Haile nur
gebrochen gesprochen. Doch „er war motiviert und wollte was erreichen“,
sagt Habtu.
Als die beiden Polizeibeamten bei Haile klingeln, sollen sie sich
„deutlich“ identifiziert haben, so steht es in einer Antwort der
Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Haile soll die Tür mit einem
Küchenmesser in der Hand geöffnet haben. Trotz „mehrfacher, eindrücklicher
und laut vernehmlicher Aufforderung“ habe Haile das Messer nicht fallen
gelassen.
Die beiden Beamten sind die einzigen Zeugen. Sie hätten ihre Pistolen auf
Haile gerichtet und sich „rückwärtsgehend durch den Flur zurückgezogen“.
Haile soll auf die beiden Männer mit den gezogenen Schusswaffen zugestürmt
sein und versucht haben, sie mit seinem 20-Zentimeter-Küchenmesser
anzugreifen. „Nur durch einen gezielten Schuss“ habe ein Beamter „den
unmittelbar lebensgefährdenden Angriff […] abwenden können“, so die
Staatsanwaltschaft Essen. Der Schuss traf Haile in die Brust.
Girmay Habtu bezweifelt die Darstellung der beiden Beamten und wirft ihnen
vor, über Notwehr hinaus gehandelt zu haben. „Warum haben sie ihm nicht ins
Bein geschossen?“ Die Staatsanwaltschaft Essen hat das Handeln der
Polizisten als Notwehr eingestuft und die Ermittlungen eingestellt. Anett
Selle
## Name unbekannt, 22. 1. 2018, Darmstadt
Die Darmstädter Polizei wird wegen eines nächtlichen Familienstreits
gerufen. Eine Frau gibt an, sie werde von ihrem Ehemann geschlagen. Als
die Polizeibeamten eintreffen, seien sie bereits an der Wohnungstür von
dem mit zwei Messern bewaffneten Ehemann erwartet worden, geben sie später
zu Protokoll. Es fallen mehrere Schüsse.
Der Mann, ein 40-jähriger kasachischer Staatsbürger, stirbt an seinen
Verletzungen. Seine Ehefrau und die beiden Kinder, 16 und 18 Jahre alt,
bleiben unverletzt. Die Kinder erleiden allerdings einen Schock und müssen
im Krankenhaus behandelt werden.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt stellt das Ermittlungsverfahren ein. Zur
Begründung erklärt sie der taz: „Aufgrund der Nähe des Angreifers, der
Bewaffnung mit zwei Messern und dem begrenzten Raum im Treppenhaus war von
der Schusswaffe Gebrauch zu machen, auch wenn der Angreifer dadurch
tödliche Schussverletzungen erleidet. Für die Abgabe eines Warnschusses
blieb in dieser Situation keine Zeit mehr.“ Christoph Schmidt-Lunau
## Hamit P., 9. 2. 2018, Wuppertal
Am Mittag stürmen SEK-Beamte die Wohnung von Hamit P. Der 43-Jährige soll
der regionale Anführer der sogenannten Osmanen Germania BC sein, einer
Gruppe von türkischnationalen Rockern, die als gewaltbereit gilt und
inzwischen vom Innenministerium verboten wurde. Nach einem Hinweis eines
Aussteigers erlässt ein Richter einen Haftbefehl gegen Hamit P.,
Spezialkräfte der Wuppertaler Polizei sollen die Festnahme durchführen.
Als die SEK-Beamten die Tür aufbrechen, werfen sie eine Blendgranate, die
im Flur detoniert. Ein Beamter stürmt ins Wohnzimmer, wo er Hamit P.
antrifft – laut Medienberichten nur mit Handtuch und Unterhemd bekleidet.
Der Beamte schießt auf Hamit P., dieser erliegt noch vor Ort seinen
Verletzungen.
Der Beamte sagt später aus, Hamit P. habe einen dunklen Gegenstand in der
Hand gehabt, außerdem sei er von dem Druck und Knall einer weiteren von
Kolleg:innen gezündeten Blendgranate irritiert worden. Er habe geglaubt,
Hamit P. hätte auf ihn geschossen.
Gegen den SEK-Beamten wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Aus
Neutralitätsgründen übernimmt die Polizei Essen die Ermittlungen. Dabei
stellt sich heraus, dass der dunkle Gegenstand in Hamit P.s Hand ein Handy
gewesen sein soll. Später heißt es jedoch, sein Handy sei an einem
Ladegerät gefunden worden. Unklar bleibt, warum eine zweite Blendgranate
gezündet wurde. Im Januar 2019 stellt die Staatsanwaltschaft mangels
Tatverdacht die Ermittlungen ein. Es habe sich um ein „tragisches
Missverständnis“ gehandelt.
Die Familie von Hamit P. legt Einspruch gegen die Einstellung ein. Seit
Anfang 2020 hat die Polizei Essen die Ermittlungen wieder aufgenommen. Ein
Sprecher bestätigt das gegenüber der taz. Von der Staatsanwaltschaft heißt
es, der Sachverhalt werde nun noch einmal „detaillierter aufgeklärt“. Sarah
Ulrich
## Bekir B., 1. 3. 2018, Neubrandenburg
In der Nacht beobachtet eine Frau, wie drei Männer in ein Döner-Bistro am
Juri-Gagarin-Ring in Neubrandenburg einbrechen, und alarmiert die Polizei.
Die beiden Beamten, die zuerst am Tatort sind, fordern die Einbrecher mit
gezogener Waffe zum Verlassen des Objekts auf. Mit erhobenen Händen kommen
die Männer in dem dunklen Raum auf sie zu, ehe der 27-jährige Bekir B.
ihnen den Rücken zuwendet. Laut Staatsanwaltschaft ignoriert er die
Aufforderung, sich hinzulegen. Stattdessen dreht er sich um und sprüht
einem Beamten Reizgas ins Gesicht. Aus zwei bis drei Metern Entfernung
feuert dieser einen Schuss ab, der B. in den Oberkörper trifft. Der
Verletzte wird in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem er noch in der Nacht
stirbt.
Die beiden anderen Tatverdächtigen werden mit ihrer Beute in Höhe von
30.000 Euro festgenommen. Der Tote und ein Komplize, beide mit deutscher
Staatsbürgerschaft, sollen der aus dem Libanon stammenden Familie Miri
angehören, deren Mitglieder zum Teil mit organisierter Kriminalität in
Verbindung gebracht werden.
Noch am selben Tag sagt der Kreisgruppenvorsitzende der Gewerkschaft der
Polizei in Neubrandenburg, Andreas Wegner, dem Nordkurier, dass sich der
Beamte richtig verhalten habe. Ende April schließt die Staatsanwaltschaft
den Fall ab. Der Einsatz der Schusswaffe sei im Rahmen des Notwehrrechts
erfolgt und damit gerechtfertigt, so Oberstaatsanwalt Gerd Zeisler; ein
„milderes Mittel“ habe dem Beamten „nicht zur Verfügung“ gestanden. Er…
Peter
## Name unbekannt, 10. 4. 2018, Bremervörde
Im Gefängnis Bremervörde im niedersächsischen Landkreis Rotenburg (Wümme)
begeht ein aus dem Irak stammender Häftling Suizid, obwohl der
psychologische Dienst der Anstalt zuvor eine Suizidabsicht verneint hatte.
Der Geflüchtete wird erst so spät in seiner Zelle entdeckt, dass bereits
die Leichenstarre eingesetzt hat. Der Gefangene hatte sich mit einem
Schnürsenkel im Nassbereich an der Tür stranguliert. Der Iraker hinterlässt
sieben Kinder. Reimar Paul
## Matiullah Jabarkhil, 13. 4. 2018, Fulda
Matiullah Jabarkhil wird am frühen Morgen von einem Polizisten im
hessischen Fulda erschossen. Der 19-jährige Afghane lebte unweit des
Tatorts in einer Unterkunft für Geflüchtete. Die Polizei gibt an, Jabarkhil
habe den Auslieferungsfahrer einer Bäckerei sowie einen Streifenbeamten mit
einem faustgroßen Stein verletzt und sei anschließend mit dem
Teleskopschlagstock des Polizisten geflohen. Bei der Verfolgung durch einen
Beamten habe dieser insgesamt zwölf Schüsse abgegeben, von denen zwei
tödlich waren.
[8][Die tödlichen Schüsse seien „durch Notwehr gerechtfertigt“], heißt es
in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Fulda. Jabarkhil habe den
beschuldigten Beamten mit dem entwendeten Schlagstock angegriffen, der
daraufhin in schneller Folge acht Schüsse abgegeben habe. Zuvor hatte der
Beamte Jabarkhil bei der Verfolgung mehrfach verfehlt.
Das gegen den Polizeibeamten eingeleitete Ermittlungsverfahren war im
Januar 2019 zum ersten Mal eingestellt worden. Nach dem Fund eines
Handyvideos, auf dem Teile des Geschehens kurz vor den tödlichen Schüssen
zu sehen sind, wurden die Ermittlungen im März 2019 wieder aufgenommen und
im August 2019 zum zweiten Mal eingestellt. Die Anwältin der Angehörigen
des Getöteten hat Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung eingereicht.
Für die Gruppe Afghan Refugees Movement bleiben viele Fragen offen. Warum
konnten die vier bis fünf anwesenden bewaffneten Polizeibeamten den 1,70
Meter großen Mann, der sich offensichtlich in einem psychischen
Ausnahmezustand befand, nicht festnehmen, ohne ihn zu erschießen? Warum
wurde Jabarkhil rund 200 Meter entfernt von der Bäckerei getötet, wenn es
sich um Notwehr gehandelt haben soll? In den frühen Morgenstunden waren
keine umstehenden Personen gefährdet – warum wartete man nicht auf
Verstärkung? Henrike Koch
## Mahmood J., 30. 5. 2018, Flensburg
Er wollte nach Kiel und hatte den Umstieg verpasst, sie half ihm dabei,
eine neue Zugverbindung zu finden. Warum der 24-jährige Mahmood J., der
2015 aus Eritrea nach Deutschland kam, bei der Fahrt im Intercity 2406 nach
Flensburg wenig später ein Küchenmesser zieht und auf die 22-jährige
Bundespolizistin einsticht, ist auch zwei Jahre danach nicht ganz klar.
Die Beamtin erschießt ihn.
Unklar waren zunächst auch die Abläufe: Die ersten Meldungen besagten, die
Beamtin, die in Bremen tätig war, habe einen Streit zwischen Mahmood J. und
einem Mann aus Köln schlichten wollen. Dann hieß es, sie sei angriffen
worden und habe im Reflex geschossen. Laut ihrer eigenen Aussage stand die
Beamtin an der Waggontür, um auszusteigen, als der Zug in den Flensburger
Bahnhof einfuhr. J. habe auf sie eingestochen, woraufhin der Kölner sich
einmischte. Die Beamtin sei ins Nachbarabteil gelaufen, um Alarm zu
schlagen, sei zu dem Kampf zurückgekehrt und habe geschossen, um den Kölner
zu schützen.
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen widmet sich dem Fall, das
Innenministerium schreibt einen Bericht. Demnach soll der Eritreer, der in
Recklinghausen lebte und nach eigener Auskunft über Italien und Österreich
nach Deutschland kam, kriegstraumatisiert und aggressiv gewesen sein. Am 6.
April 2018 hatte er einen Nachbarn, ebenfalls geflüchtet, gebissen. Die
Flüchtlingshilfe der Caritas ordnete eine psychiatrische Untersuchung an –
dazu kommt es nicht mehr. Esther Geißlinger
## Amad Ahmad, 29. 9. 2018, Kleve
In Geldern am Niederrhein wird Amad Ahmad am 6. Juli 2018 verhaftet. Der
Kurde soll vier junge Frauen verbal „sexuell beleidigt“ haben. Der Vater
einer der Frauen ist Polizist – sie ruft ihn auf seinem Diensttelefon an.
Der damals 26-jährige Amad Ahmad wird festgenommen – und für einen
gesuchten Vergewaltiger gehalten.
Doch das ist er nicht. Die „vermeintlich Geschädigte“ gibt zu, „dass es
keine Vergewaltigung gegeben habe, sondern sie eine solche vorgetäuscht
habe“, heißt es in Unterlagen der Staatsanwaltschaft.
Der aus Nordsyrien Geflüchtete bleibt trotzdem in Haft. Denn schon zwei
Tage vor seiner Festnahme wurden seine in der NRW-Polizeidatenbank ViVA
gespeicherten Daten mit denen eines schwarzen Mannes aus Mali vermischt.
Der heißt Amedy G. und wird laut INPOL-Software der Bundespolizei von den
Staatsanwaltschaften Hamburg und Braunschweig wegen Diebstahls gesucht.
„Personenzusammenführung“ heißt diese Vermischung im Polizeijargon.
Zwar ist in ViVA ein Foto des „hellhäutigen“ Kurden und in INPOL ein Foto
des „schwarzhäutigen“ Amedy G. vorhanden – doch niemand der mehr als 20
Beamt*innen, die allein in NRW den Fall bearbeiten, vergleicht sie. Bis zum
17. September sitzt Amad Ahmad in der Justizvollzugsanstalt Kleve. Dann
brennt seine Zelle. Er wird so schwer verletzt, dass er kaum noch zu
erkennen ist. Am 29. September stirbt er nach einer Lungentransplantation.
Seit Ende November 2018 kämpft ein auf Druck von Grünen und SPD
eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags um
Aufklärung. Sicher ist bisher: „Einige hätten helfen können, andere hätten
helfen sollen, und einige hätten helfen müssen, Amad Ahmad aus der Haft zu
befreien“, [9][hält SPD-Fraktionsvize Sven Wolf den ermittelnden
Polizist*innen vor]. „Er hätte noch leben können.“
Denn schon nach Aktenlage hatte eine Staatsanwältin erkannt, dass der Kurde
aus Syrien nicht der Mann aus Mali ist. Amad Ahmad sei „nicht identisch“
mit Amedy G., notierte sie mehr als zwei Monate vor dem tödlichen Brand –
und telefonierte mit dem Polizisten Frank G. „Was hat er danach gemacht?
Hat er trotzdem den Deckel der Akte zugeklappt?“, fragt der Obmann der
Grünen im Untersuchungsausschuss, Stefan Engstfeld.
Dazu kommt: „Bis heute wissen wir nicht, wer die Personenzusammenführung
veranlasst hat“, sagt Engstfeld. „Wer war dafür verantwortlich?“ Klar wi…
wenn man sich den Mailverkehr zwischen einer Mitarbeiterin des Ordnungsamts
und der Polizei Geldern anschaut: Die Behörden warteten nur auf einen
Anlass, den offenbar vom syrischen Assad-Regime gefolterten Kurden wegen
vermuteter „psychischer Probleme“ zwangseinweisen zu lassen.
Damit steht die Theorie eines Komplotts im Raum: Wurden die Daten von Amad
Ahmad und Amedy G. absichtlich vermischt, um Ahmad ohne jede
Rechtsgrundlage inhaftieren zu können? Völlig unklar ist auch der Verlauf
des tödlichen Zellenbrands. Mitgefangene wollen Ahmad lange um Hilfe
schreiend am Fenster der Haftanstalt gesehen haben. Andreas Wyputta
## Aristeidis L., 12. 1. 2019, Berlin
Der 36-jährige Grieche Aristeidis L. ist an Händen und Füßen gefesselt, als
er im Dezember 2018 im Polizeigewahrsam kollabiert. Ein Dutzend
Polizist:innen wollen ihn in eine Zelle der Berliner
Gefangenensammelstelle in Tempelhof bringen. Sie hatten ihn halb nackt und
außer sich in einer Bäckerei aufgegriffen, sofort eskalierte die Situation
– ein sozialpsychiatrischer Dienst wurde nicht alarmiert.
Auf dem Weg in die Zelle wehrt sich L. nach Kräften. Die Polizist:innen
setzen Pfefferspray ein, obwohl L. Handschellen trägt. Schließlich fixieren
ihn vier Einsatzkräfte in Bauchlage auf dem Boden eines engen Fahrstuhls.
L. bekommt keine Luft mehr und kollabiert. Er stirbt nach einem künstlichen
Koma zwei Wochen später im Krankenhaus. Offizielle Todesursache:
lagebedingter Erstickungstod.
Der Pfeffersprayeinsatz trotz Fesseln und die offenbar rechtswidrige
Fixierung nähren aus Sicht des Kriminologen Thomas Feltes den Verdacht der
fahrlässigen Tötung: Man dürfe niemanden länger als ein paar Sekunden in
Bauchlage festhalten, zudem könne der Einsatz von Pfefferspray bei
psychisch Erkrankten und Menschen auf Drogen zum Tod führen.
Beides jedoch scheint hier geschehen zu sein, [10][wie taz-Recherchen
nahelegen]. Laut Hinterbliebenenanwältin befand L. sich in einem
manischen Zustand, stand zudem unter Drogeneinfluss.
Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung
dennoch nach nur zwei Monaten ein, obwohl nicht einmal alle am Vorfall
beteiligten Einsatzkräfte vernommen wurden. Auch nicht der Wachpolizist,
der L. im Bereich des Oberkörpers fixierte, während dieser in Bauchlage auf
dem Boden des Fahrstuhls erstickte. Die Zwangsmaßnahmen sind laut
Staatsanwaltschaft nicht strafbar.
Ein erstes Klageerzwingungsverfahren des Bruders von L. ist gescheitert.
Der Mutter des Opfers steht der Klageweg als Hinterbliebene noch offen.
Gareth Joswig
## Rooble Muse Warsame, 26. 2. 2019, Schweinfurt
Rooble Muse Warsame wird am 26. Februar 2019 erhängt in einer Zelle der
Polizeidirektion Schweinfurt aufgefunden – in halb kniender, halb sitzender
Position. Um seinen Hals liegt ein abgetrennter Streifen einer Wolldecke,
das andere Ende ist fünfzig Zentimeter über seinem Kopf verknotet. Die
Wolldecke der Firma Ibena gilt eigentlich als unkaputtbar, trotzdem soll
Warsame davon einen Streifen abgerissen haben. Im Obduktionsbericht werden
Verletzungen am linken Knie, am linken Unterarm, am rechten Ellbogen, an
der linken Schläfe, am rechten Jochbogen und an der rechten Halsseite
beschrieben und als „Anschlagsverletzungen“ interpretiert.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Anschlagsverletzungen waren“, sagt
Biplab Basu von der Kampagne rassistischer Polizeigewalt in Berlin. „Er ist
ja nicht aus fünf Meter Höhe auf den Boden gefallen.“
Im Oktober 2019 wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft
Schweinfurt eingestellt, dort geht man von einem Suizid durch atypisches
Erhängen aus. Anfang Juli 2020 wurde die Akte jedoch wieder geöffnet. Der
leitende Staatsanwalt, Axel Weihprecht, erfuhr durch eine Medienanfrage,
dass ein Zeuge, der neben Rooble Warsame inhaftiert war, Geräusche gehört
haben soll. Er wurde von der Polizei entlassen, ohne dass er vernommen
wurde. In den Tagen danach ist er verschwunden, mit unbekanntem Ziel.
Verwandte von Rooble Warsame, die mit dem Mann gesprochen haben, erzählten,
dass er in der Nacht, als Rooble Warsame starb, Schreie gehört habe, die
plötzlich abgebrochen sind.
Ein dritter Mann hat sich in dieser Nacht ebenfalls in einer Zelle neben
Rooble Warsame in Gewahrsam befunden. Auch er wurde nicht vernommen. Er
wurde wenige Tage später nach Somalia abgeschoben.
Die Familie von Rooble Warsame sammelt jetzt Geld. Sie wollen tausend Pfund
zusammenbekommen, um ein externes Gutachten in Auftrag zu geben. Steffi
Unsleber
## Adel B., 18. 6. 2019, Essen
Der 32-jährige Adel B. stirbt in Essen-Altendorf durch einen Schuss in die
Brust. Abgefeuert von einem Polizisten, aus Notwehr. Die Staatsanwaltschaft
zweifelt daran nicht, der Fall wird zu den Akten gelegt.
Adel B. ist deutscher Staatsbürger mit algerischen Wurzeln. Er hat
psychische Probleme und ist der Polizei bekannt. Am 9. Juni meldet sich
seine Lebensgefährtin bei der Polizei, schildert einen Fall von häuslicher
Gewalt. Adel B. darf sich der Wohnung zehn Tage nicht nähern. Eine Woche
vor seinem Tod ruft er selbst die Polizei, er spricht davon, sich das Leben
nehmen zu wollen. Die Beamt:innen ziehen einen psychologischen Betreuer
hinzu, B. kommt in eine psychiatrische Klinik. Nur einen Tag später wird er
entlassen.
Sieben Tage später, ein ähnlicher Ablauf: Um 5.04 Uhr am Morgen ruft Adel
B. die Polizei, er sagt, er wolle sich erschießen lassen. Er macht sich auf
den Weg zur Altendorfer Straße, ein 30 Zentimeter langes Fleischermesser
hat er dabei. Ein Video zeigt die Szene: B. brüllt die Beamt:innen an,
er beleidigt sie, geht einige Schritte auf sie zu, ruft: „Schieß doch!“ Die
Beamt:innen weichen mit vorgehaltener Waffe immer weiter zurück. „Bleib
da stehen, Mann!“, ruft einer. So geht das minutenlang.
Allmählich scheint sich B. zu beruhigen, er telefoniert und macht sich dann
zurück auf den Weg zur Wohnung, in der er mit seiner Lebensgefährtin und
deren vier Kindern lebt. Ein Verhandlungsteam mit psychologisch geschulten
Kolleg:innen sei angefordert worden, das habe um diese frühe Uhrzeit
aber nicht schnell genug vor Ort sein können, sagt die Essener
Oberstaatsanwältin Anette Milk der taz.
Adel B. bekommt die Möglichkeit, das Mehrfamilienhaus zu betreten. Auf
einem weiteren Video sieht man die Polizist:innen, die sich der Haustür
zunächst langsam nähern, dann plötzlich schnell darauf zulaufen. Zweimal
gibt es einen Rums, dann fällt der Schuss. „Eine Beamtin, die um die vier
Kinder in der Wohnung wusste, wollte verhindern, dass die Tür ins Schloss
fällt, und hat sich dagegengeworfen“, so Milk.
Weiter schildert sie den Tathergang so: Hockend habe die Polizistin
versucht, die Tür aufzuhalten, ein weiterer Kollege habe ihr geholfen. Ein
dritter habe dann gesehen, wie Adel B. oberhalb des Kopfes seiner Kollegin
mit dem Messer herumfuchtelte, er habe um das Leben der Kollegin gefürchtet
und auf B. geschossen.
All das ist so auf dem Video nicht zu sehen. Das Ganze geschieht innerhalb
von Sekunden.
Aus einer Stellungnahme eines Anwalts der Angehörigen, die der taz
vorliegt, gehen erhebliche Zweifel an dieser Darstellung hervor: So sei
etwa der Schuss rechts der Brustbeinmitte, der zu einer Verletzung des
Herzens führte, unverhältnismäßig gewesen, da insbesondere die Beine für
den Schützen nicht durch etwaige Kollegen verdeckt gewesen seien. Die
Initiative „Gerechtigkeit für Adel“ fordert, dass ein Gerichtsverfahren
eröffnet wird. Vor dem Oberlandesgericht in Hamm soll das nun erzwungen
werden. Hanna Voß
## Sadnia Rachid, 20. 7. 2019, Erfurt
Fragt man nach dem Mann, der am 20. Juli 2019 in Erfurt verstarb, heißt er
meist „der aus Algerien“, oder es ist die Rede vom „bedauerlichen Vorfall…
der sich in der Bundespolizeiinspektion direkt am Bahnhof ereignete.
In einem Protokoll des Justizausschusses im thüringischen Landtag vom
letzten Sommer heißt er der „Beschuldigte“. Er war aufgefallen, als er
versucht hat, einen Rucksack zu stehlen.
Weiter heißt es, der Mann habe zahlreiche Medikamente bei sich gehabt.
Darunter Subutex, ein Opioid, das als Drogenersatz verabreicht wird. Ein
hinzugerufener Notarzt hält ihn für vernehmungsfähig, gestattet, Subutex zu
nehmen, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Immer wieder schläft der
Beschuldigte während der Befragung ein. Gegen 23 Uhr ordnet die
Staatsanwaltschaft die Freilassung an. Die Polizist*innen lassen ihn in
einer Zelle schlafen.
Alle 30 Minuten schauen sie nach ihm. Dann atmet er nicht mehr. Das ist um
3.35 Uhr. Notärzte bringen ihn ins Krankenhaus, wo er stirbt.
Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft der taz nun, fast ein Jahr später,
mit: „Die Polizeibeamten haben richtig gehandelt.“ Und: „Es ist demnach
kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.“
Das scheint das Justizministerium nicht zu wissen, denn das teilte dem
Landtag kürzlich mit, das „Todesermittlungsverfahren“ werde eingestellt.
Der Mann habe an einer eitrigen Luftwege- und Lungenentzündung gelitten.
Die Medikamente, die der Verstorbene eingenommen habe, könnten „den
Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstandes begünstigt haben“.
3.500 Euro mussten die Eltern zahlen, um den Leichnam ihres Sohnes nach
Hause zu holen. Weder Deutschland noch Algerien halfen. Stattdessen
sammelte ein Verein aus Düsseldorf Spenden. Und gaben dem Toten seine
Identität zurück, als sie statt der Behörden veröffentlichten, wer er ist:
Sadnia Rachid. Er war Vater und Ehemann; er hatte ein Leben in Frankreich.
Er ist 32 Jahre alt geworden. Christina Schmidt
## Aman Alizada, 17. 8. 2019, Stade
[11][Aman Alizada ist 19 Jahre alt, als ein Polizist ihn erschießt]. Es ist
nicht der erste Kontakt des jungen Afghanen mit der Ordnungsmacht, im
niedersächsischen Stade gilt er als stadtbekannt – auch wegen seiner
psychischen Probleme. Eine Weile war er in der geschlossenen Psychiatrie
untergebracht, weil er mit einem Messer in der Innenstadt aufgegriffen
wurde und sich für Gott gehalten habe. Schizophrenie, lautet die Diagnose,
vermutlich im Zusammenhang mit Alizadas traumatischer Fluchtgeschichte.
Als die Polizei am Abend des 17. August wegen eines handgreiflichen Streits
zur Geflüchtetenunterkunft im Stadtteil Bützfleth ausrückt, haben die
Beamt:innen jedenfalls eine Vorstellung, mit wem sie es zu tun haben.
Sie kommen zu viert. Alizada, sagen die Beamt:innen später aus, sei
aggressiv gewesen. Sie attackieren ihn durchs Fenster mit Pfefferspray und
dringen in die Wohnung ein. Als der randalierende Alizada ihn mit einer
eisernen Hantelstange bedroht, zieht ein 27-jähriger Polizist die Waffe und
schießt fünfmal. Zwei der Kugeln treffen, ein notärztlicher
Reanimationsversuch scheitert wenig später.
Zehn Monate ermittelt die Staatsanwaltschaft Stade und rekonstruiert den
Tathergang anhand der Aussagen der beteiligten Beamt:innen. Das Ergebnis:
Die fünf Schüsse seien Notwehr gewesen. Mitte Juni 2020 werden die
Ermittlungen eingestellt.
Kritik übt der Niedersächsische Flüchtlingsrat schon wegen der
Vorgeschichte. Dass etwa die Jugendhilfe bei dem traumatisierten
Geflüchteten ausgesetzt wurde, habe seine Stabilisierung „massiv
gefährdet“. Für die Anwälte von Alizadas hinterbliebenem Bruder war bereits
das Eindringen in die Wohnung rechtswidrig. Sie haben nun Beschwerde gegen
die Einstellung der Ermittlungen bei der Generalstaatsanwaltschaft in
Celle eingelegt. Jan-Paul Koopmann
## Name unbekannt, 2. 11. 2019, Hoppstädten-Weiersbach
Am Abend des 2. November geht bei der Polizei im Landkreis Birkenfeld ein
Notruf ein. Eine Frau berichtet von einem Mann, der in der Gemeinde
Hoppstädten-Weiersbach mit einer Axt Menschen bedrohe. Wie später bekannt
wird, ist es am Vereinsheim des TuS Hoppstädten bereits zu einer
Auseinandersetzung mit einem Vereinsmitglied gekommen.
Ein Augenzeuge sagt dem SWR später, der Mann habe das Mitglied mit der Axt
bedroht. Der Angegriffene habe mit seinem Pkw flüchten können. Der
Angreifer habe auf das Fahrzeug eingeschlagen, aber lediglich die Felge des
Autos gestreift. Mit einem Großeinsatz sucht die Polizei nach dem Mann. Sie
stellt ihn schließlich an den Plätzen des Tennis-Clubs Hoppstädten.
Trotz des Einsatzes von Pfefferspray flüchtet er wieder. „Neben einem
Geräteschuppen am Boden kauernd“ hätten ihn zwei Beamte aufgespürt, heißt
es im Bericht der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach; mit der Axt in der Hand
sei er plötzlich aufgesprungen, der Beamte habe einen Schuss abgegeben und
den Mann in der „Aufwärtsbewegung am Kopf“ getroffen, so die
Staatsanwaltschaft, die Notwehr erkennt.
Bei dem Toten handelt es sich um einen 26-jährigen als Geflüchteter
anerkannten Eritreer, der an keinem festen Wohnsitz gemeldet war. Über die
Umstände seines Lebens ist kaum etwas bekannt, nur dass er zeitweise in
psychologischer Behandlung war. Christoph Schmidt-Lunau
## Name unbekannt, 28. 12. 2019, Stuttgart
In der Nacht zum 28. Dezember wird die Polizei nach Stuttgart-Möhringen
gerufen, weil ein Kleinwagen in falscher Richtung durch einen Kreisverkehr
gefahren und gegen eine Litfaßsäule geprallt war. Als die Polizei am
Unfallort ankommt, wollen der Fahrer und seine Beifahrerin zu Fuß fliehen.
Laut Polizeibericht zieht der Fahrer, als er von den Beamten eingeholt
wird, ohne Vorwarnung einen schwertähnlichen Gegenstand hervor und geht
dann damit auf die Beamten los.
Nachdem es den Beamten nicht gelingt, den Mann mit Pfefferspray zu stoppen,
schießen beide auf ihn. Der 32-jährige Serbe wird mehrfach getroffen und
stirbt im Krankenhaus an den Schussverletzungen. Nähere Ermittlungen
ergeben, dass er offenbar unter einer psychischen Erkrankung litt, die
Beifahrerin war seine 69-jährige Mutter. Bei der Durchsuchung der Wohnung
des Mannes werden Gaspistolen, eine Armbrust und ein weiteres Schwert
gefunden. Benno Stieber
## Mehmet B., 5. 1. 2020, Gelsenkirchen
Der 37-jährige Mehmet B. schlägt mit einem Gegenstand auf ein geparktes
und leeres Polizeiauto in Gelsenkirchen ein. Er soll dann „mit einem Messer
hantiert“ und zwei in der Nähe stehende Beamte bedroht haben, heißt es in
der Pressemitteilung der Polizei Münster. Einer der Beamten, nur 23 Jahre
alt, tötet Mehmet B. mit vier Schüssen. Der Mann stirbt unmittelbar vor
Ort. Er stammte aus der Türkei und hatte die türkische Staatsbürgerschaft.
Die Polizei gibt zunächst an, es habe sich bei den Schlägen auf den
geparkten Streifenwagen um einen Terroranschlag gehandelt. Über den Fall
berichtet sogar die „Tagesschau“. In der polizeilichen Pressemitteilung und
in Medienberichten ist von einem „Knüppel“ die Rede, mit dem Mehmet B. auf
das Auto geschlagen haben soll.
Auf Anfrage der taz gibt die zuständige Staatsanwaltschaft Essen an, der
Gegenstand sei ein Ast gewesen. Unter anderem die Bild berichtet, der Mann
habe „Allahu akbar“, „Gott ist groß“, gerufen, als er sich in die Rich…
der beiden Polizeibeamten bewegt habe. Das bestätigte die ermittelnde
Staatsanwaltschaft der taz.
Zwar war Mehmet B. schon einmal als islamistischer Prüffall eingestuft und
vom Staatsschutz beobachtet worden, jedoch waren Ermittlungen schon damals
„ohne Befund“ geblieben. Auch eine nachträgliche Wohnungsdurchsuchung ließ
keine Schlüsse auf eine terroristische Motivation zu. So ruderte dann auch
die Polizei zurück, und sogar NRW-Innenminister Herbert Reul stellte klar,
es habe sich bei der Attacke auf den Streifenwagen um die „Tat eines
psychisch auffälligen Einzeltäters“ gehandelt.
Die Ermittlungen gegen den Polizeibeamten, der die Schüsse abgegeben hat,
wurden eingestellt, „da ein Fall von Notwehr vorgelegen hat“, so die
Staatsanwaltschaft gegenüber der taz. Lea Fauth
## Mohamed Idrissi, 18. 6. 2020, Bremen-Gröpelingen
Mohamed Idrissi, 54, hat soeben durch seine Vermieter eine fristlose
Kündigung erhalten, er soll im Keller einen Wasserschaden verursacht haben.
Für die Besichtigung holt die Hausverwaltung sich Unterstützung durch die
Polizei; wohl informiert, aber nicht dabei ist der Betreuer des psychisch
kranken Idrissi. Obwohl die Kellerbegehung reibungslos verläuft, will die
Polizei Idrissi im Anschluss zur psychologischen Begutachtung bringen.
Idrissi weigert sich; auf dem Parkplatz des Wohnhauses, umringt von vier
Polizist*innen, zückt er ein Messer. Eine Nachbarin filmt die Szene:
Mehrere Beamt*innen mit vorgehaltenen Waffen reden gleichzeitig auf ihn
ein. Idrissi wirkt einigermaßen entspannt, er spricht, sein Messer zeigt
nach unten. Als ein Polizist ihn von rechts mit Pfefferspray ansprüht,
rennt Idrissi in dessen Richtung, das Messer weiter in der Hand. Der Beamte
weicht zurück, dann schießt er; Idrissi wird zweimal in den Oberkörper
getroffen. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt er.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Polizist*innen wegen des
Verdachts auf Totschlag. Die Aufklärung wird beim Innensenator in der
Abteilung für interne Ermittlungen angesiedelt. „Wir ermitteln unter
Hochdruck“, heißt es in einem Bericht an die Bürgerschaft. Grundsätzliche
Fragen zur Polizeiarbeit beantwortet die Innenbehörde aktuell nicht.
Die lauten zum Beispiel, warum Idrissi nicht in die Beine geschossen
wurde. Mittlerweile rückt die Vorgeschichte in den Fokus: Idrissi stand
bereits unter Betreuung. Warum kam der Sozialpsychiatrische Dienst nicht zu
ihm nach Hause? Warum wurde seine Weigerung, mit der Polizei mitzufahren,
nicht akzeptiert?
Idrissi wirkt im Video zumeist ruhig. Warum schreien mehrere
Polizist*innen gleichzeitig auf ihn ein? Warum schließlich wird
Pfefferspray eingesetzt? Dessen Wirkung auf psychisch kranke Menschen ist
hoch umstritten. Lotta Drügemöller
## Mamadou Alpha Diallo, 20. 6. 2020, Twist bei Osnabrück
Mamadou Alpha Diallo wird von seinen Freunden als jemand beschrieben, der
plötzlich einen psychischen Zusammenbruch erlebt haben muss. Am Vormittag
des 19. Juni läuft der Geflüchtete aus Guinea mit einem Messer in eine
Arztpraxis der niedersächsischen Gemeinde Twist und bedroht Menschen,
später auch die eigenen Freunde und Mitbewohner. Während einer der Freunde
um sein Leben rennt, trifft die Polizei ein – und schießt. Einen Tag später
stirbt Diallo trotz einer Notoperation.
S., der anonym bleiben möchte, floh vor seinem eigenen Freund und wurde
Zeuge des Schusses. Er macht den Beamten keinen Vorwurf, er selbst habe
sich in Lebensgefahr befunden. Der Schuss, ist er sich hingegen sicher,
ging in den Unterleib, nicht in den Oberschenkel.
Ibrahima Bangoura, Konsul der guineischen Botschaft, äußert sich der taz
gegenüber aufgebracht. „Es ist alles ein bisschen zu eigenartig“, sagt er.
Normalerweise erhalte er eine offizielle Todesnachricht von den deutschen
Behörden, wenn jemand mit guineischer Staatsbürgerschaft stirbt, egal was
die Todesursache sei. Im Fall von Diallo hingegen hätten Freunde des
Verstorbenen ihn informiert. Auch auf Nachfrage der guineischen Botschaft
habe die Staatsanwaltschaft Osnabrück nicht reagiert. „Ich habe bis heute
keine Sterbeurkunde gesehen“, bemängelt er. Auch wisse er nicht, ob der
Tote überhaupt obduziert worden sei.
Gegenüber der taz bestätigt die Staatsanwaltschaft, es habe eine Obduktion
gegeben, die einen Schuss ins Bein nachweise. Der Bericht stehe „mit seinen
Ergebnissen im Einklang mit den Schilderungen der bislang vernommenen
Zeugen“, erklärt Christian Bagung, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft.
„Das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den
Polizeibeamten, der den Schuss abgegeben hat, ist weiterhin anhängig“, sagt
Bagung. Lea Fauth
17 Jul 2020
## LINKS
[1] /George-Floyd/!t5689277
[2] /Berlins-Polizeisprecher-ueber-Rassimus/!5693683
[3] https://fra.europa.eu/en/publication/2017/second-european-union-minorities-…
[4] https://www.ari-berlin.org/
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[8] /Fragwuerdige-Polizeiaktion-in-Hessen/!5679277
[9] /Ungeklaerter-Todesfall-in-Gefaengnis-Kleve/!5694301
[10] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5684340
[11] /Durch-Polizeischuesse-getoeteter-Afghane/!5629250
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Christian Jakob
Steffi Unsleber
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