# taz.de -- Bremens neuer Finanzsenator über Geld: „Das Geld ist verplant“ | |
> Dietmar Strehl übernimmt das Haushaltsressort von Karoline Linner. Die | |
> Schuldenbremse verteidigt er genauso wie sie. | |
Bild: Bremen pflegt eine seltsame Beziehung zum Geld. Dietmar Strehl muss damit… | |
taz: Herr Strehl, wieso an der Schuldenbremse festhalten, wenn’s | |
Negativzinsen auf Bundesanleihen gibt? | |
Dietmar Strehl: Schauen Sie sich den [1][Stand der Bremer Schulden] an, und | |
Sie haben die Antwort: Wir müssen davon runter kommen. | |
Aber mit Negativzinsen bekomme ich doch Geld dafür, dass ich mir welches | |
leihe? | |
Das ist ein Denkfehler. Die Schulden, die ich dann mache, sind da. Sie | |
wachsen an – und die Zinsen werden kaum auf diesem Niveau bleiben. Sie | |
müssen sich das mal vor Augen führen: Ein Prozent Zinsveränderung bei 21 | |
Milliarden macht 210 Millionen aus. Das ist eine so gewaltige Summe, da | |
möchte ich nicht noch mehr draufschaufeln. | |
Am Donnerstag stellen Sie sich erstmals seit sehr langer Zeit einer Wahl… | |
Das sehe ich anders. Bei der Mitgliederversammlung zur Frage, wer die | |
grünen Ressorts leiten soll – das war doch auch eine Wahl. Habe ich | |
zumindest so gespürt. Da überlegt man schon, was man sagt. Bei der | |
[2][Senatswahl] darf ich gar nichts sagen. Da werde ich hoffentlich | |
gewählt. | |
Ihre Karriere war bislang trotzdem eher eine im Hintergrund. Was drängt Sie | |
ins Rampenlicht? | |
Ich finde es nur konsequent: Wenn man sich hier als Staatsrat acht Jahre | |
lang mit allen Themen intensiv beschäftigt und dann über die Nachfolge der | |
Senatorin gesprochen wird, überlegt man doch, ob man es machen kann. Ich | |
habe kein Problem damit, im Rampenlicht zu stehen. | |
Nur haben Sie es halt nie gemacht | |
Naja, [3][ich war schon zehn Jahre lang Stadtverordneter] und zuletzt auch | |
Fraktionsvorsitzender in Bonn. Das ist eine andere Ebene, aber es ist | |
irgendwie auch Rampenlicht. Die Umstellung ist für mich eher, dass man als | |
Senator in der Bürgerschaft eine andere Rolle spielt als ein Staatsrat. | |
Damit werde ich mich beschäftigen, wenn ich gewählt werde. Ich glaube | |
schon, dass ich das hinkriege. Und die Auseinandersetzung mit dem | |
politischen Gegner liegt mir. | |
Reinen Verwaltungsleuten wird nachgesagt, dass ihnen schwer fällt, die | |
Würde des Parlaments zu respektieren… | |
Noch einmal: So sehe ich mich nicht. Ich bin nicht der reine | |
Verwaltungsmensch. | |
Was treibt Sie denn an? | |
Ich kann ja mal sagen, wo ich hergekommen bin – aus der Friedens- und | |
Anti-AkW-Bewegung. Das war die Zeit um 1983 und in Bonn ging das ziemlich | |
hoch her mit den großen Demos. Für mich war das immer der urgrüne | |
Dreiklang: Ökologie, Frieden, Anti-Atom. Und dabei bin ich auf | |
überraschende Weise in die Kommunalpolitik reingerutscht – weil in dieser | |
Zeit die Grünen überall plötzlich großen Zuspruch bekamen und plötzlich in | |
die Stadträte einzogen. Zehn Prozent bekamen wir da in Bonn auf einmal. Das | |
wusste man ja nicht vorab. Dadurch bin ich inhaltlich ziemlich breit | |
aufgestellt – und habe auch auf Bundesebene in den Programmdebatten | |
mitgemischt. | |
Von Friedensbewegung ist ja [4][nicht so viel übrig geblieben in der | |
Partei]… | |
Ich habe gelernt, gerade diese Fragen sehr, sehr differenziert zu | |
betrachten. Die außenpolitische Lage ist äußerst komplex – und | |
beunruhigend, aber jetzt natürlich nicht mein Hauptthema. | |
Klar. Bloß was hat Sie als Friedensbewegten in die Finanzpolitik getrieben? | |
Ich bin damals als Fraktionsgeschäftsführer in die Kommunalpolitik | |
gegangen: Das war die Möglichkeit, auch die friedenspolitischen Themen in | |
den Stadtrat reinzutragen. Gleichzeitig war ich als Mathematiker derjenige, | |
der sich zutraute, [5][mit den Zahlen umzugehen], mit den Haushaltsfragen. | |
Da wächst man dann rein. | |
Ein schweres Schicksal? | |
Nein, es war für mich die Chance, einen vernünftigen Job zu übernehmen, der | |
auch Spaß macht. | |
Sie haben ein lustvolles Verhältnis zu Zahlen? | |
Naja, das ist ein bisschen – sagen wir: Ich kann da gut mit umgehen. Das | |
macht mir Spaß. | |
Und über die Zahlen hinaus? | |
Haushalt ist ja auch im Finanzressort nur ein Teil der Arbeit. Die | |
Verwaltungsreform wird von hier gesteuert, und da kann man viele positive | |
Fortschritte machen, die auch die BürgerInnen spüren. Das finde ich | |
spannend, mal losgelöst von den Zahlen. Das gilt auch für den vom | |
Finanzressort gesteuerten öko-fairen Einkauf. | |
Also das ist das Ziel von Finanzpolitik in Bremen? | |
Wir haben zu Ende der Legislaturperiode noch ziemlich große Baustellen | |
abgeschlossen: Die Sanierungsvereinbarung mit dem Bund über mindestens 15 | |
Jahre, die Vereinbarung mit Bremerhaven und die Entschuldung der Kommunen… | |
Was?! | |
Das weiß wahrscheinlich wieder keiner, ja: Die Kommunen Bremen und | |
Bremerhaven sind ab 2020 schuldenfrei. Das Land hat dann die Schulden | |
übernommen. Und jetzt müssen wir es langfristig schaffen, dass wir wieder | |
aus eigener Kraft zurecht kommen. Die ersten zwei Jahre mit dem Start der | |
Schuldenbremse werden ziemlich schwer. | |
Weil Sie sich nicht nur mit dem politischen Gegner, sondern mehr noch mit | |
dem Partner auseinandersetzen müssen? | |
Ich glaube, das schwierigste ist der Umgang mit den Erwartungen. Die sind | |
nämlich sehr hoch. Es herrscht die Vorstellung, wir bekommen jetzt rund 500 | |
Millionen Euro mehr. Aber so ist es nicht. | |
Sondern? | |
Einerseits ist das mit 2019 endenden Zuwendungen des Bundes zu verrechnen, | |
dann sollen 80 Millionen Euro jährlich Kredite getilgt werden und die | |
zulässige Kredithöhe von 125 Millionen Euro in 2019 entfällt, sodass wir | |
nur noch über rund 250 Millionen reden. Von denen ist aber einiges bereits | |
verplant: Die beitragsfreien Kitas sind eine dicke Nummer für den Bremer | |
Haushalt. Die sind nicht strittig. Aber sie belasten den Haushalt: Das Geld | |
ist verplant. | |
Also wird sich der Sanierungsstau noch verschärfen? | |
Nein, das sehe ich nicht so. Ich finde auch [6][das Wort irreführend]: Wenn | |
Sie ein Haus kaufen, hat das nach dem ersten Jahr einen Sanierungsstau – | |
das können Sie zumindest so nennen. Aber das ist natürlich Quark. Man muss | |
irgendwann investieren – klar, aber dafür machen wir eine Prioritätenliste, | |
wir werden auch mehr Mittel haben, um in Kitas und Schulen zu investieren: | |
Wir werden das abarbeiten, eins nach dem anderen. Aber nicht alles auf | |
einmal. | |
Keine Sorge, dass das die [7][Partner unruhig] macht? | |
Warum? | |
Na, weil die Forderungen von Investitionen und schnellen Lösungen von denen | |
massiv vorgetragen werden… | |
Man kann nicht auf den Tisch hauen und sagen: Morgen ist die Schule | |
saniert. Das wissen unsere Koalitionspartner genauso wie wir und jeder | |
andere auch. Die Diskussion über spezielle Sanierungswege und die Idee | |
einer Schulbaugesellschaft ist vom Tisch, wir werden, so weit wie nur | |
möglich, Immobilien Bremen unterstützen, damit das voran geht. Die Abläufe | |
und Regeln müssen wir aber schon einhalten. Und das dauert ein bisschen, | |
wie jeder weiß. | |
15 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!5593797/ | |
[2] https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.75… | |
[3] http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/panorama/Um-1.24-Uhr-explodiert-da… | |
[4] https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2001/Stumm-und-ratlos-Die-Ohnmacht-… | |
[5] https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-28990689.html | |
[6] https://www.rechnungshof.bremen.de/detail.php?gsid=bremen108.c.10768.de | |
[7] /!5617278/ | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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