| # taz.de -- Bremens Finanzsenator über Schulden: „Die Schuldenbremse gilt“ | |
| > Bremens Finanzsenator Dietmar Strehl über wegbrechende Steuereinnahmen, | |
| > die Erlaubnis, Schulden zu machen und sinnvolle Investitionen. | |
| Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten: Dietmar Strehl beim Grünen-Parteitag in Br… | |
| taz: Sie machen seit mehr als acht Jahren hier Sparpolitik. Nun müssen Sie | |
| Geld mit vollen Händen ausgeben. Wie funktioniert das? | |
| Dietmar Strehl: Wir haben natürlich auch Geld ausgegeben. Gerade habe ich | |
| zum Beispiel eine neue Straßenbahn in Empfang genommen, die haben wir vor | |
| sechs Jahren geplant. Jetzt haben wir natürlich andere Probleme. Wir müssen | |
| Geld ausgeben, aber vor allem brechen die Einnahmen weg. Das ist für uns in | |
| Bremen eine größere Summe. | |
| Wie viel? | |
| Das weiß derzeit niemand genau, wir rechnen mit mehreren hundert Millionen | |
| Euro. | |
| Bei dreieinhalb Milliarden geplanten Einnahmen wären das mehr als zehn | |
| Prozent. | |
| Davon kann man ausgehen. Wir haben natürlich viele Kosten für die | |
| Gesundheitsvorsorge. | |
| Muss das nicht die Krankenversicherung bezahlen? | |
| Eigentlich, ja. Das ist noch unklar. Erst mal müssen wir schnell handeln. | |
| In der Diskussion sind 50.000 Euro für jedes zusätzliche | |
| intensivmedizinische Bett. | |
| Und die Hilfen für die kleinen Selbständigen? | |
| Die kommen in großem Ausmaß vom Bund. Danach haben unsere Landesprogramme | |
| ausgerichtet. Wir wollen für Betriebe zwischen 10 und 49 MitarbeiterInnen | |
| Hilfen anbieten, das hat der Bund bisher nicht auf dem Zettel. Das | |
| finanzieren wir derzeit vor, aber wir hoffen, dass da noch etwas kommt. | |
| Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz und in der Bremer Landesverfassung. | |
| Gilt die jetzt nicht mehr? | |
| Doch natürlich! In der Schuldenbremse sind Ausnahmeregeln verankert worden, | |
| an die halten wir uns. In der Landesverfassung heißt es, dass bei | |
| „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates | |
| entziehen“, mehr Schulden gemacht werden dürfen. Darunter fallen auch | |
| Massenerkrankungen. Da werden keine Obergrenzen genannt. Wir sind nur | |
| verpflichtet, einen verbindlichen Tilgungsplan zu beschließen. Auf diesen | |
| Paragrafen haben wir uns schon mal berufen – 2015 beim Streit um die Kosten | |
| der Flüchtlingsunterbringung. | |
| Das war nur eine Drohgebärde. | |
| Es ging um rund 400 Millionen Euro damals. Am Ende haben wir diese Ausnahme | |
| von der Schuldenbremse nicht in Anspruch nehmen müssen, weil auch Zuschüsse | |
| vom Bund kamen. Alle Bundesländer berufen sich derzeit darauf und planen | |
| Nachtragshaushalte. Wir haben ja noch keinen beschlossenen Haushalt, wir | |
| brauchen also keinen Nachtragshaushalt. | |
| Gibt es eine Größenordnung, in der vom Bund jetzt in Bremen Fördergelder | |
| ausgegeben werden können? | |
| Alle rechnen herum, der Bund will für die Länder 50 Milliarden Euro zur | |
| Verfügung stellen. Wenn das nach einem üblichen Schlüssel verteilt würde, | |
| bekäme Bremen davon ein Prozent, also 500 Millionen Euro. Aber so ist das | |
| nicht geregelt. Wir rufen das Geld ab, das wir brauchen. | |
| Hat die Bremer Förderbank genug Personal dafür? | |
| Nein. Aber wir haben MitarbeiterInnen, die derzeit nicht wie sonst arbeiten | |
| können. Studierende aus dem Studiengang Public Administration unterstützen | |
| jetzt die Bank. | |
| Finanzbeamte werden nicht ausgeliehen? | |
| Die brauchen wir selbst dringend. Wir haben in 14 Tagen über 3.000 Anträge | |
| auf Steuerstundung oder Herabsetzung der Steuer-Vorauszahlungen schon | |
| bearbeitet und bewilligt – rund 70 Millionen Euro. Da bemerkt man die | |
| Größenordnung. Stundung heißt natürlich, dass das Geld vielleicht später | |
| kommt – oder eben nicht. | |
| Die Rückzahlung der Corona-Staatsschulden soll uns 20 Jahre beschäftigen? | |
| Wir müssen einen Tilgungsplan beschließen, das steht in der | |
| Landesverfassung. Der ist aber frei gestaltbar. In der Diskussion sind 20 | |
| Jahre mit Beginn im Jahr 2024. Bisher haben wir für die alten Bremer | |
| Staatsschulden ja nicht getilgt, wir zahlen nur die Zinsen. Zum Glück sind | |
| die niedrig. Aber für die Corona-Staatsschulden müssen wir einen konkreten | |
| Plan vorlegen, wann das Geld zurückgezahlt wird. In Nordrhein-Westfalen | |
| sind das 25 Milliarden Euro und das Land will in 50 Jahren tilgen. | |
| Die Bremische Bürgerschaft hat noch nichts beschlossen? | |
| Nein, die macht das zusammen mit dem Haushaltsentwurf im Mai / Juni. Wir | |
| sind da in enger Abstimmung mit dem Haushalts- und Finanzausschuss, da gibt | |
| es auch mit der Opposition eine große Übereinstimmung. | |
| Werden die alten Vereinbarungen über die Sanierung der Bremer | |
| Staatsfinanzen jetzt von diesen Summen überspült? | |
| Man sollte nicht alles mit allem vermischen. Entscheidend ist die Frage, | |
| wie schnell die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Vielleicht werden dann die | |
| Autokäufe nachgeholt, aber im Bereich Tourismus und Gastronomie fehlen die | |
| Monate. Da traue ich mir keine Prognose zu. | |
| Kann Bremen diese Kredite zurückzahlen? | |
| Na ja, wenn es auf einen Betrag um die 15-20 Millionen Euro im Jahr | |
| hinausläuft – die Summe kennt zurzeit niemand – ist das bei einem Haushalt | |
| von rund sechs Milliarden leistbar. | |
| Die größere Summe sind die Steuereinbrüche? | |
| Da hoffen wir, dass die Kurve möglichst schnell wieder nach oben geht. Nach | |
| der Finanzkrise 2008/9 hat es Jahre gedauert, bis das alte Niveau wieder | |
| erreicht wurde. | |
| Ist eine kommunale Gesundheits-Versorgung in einer Krisensituation ein | |
| Vorteil? | |
| Eine kommunale Krankenhaus-Versorgung ist immer ein Vorteil. Natürlich muss | |
| man dann auch nachweisen, dass man das finanzieren kann. Wir werden alle, | |
| wenn wir nicht mehr über Corona reden, über die öffentliche Finanzierung | |
| von Krankenhäusern reden müssen. Wenn so viele große Krankenhäuser Probleme | |
| haben, dann hat das Finanzierungssystem vielleicht auch Fehler. | |
| Die Gesellschaft gibt für Gesundheit zu wenig aus? | |
| Auf jeden Fall braucht die Pflegeversicherung mehr Geld und wir brauchen | |
| mehr Pflegekräfte. | |
| Jetzt setzen alle auf den Staat. Die Idee, dass das der Markt regelt, hat | |
| derzeit nur wenig AnhängerInnen. | |
| Der Bremer Stadtstaat lebt im Wesentlichen von 3,5 Milliarden Euro | |
| Steuereinnahmen jährlich. Wir müssen darauf aufpassen, dass diese | |
| Einnahmequelle nicht versiegt. Die zeitlich begrenzte Unterstützung von | |
| kleinen Unternehmen ist also eine total sinnvolle Investition. | |
| 7 Apr 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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