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# taz.de -- Kommentar netzpolitik.org: Grenzenloser Verrat
> Den Betreibern des Blogs netzpolitik.org wird Landesverrat vorgeworfen.
> Das ist ein drastischer Angriff auf Pressefreiheit und Demokratie.
Bild: Markus Beckedahl wird jetzt zu so einer Art vaterlandsloser Geselle gemac…
Landesverrat also. Ein Wort wie aus der Gruft. Eigentlich beerdigt, so wie
die Reaktionäre der jungen Bundesrepublik; vom Wind der Geschichte verweht
wie der Repressionsapparat der DDR – so zumindest sah es fast aus. Aber nur
fast, denn die Enthüllungen Edward Snowdens, nicht weniger als die
aufklärende Arbeit der NSU-Ausschüsse in Bund und Ländern deuteten schon
lange darauf hin, dass die deutschen Geheimdienste über die Jahre eine sehr
eigene Rechtsauffassung entwickelt haben.
Die Dienste müssen sich sehr sicher in ihrer extralegalen Welt fühlen, dass
sie den Vorstoß wagen, mit [1][netzpolitik.org] ein hervorragend vernetztes
und populäres journalistisches Projekt [2][so offen zu attackieren]. Denn
wie lange der letzte große Versuch her ist, ein Medium mit dem Vorwurf des
Landesverrats einzuschüchtern und [3][wie dieser Versuch damals ausgegangen
ist], dürfte nicht nur Journalisten, sondern auch Verfassungsschützern
bekannt sein.
Woher beziehen letztere also den Glauben, sie könnten heute mehr Erfolg
haben gegen netzpolitik.org, als Franz Josef Strauß 1962 gegen Rudolf
Augsteins Spiegel? Die Publicity war schon in den ersten Stunden nach
Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens so groß, dass die Server des Blogs
unter dem Ansturm der Anfragen beinahe in die Knie gingen.
Solidaritätsbekundungen machen in riesiger Zahl auf den üblichen
Social-Media-Kanälen die Runde. Was dabei recht schwer wiegt ist, dass auch
etablierte Medien bis hin zur Tagesschau die Nachricht sehr hoch spielen.
Sie alle haben genau verstanden, wem dieser Angriff gilt: allen
unabhängigen Journalisten; mithin allen Journalisten.
Was nun folgen wird, sind Polarisierung und Eskalation. Durch ihren
drastischen Schritt zwingt die Bundesanwaltschaft die Medien zur
Parteinahme, und sei es nur indirekt, wie in der Gewichtung der
Nachrichten. Unbeteiligte kann es naturgemäß nicht geben, wenn die
Berichterstattenden selber das Ziel staatlicher Eingriffe werden.
## Untätig gegen die NSA
Selbstverständlich werden diverse Stimmen nicht davon absehen können, die
Ermittlungen gegen netzpolitik.org zu rechtfertigen. Je nach Marktsegment
wird der Wahnidee des Landesverrats das Wort geredet, vielleicht auch
sanfte Zweifel an dem drastischen Vorwurf angemeldet, aber prinzipielles
Einverständnis mit polizeilichen Maßnahmen gegen Journalisten geäußert
werden.
Die ganz klugen Köpfe werden den Bloggern, die in den vergangenen Jahren
mehr investigative und aufklärerische Arbeit als so manche Vollredaktion
geleistet haben, einfach den Status als Journalisten absprechen. Was sie
alle vergessen werden zu erwähnen, ist die Untätigkeit der
Bundesanwaltschaft angesichts der Massenüberwachung durch die NSA.
Nun wäre es natürlich eine recht billige Retourkutsche, Verfassungsschutz
und BND für ihre Kumpanei, respektive Duldung ausländischer Geheimdienste
selber Landesverrat vorzuwerfen. Der Fall ist in Wirklichkeit viel
dramatischer, denn während deutsche Behörden die NSA und [4][rechtsradikale
Terroristen gewähren lassen], Journalisten aber verfolgen, verraten sie die
Ideale einer freien und demokratischen Gesellschaft. Und diese Ideale, von
denen die Freiheit der Presse nur eines ist, kennen keine Ländergrenzen und
bewegen sich damit jenseits von so anachronistischen Kategorien wie dem
„Landesverrat“.
31 Jul 2015
## LINKS
[1] https://netzpolitik.org/
[2] /Bundesanwalt-gegen-netzpolitikorg/!5219730
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Spiegel-Aff%C3%A4re
[4] /Kommentar-Angriffe-auf-Fluechtlinge/!5216364
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
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