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# taz.de -- Pressefreiheit in Griechenland: Meinung nicht erwünscht
> In der Opposition kritisierte Syriza Angriffe auf Journalisten heftig.
> Nun regiert sie und geht gegen konservative Medien vor.
Bild: Auf allen Kanälen: Alexis Tsipras nach dem Referendum.
ATHEN taz | Nach dem jüngsten Referendum ging die Diskussion wieder los:
Wie objektiv waren Journalisten in ihrer Berichterstattung über die
umstrittene Volksabstimmung in Griechenland?
Überhaupt nicht, glaubt die Regierungspartei Syriza und appelliert an den
griechischen Rundfunkrat (ESR) mit der Bitte, die Berichterstattung aller
Medien im Nachhinein auf ihre Ausgewogenheit hin zu überprüfen.
Dass seit wenigen Wochen die Mutter der linksgerichteten
Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou den Vorsitz im ESR-Dienstrat
innehat, mag ein Zufall sein. Aber es gibt noch einen Zufall, der auffällt:
Kurz nach der Syriza-Beschwerde leitet der Disziplinarrat der größten
griechischen Journalistengewerkschaft ESIEA ein Verfahren gegen neun
Journalisten ein, die sich besonders kritisch zum Referendum und zur
Regierungspolitik geäußert hatten.
Betroffen sind vier Medienschaffende des führenden TV-Senders Mega, die
News-Moderatorin von Antenna TV sowie zwei Chefredakteure und ein Moderator
des Nachrichtensenders Skai. Ihnen wird „Verbreitung unwahrer Tatsachen“
und „Panikmache“ vorgeworfen. Manche Links-Kommentatoren werfen den
Kollegen sogar „Teleterrorismus“ vor. Ob auch die Staatsanwaltschaft aktiv
werden wird, steht noch nicht fest.
## Erstmals systemische Medien
Ins Visier des Disziplinarrates geraten somit erstmals die sogenannten
systemischen Medien – nämlich solche, die, aus Sicht der Linkspartei
gegenüber der neuen Regierung voreingenommen sind, eine konservative
Weltsicht verbreiten und mit Wirtschaftsinteressen derart eng verflochten
sind, dass sie keine objektive Berichterstattung gewährleisten können.
Auf den ersten Blick erscheint der Vorwurf nicht absurd: Mega-TV wird von
Baulöwen finanziert, Antenna und Skai gehören reichen Reederfamilien. Dass
diese Medien die Huldigung einer Linkspartei ablehnen, liegt auf der Hand.
Aber deshalb gleich nach Sanktionen rufen und ihnen „Teleterrorismus“
vorwerfen? Wer hat die Deutungshoheit und darf entscheiden, welcher Bericht
„objektiv“ ist und welcher unter „Teleterrorismus“ fällt? Ist nicht au…
das durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt?
Liana Kanelli, Abgeordnete der Kommunistischen Partei (KKE) und
Exjournalistin, ahnt Böses: „Heute werden schon bestimmte Journalisten zur
Zielscheibe gemacht. Wenn das so weitergeht, könnte demnächst auch ein
Liveauftritt bei bestimmten Sendern Strafsanktionen nach sich ziehen“,
klagt Kanelli im Interview mit Skai, einem der betroffenen Sender. Skai
will übrigens die Sache nicht ruhen lassen und droht damit, den Europarat
anzurufen.
Um die journalistische Freiheit ist es in Griechenland nicht zum Besten
bestellt. In ihrer Rangliste der Pressefreiheit 2015 stuft die
Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen Griechenland auf Platz 91
von insgesamt 180 Staaten ein – und damit noch hinter Georgien, Moldawien
oder El Salvador.
## Schlechtes Ranking
Zu dem schlechten Ranking haben vermutlich einige gravierende Einzelfälle
beigetragen, wie etwa die Schließung des staatlichen Fernsehens ERT durch
die Vorgängerregierung unter Führung des Konservativenchefs Antonis
Samaras, oder auch die Verhaftung des Investigativreporters Kostas
Vaxevanis im Jahr 2013, nachdem er die Namen griechischer Kontoinhaber in
der Schweiz veröffentlicht hatte. Inzwischen wurde Vaxevanis
freigesprochen.
In letzter Zeit kommt es zudem verstärkt zu Angriffen gegen
Sportjournalisten. Sotiris Vetakis, Sportreporter der auflagenstärksten
Athener Zeitung Ta Nea, wurde im März 2014 von zwei Unbekannten im Auto
angegriffen und ins Gesicht geschlagen, während er seinen neunjährigen Sohn
zum Sport fuhr. Die Täter konnten unerkannt fliehen. Syriza hatte in der
Opposition noch zu den schärfsten Kritikern dieser Angriffe auf die
Pressefreiheit gehört.
20 Jul 2015
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
## TAGS
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Syriza
Alexis Tsipras
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Grexit
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Alexis Tsipras
Gewerkschaft
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