# taz.de -- Rundfunk in Griechenland: Reine Symbolpolitik | |
> Der griechische Premier Tsipras erfüllt Versprechen: Er belebt den | |
> geschlossenen Staatssender ERT wieder – aber anders als angekündigt. | |
Bild: Sendungsbewustsein: Gegen die Schließung vin ERT gab es 2013 Proteste. | |
Athen taz | Fast zwei Jahre ist es her, dass die griechische Regierung | |
unter dem damaligen konservativen Premier Antonis Samaras handstreichartig | |
den Staatssender ERT abschaffte. Gut 2.500 unbefristet angestellte | |
Mitarbeiter verloren damals ihren Job, drei landesweit ausgestrahlte | |
Fernsehprogramme, ein Satellitenprogramm, mehr als zwei Dutzend | |
Radiosender, eine Webseite, eine Fernsehzeitschrift, Orchester und Chöre | |
wurden gestrichen. Samaras argumentierte mit der angeblichen | |
„Intransparenz“ und der „unglaublichen Verschwendung“ der „sündhafte… | |
Eine Fehlinformation, denn ERT war gar nicht pleite. Im Gegenteil: Der 1938 | |
gegründete Rundfunksender war schuldenfrei und hatte seit 2011 einen | |
Vorsteuergewinn von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Ihm nach | |
folgte im November der von der Regierung Samaras geschaffene | |
Übergangssender DT. Seit dem 4. Mai 2014 produziert der ERT-Nachfolger | |
Nerit mit rund 800 Mitarbeitern ein sehr viel dünneres Angebot. | |
Nun wird ERT wiedereröffnet. Die Wiedergeburt war ein Wahlversprechen des | |
seit Ende Januar amtierenden linken Premiers Alexis Tsipras. Am 28. April | |
beschloss das Athener Parlament die ERT-Wiederöffnung, in Kraft trat das | |
Gesetz schon am Tag darauf. Es sieht vor, dass mit sofortiger Wirkung alle | |
am 11. Juni 2013, dem Tag der ERT-Abschaffung, gültigen unbefristeten | |
Arbeitsverträge „wiederbelebt“ werden. Die mit Nerit geschlossenen | |
Arbeitsverträge bleiben bestehen. | |
Trotzdem wird die neue ERT etwas weniger Mitarbeiter als die alte haben. | |
Hunderte frühere Angestellte sind entweder im Ruhestand oder ausgewandert, | |
18 Ex-ERT-Mitarbeiter sind gestorben. | |
## Staatssender wird zur Lightversion | |
Überdies streicht die Regierung Tsipras auch die Personalkosten zusammen: | |
Im Schnitt soll ein ERT-Mitarbeiter den Gebührenzahler nicht mehr als | |
20.000 Euro pro Jahr kosten –10.000 weniger als in der alten ERT. | |
Die Rundfunkgebühr für die neue ERT ist per Gesetz auf monatlich | |
„mindestens drei Euro“ pro Haushalt festgesetzt und bleibt damit so hoch | |
wie jetzt. | |
Die unweigerliche Folge des knappen Budgets: Die neue ERT wird nicht mehr | |
das alte, umfassende Programmangebot haben. Tsipras’ Credo in Sachen | |
Staatssender lautet: „ERT ja, aber bitte light.“ Dafür spricht auch die | |
Berufung von Lambis Tagmatarchis als neuen ERT-Geschäftsführer. Der | |
gelernte Journalist, der schon bei einem Pay-TV-Sender Top-Positionen | |
innehatte und bis Mitte 2012 ERT leitete, gilt allenthalben als Verfechter | |
einer „schlanken“ ERT. | |
Der ERT-Gewerkschafter Pospert, der die Tsipras-Übernahme der Macht mehr | |
als nur begrüßte, befürchtet nun, der neue Geschäftsführer werde nach | |
seinem völlig überraschenden ERT-Comeback einen Plan vom August 2011 | |
umsetzen, der die Schließung des ersten ERT-Fernsehprogramms und der Hälfte | |
der Radiostationen vorsah – diesmal ausgerechnet auf Geheiß der Regierung | |
Tsipras. | |
Kritiker monieren zudem, auch die neue ERT sei ein „Regierungssender“ – | |
auch dies anders, als es Tsipras versprach. Fakt ist: Fünf der sieben | |
Mitglieder des ERT-Vorstands hat die Regierung Tsipras unterdessen laut | |
Gesetz bestimmt. | |
Premier Tsipras zeigt sich unbeeindruckt. „Die Wiedereröffnung von ERT | |
spiegelt ein neues öffentliches Ethos wider, jenes der demokratischen, | |
objektiven, pluralistischen und seriösen Information.“ | |
Wann genau die neue ERT auf Sendung geht, ist noch unklar. „Wir sind in | |
Verzug“, ätzte Tsipras zuletzt. Symbolkräftig wäre der 11. Juni, auf den | |
Tag genau zwei Jahre nach der putschartigen ERT-Abschaffung. Und Tsipras | |
liebt die Symbolpolitik – wie der Fall ERT zeigt. | |
26 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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