# taz.de -- Landesverrat-Vorwurf gegen „Konkret“: „Operation Eva“ | |
> Nicht nur gegen „Spiegel“ und netzpolitik.org wurde ermittelt, sondern | |
> auch gegen das linke Magazin „Konkret“ – 1982. Eine absurde Geschichte. | |
Bild: „Gerüchte verbreiten ist Landesverrat“ steht an einer Wand im ehemal… | |
Karlsruhe taz | Nicht nur der Spiegel und Netzpolitik mussten Ermittlungen | |
wegen Landesverrats ertragen. Gegen Journalisten von Konkret wurde 1982 | |
wegen ganz ähnlicher Delikte ermittelt. Bekannt wurde die Affäre aber nicht | |
unter dem Namen des linken Magazins, sondern als Langemann-Affäre. Anders | |
als beim Spiegel und bei Netzpolitik war hier nämlich die Quelle der | |
vermeintlichen Staatsgeheimnisse bekannt. Sie hieß Dr. Hans Langemann. | |
Der 1928 geborene Jurist arbeitete von 1957 bis 1970 als Agentenführer für | |
den Bundesnachrichtendienst (BND). Als Willy Brand 1969 erster SPD-Kanzler | |
wurde, wollte oder musste Langemann gehen. Er landete in Bayern und bekam | |
einen Job als Sicherheitsberater für die Olympischen Spiele in München | |
1972. Anschließend schuf die CSU-Landesregierung für Langemann eine neue | |
Abteilung „Staatsschutz“ im Innenministerium. Offiziell war er dort für | |
„positiven Verfassungsschutz“ durch Aufklärung zuständig. Faktisch machte | |
er sich immer wieder mit seinen alten BND-Kontakten nützlich. | |
Gedanklich war Langemann aber wohl immer noch in der großen | |
Geheimdienstwelt. Deshalb versuchte er Ende der 70er Jahre einen Roman über | |
den BND zu schreiben. Das Manuskript war aber so schlecht, dass es alle | |
Verlage ablehnten. Der Verleger Josef Ferenczy empfahl ihm immerhin einen | |
Koautor: den ehemaligen BKA-Kommissar Hans Peter Heigl, der inzwischen als | |
Nachrichtenhändler arbeitete. Im Sommer 1980 traf sich Langemann mit Heigl | |
in dessen Haus an der Cote d‘Azur, lieferte Dokumente und besprach | |
unzählige Tonbänder. Es wurde zwar kein Buch daraus, aber Heigl bot das | |
brisante Material Zeitungen und Magazinen an. | |
Konkret griff zu und brachte im März 1982 den Report „Operation Eva – ein | |
BND-Agent enthüllt Geheimdienstskandale“. Gestützt auf ausführlichen | |
Langemann-Zitate, schilderte der Konkret-Autor Jürgen Saupe acht angeblich | |
„kriminelle“ BND-Agenteneinsätze der Jahre 1962 bis 1969. Unter anderem | |
wollte der BND den Wiener Kardinal Franz König wegen dessen Ostkontakten | |
abschöpfen. Und beim neuen US-Präsidenten Richard Nixon habe man einen | |
Einflussagenten platziert, der dann bald auch Nachrichten liefern sollte. | |
## „Offenbaren von Staatsgeheimnissen“ | |
Diese News sorgten für erstaunlich wenig Aufregung. Wirbel gab es aber um | |
die Quelle Langemann. Immerhin war dieser seit über zehn Jahren | |
Abteilungsleiter im bayerischen Innenministerium. Nach wenigen Tagen wurde | |
Langemann suspendiert, es folgten mehrere Hausdurchsuchungen. Mitte März | |
wurde Langemann auch festgenommen. Die Bundesanwaltschaft ermittelte gegen | |
ihn wegen „Offenbarens von Staatsgeheimnissen“ (§ 95 Strafgesetzbuch). Er | |
kam dann aber schon Ende April 82 gegen Kaution aus der U-Haft frei. Zwei | |
Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags interessierten sich fast | |
nur für die Frage, wer Langemann eigentlich eingestellt hatte. | |
Und Konkret? Zwar wurde auch gegen Konkret-Autor Saupe und Chefredakteur | |
Manfred Bissinger wegen „Offenbaren von Staatsgeheimnissen“ ermittelt. Doch | |
zunächst blieb alles ruhig: keine Durchsuchungen, keine Verhaftungen. Nur | |
Langemann erwirkte eine gerichtliche Verfügung, dass aus den Tonbändern | |
nicht mehr zitiert werden darf. In der Folge zitierte Konkret eben aus | |
Langemanns Dokumenten. | |
## Durchsuchung beim Chef | |
Aber ging es überhaupt um Staatsgeheimnisse? Die Bundesanwaltschaft ließ | |
sich das in zwei Gutachten vom BND und vom Verfassungsschutz bestätigen. Es | |
sei „geradezu verheerend“, wenn Namen bekannt werden. Im Oktober 82 stufte | |
die Bundesanwaltschaft den Vorwurf gegen die Journalisten auf (fahrlässige) | |
Preisgabe eines Staatsgeheimnisses (§ 97) herunter. Bei diesem Delikt war | |
für weitere Ermittlungen eine Ermächtigung der Bundesregierung erforderlich | |
– die im Dezember 82 auch erteilt wurde. Gleich im Januar 83 führte die | |
Bundesanwaltschaft bei Bissinger, Saupe und bei Konkret dann doch | |
Durchsuchungen durch. Öffentlich wurde dies als neue harte Linie der | |
Regierung Kohl gewertet, die seit Oktober 82 im Amt war. | |
Bei der Durchsuchung nahmen die Fahnder auch „Zufallsfunde“ mit, etwa ein | |
Nato-Papier über Gegenmaßnahmen bei einem sowjetischen Atomschlag. Nun | |
eröffnete die Bundesanwaltschaft ein Verfahren wegen Landesverrats (§ 94) | |
gegen Unbekannt, schließlich hatte Konkret das Nato-Papier gar nicht | |
veröffentlicht. | |
Im September 82 stellte die Bundesanwaltschaft das Ermittlungsverfahren | |
gegen Saupe und Bissinger ein. Viel Solidarität hatte Konkret | |
zwischenzeitlich nicht erhalten. | |
Am Ende stand noch einmal Langemann im Rampenlicht: Ende 84 verurteilte ihn | |
das Bayerische Oberste Landesgericht zu acht Monaten Haft auf Bewährung. | |
Der Vorwurf war auf eine Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b) | |
reduziert worden. Außerdem galt Langemann als vermindert schuldfähig, wegen | |
einer sich verschlimmernden Kriegsverletzung am Hirn. Langemann starb 2004. | |
10 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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