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# taz.de -- Medienprivatisierung in Serbien: Die Freiheit, die keine ist
> Das serbische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das Medien vor
> staatlichen Eingriffen schützen soll. Kritiker bezweifeln, dass das am
> Ende klappt.
Bild: Mal sehen, was die Regierung so macht.
Belgrad taz | Bislang befinden sich die meisten serbischen Medien in
Privatbesitz. Nun soll sich der Staat aus allen Verlagen zurückziehen. Eine
entsprechende Medienstrategie ist im serbischen Parlament verabschiedet
worden. Die Begründung der Regierung: Nach der Privatisierung können
Gemeinden keinen politischen Einfluss mehr auf lokale Medien ausüben.
Außerdem folge man der Richtlinie der Europäischen Union über
Medienprivatisierung. So weit, so gut, nur so einfach ist das nicht.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Privatisierungsvorhaben in Serbien
größtenteils schiefgegangen sind. Zwielichtige Geschäftsleute haben
massenhaft Betriebe gekauft, sie mit Absicht in Konkurs geführt, um dann
die erworbenen Immobilien und Grundstücke verkaufen zu können. Genau das,
befürchten serbische Journalistenverbände, könnte nun auch bei der
Privatisierung der Medien passieren, und das, obwohl bereits vorhandene
Gesetze neue Eigentümer verpflichten, die primäre Tätigkeit der erworbenen
Medien fortzusetzen.
Ein weiteres Problem könnte sein, überhaupt Käufer für lokale Medien zu
finden. Deren Schulden und Kosten sind nämlich ausnahmslos höher als deren
Einnahmen. Hunderte Journalisten bei Printmedien, Fernsehsendern und
Radiostationen sind betroffen. Zunächst war die Frist für die
Implementierung des Gesetzes auf den 1. Juli angesetzt, wurde dann aber auf
den 31. Oktober aufgeschoben. Was auch trotz des verschobenen Termins
bleibt: Die neue Medienstrategie trifft direkt über 70 lokale Medien, die
von lokalen Selbstverwaltungen gegründet worden sind.
## Staatliches Mini-Subventionsprogramm
Zwar bietet der Staat ein soziales Programm, das Arbeitnehmer in lokalen
Medien mit 200 Euro jährlich unterstützt. Für zehn Jahre Arbeit bekommt man
also 2.000 Euro. Auch sollen Arbeitnehmer, deren Medien keinen Käufer
finden und die das staatliche Mini-Subventionsprogramm nicht annehmen,
Aktien ihres Betriebs erhalten. Aber so richtig viel bringt das nicht.
Auf der anderen Seite, sagt die Redakteurin des Wochenmagazins Vreme Jovana
Gligorijevic, sei der politische Druck auf lokale Medien noch nie so
„unausstehlich“ gewesen. Als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung
würde von den Redaktionen gefordert, die Realität nach dem Geschmack der
regierenden Parteien zu kreieren. Medienfreiheiten im westeuropäischen
Sinne des Wortes existierten in Serbien nicht.
Die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Ministerpräsident Aleksandar
Vucic, mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, kontrolliert alles im
Staat. So umfassend, dass Staatsinstitutionen lediglich als demokratischer
Schmuck im parlamentarischen System dienen. Die Partei entscheidet, welche
Geschäftsleute privilegiert werden, die Partei kontrolliert also das
Kapital und bestimmt so, bei welchen Medien in welchem Ausmaß geworben
werden darf und bei welchen eben nicht, behaupten Kritiker. Medien bangen,
dass ihre Finanzierung politisch abgeschnitten wird, und so gebe es in
Serbien fast keine regimekritischen Medien mehr.
## Eingriffe in die Pressefreiheit
Trotz der umfangreichen Eingriffe in die Pressefreiheit stößt die geplante
Medienstrategie der Regierung mitunter auf wenig Gegenliebe. Die
Präsidentin des Kultur- und Informationsausschusses des serbischen
Parlaments, Vesna Marjanovic von der oppositionellen Demokratischen Partei
(DS), kritisiert, dass diese sich zwar durchaus den europäischen Standards
entspreche, bezweifelt jedoch ihre Umsetzung.
„Die Medienstrategie an sich reicht nicht aus, man braucht auch eine ganze
Reihe von unabhängigen, regulativen Ausschüssen“, sagt Marjanovic. Dafür
aber mangelt es an den richtigen Stellen am Geld. Zwar sei ein Prozent des
serbischen Haushalts für Medienförderung vorgesehen, doch die
Schlüsselfrage sei, wer und wie bestimmt, wie dieses Geld verteilt werde.
Serbische Journalistenverbände forderten bislang vergebens, dass die Summe
für Medienförderung verdoppelt wird. „In der Praxis bedeutet die neue
Medienstrategie den Tod des lokalen Journalismus“, sagt die Redakteurin
Jovana Gligorijevic resigniert.
8 Jul 2015
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Serbien
Schwerpunkt Pressefreiheit
Subventionen
Journalismus
Privatisierung
Schwerpunkt Überwachung
Serbien
Aleksandar Vucic
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