Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zensur in Serbien: Die Pampigkeit des Herrn Vucic
> In Serbien werden Internetseiten attackiert, Blogs gesperrt und Blogger
> festgenommen. Die Betroffenen berichteten wohl zu kritisch über die
> Regierung.
Bild: Hier ist nur der Händedruck zwischen Putin und Vucic zensiert.
Alles scheint bestens in Serbien. Das Land hat im Januar die
Beitrittsverhandlungen mit der EU begonnen, Belgrad wird im Westen gelobt
wegen seiner Kosovo-Politik, Ministerpräsident Aleksandar Vucic wird als
Partner staatsmännisch empfangen in Wien, Paris und Berlin.
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte er bei seinem Besuch Ende Juni gar
ein erhabenes Stündchen unter vier Augen. Ja, die Wirtschaftslage in
Serbien ist schwierig, doch Vucic beteuert seinen Reformwillen, und die EU
will ihm unter die Arme greifen.
Verziehen ist ihm, dass er sich in den 1990er Jahren als Kriegshetzer einen
Namen gemacht hatte – solange er regionale Friedenspolitik liefert, werden
die kleinen Schönheitsfehler seiner inneren Machtpolitik geduldet: dass es
in Serbien beinahe keine Opposition mehr gibt, dass die Boulevardpresse wie
ein Schlaghammer der Regierung eingespannt ist, der Rufmord an
Regimegegnern begeht, dass es kaum regimekritische Medien gibt, dass sich
Vucic über staatliche Institutionen stellt.
„Im engen Sinne des Begriffs gibt es keine Zensur in Serbien“, sagt die
bekannte Journalistin Jovana Gligorijevic. Doch die Redefreiheit sei sehr
wohl bedroht, denn Websites wurden neulich blockiert, Blogs entfernt und
Blogger festgenommen.
„Es gibt keine Beweise, dass das Regime dahintersteht, aber in allen Fällen
handelte es sich um regimekritische Inhalte“, sagt Gligorijevic. Auf der
anderen Seite kann man in der Tagespresse keine regimekritischen Artikel
lesen, es gebe gerade einmal zwei kritische TV-Formate, eines davon sei
satirisch.
Journalistenverbände warnen, dass die schwierige Wirtschaftslage der Medien
die Medienfreiheit bedrohe. Große Unternehmen wollen sich bei politischen
Machthabern nicht unbeliebt machen, um ihre Geschäfte nicht zu gefährden –
und also bekommen regimekritische Medien keine Anzeigen, auf die sie
finanziell angewiesen sind.
## Schlamm in jeder Hinsicht
„Das führt zur Autozensur“, sagt Gligorijevic, Journalisten bangen um ihre
materielle Existenz. So brachte das gewaltige Hochwasser im Frühjahr in
Serbien nicht nur Schlamm ans Tageslicht. Jegliche Kritik an der Regierung
wurde in der Zeit des Ausnahmezustands als eine Attacke gegen Vucic – und
somit gegen den gesamten Staat – verunmöglicht.
Einige kritische Portale wurden blockiert, Blogger festgenommen. Als aber
die Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Dunja Mijatovic, den
serbischen Regierungschef schriftlich auf die „Unterdrückung der Medien“
aufmerksam machte, da wurde es richtig heftig.
Nicht er, sondern „viele Vertreter der internationalen Gemeinschaft,
ausländische Botschafter und die OSZE setzen die (serbischen) Medien unter
Druck“, konterte Vucic. Sie alle würden eine Kampagne gegen ihn führen,
„weil Serbien gegen Russland keine Sanktionen wegen der Ukrainekrise
verhängen will“. All das mit der Unterdrückung der Medien sei Quatsch. Er
hätte nie von diesen Portalen gehört, die blockiert wurden. „Ihr werdet mir
nicht den Mund stopfen, weil ich die Wahrheit sage, und ihr lügt“, sagte
Vucic böse und forderte eine Entschuldigung von der OSZE.
## Mär vom bösen Westen
Paula Tide, die Vizechefin der OSZE in Serbien, lehnte eine Entschuldigung
ab. Laut Tide sollte das serbische Parlament in Kürze wichtige
Mediengesetze verabschieden, und dann sähe man schon bald, ob sich die Lage
der Medien verbessere. Bisher jedoch ist nichts geschehen. Der
EU-Beauftragte in Belgrad, Michael Davenport, und der US-Botschafter
Michael Kirby stellten sich jedoch hinter die OSZE-Mission in Serbien.
Die Aleksandar Vucic ergebene Boulevardpresse schrieb daraufhin von einem
„europäischen Schlag gegen Serbien“, vom „ukrainischen Ultimatum“. Sel…
in der Affäre um den serbischen Innenminister Nebojsa Stefanovic – seine
Dissertation soll ein Plagiat sein – witterte man „eine Botschaft des
Westens an Vucic, dass er jederzeit abgelöst werden könnte“. Der Epilog:
nichts. Medien haben einen Maulkorb bekommen, die Opposition wurde mundtot
gemacht.
21 Jul 2014
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Serbien
Zensur
Aleksandar Vucic
Blogger
Serbien
Serbien
Russland
Belgrad
Serbien
Flut
Serbien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Medienprivatisierung in Serbien: Die Freiheit, die keine ist
Das serbische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das Medien vor
staatlichen Eingriffen schützen soll. Kritiker bezweifeln, dass das am Ende
klappt.
Kommentar Serbien und Sanktionen: Nette kleine Nebenfront
Der EU-Beitrittskandidat Serbien nutzt die Sanktionen, um selbst mehr Waren
nach Russland zu exportieren. Daraus kann die EU lernen.
Zensur in Russland: Bedrohung aus dem Netz
Die staatlich-russische Medienaufsicht Roskomnadsor versteht keinen Spaß.
Das gilt besonders für das Internet und Social Media.
Kulturpolitik in Belgrad: Die Moderne im Tresor
Seit Jahren ist das Museum für zeitgenössische Kunst in Belgrad
geschlossen. Es müsste saniert werden, doch das Geld fehlt.
Serbische Regierung zensiert Medien: Ein Virus namens Zensur
Der EU-Kandidat Serbien greift wie zu schlimmsten Zeiten in seiner
Vergangenheit wieder zur massenhaften Medienzensur. Doch die Kritiker geben
nicht klein bei.
Jahrhundertflut auf dem Balkan: Unvorbereitet in die Katastrophe
In den bosnischen Städten Maglaj und Doboj stand das Wasser noch am Sonntag
vier Meter hoch. Insgesamt starben mindestens 44 Menschen.
Kommentar Wahlen in Serbien: Ein Mann, ein Volk und die EU
Die Serbische Fortschrittspartei gewinnt die Mehrheit der Sitze im
Parlament. Jetzt muss die EU sehen, dass die Zivilgesellschaft nicht der
Strecke bleibt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.