# taz.de -- Zensur in Russland: Bedrohung aus dem Netz | |
> Die staatlich-russische Medienaufsicht Roskomnadsor versteht keinen Spaß. | |
> Das gilt besonders für das Internet und Social Media. | |
Bild: Der begeisterte Instagram-Nutzer und Premierminister Medwedew sortiert se… | |
BERLIN taz | „Sibirien ist keine Kolonie“, lautet der provokante Titel | |
einer russischen Facebook-Seite. Am 17. August planten die Verfasser in | |
Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands, einen Marsch für die | |
Föderalisierung Sibiriens – in Anlehnung an die aktuellen Ereignisse in der | |
Ukraine. Diesen Marsch haben die russischen Behörden nun verboten. Zur | |
Begründung hieß es, es gelte „die Unverletzlichkeit der verfassungsmäßigen | |
Ordnung, die territoriale Integrität sowie die Souveränität der Russischen | |
Föderation zu schützen“. | |
Zu der Aktion hatten die Veranstalter vor allem in sozialen Netzwerken | |
aufgerufen. Auf ihrer Facebook-Seite fordern sie unter anderem eine größere | |
wirtschaftliche Autonomie für die fernöstliche Region gegenüber Moskau. Das | |
ist durchaus ernst gemeint. Sibirien führt in den Augen der Initiatoren zu | |
viele Steuern aus den Einnahmen der Öl- und Erdgasförderung an die | |
Zentralregierung ab. Aber nicht nur das. Es gehe auch darum, die Heuchelei | |
des Kremls angesichts der Selbstbestimmung in der Ukraine aufs Korn zu | |
nehmen, sagte der Künstler und Mitorganisator des Marsches Artjom Loskutow. | |
„Wir verwenden die Rhetorik, die auch unsere Regierung in ihrer Propaganda | |
verwendet. Sie trichtert uns ein, wie großartig es ist, wenn sich einige | |
Republiken für das Recht auf Selbstbestimmung einsetzen. Okay, lasst uns | |
das mal auf andere Regionen anwenden. Kann sich Sibirien dieselbe Rhetorik | |
erlauben? Offensichtlich nicht“, sagte Loskutow der britischen Zeitung The | |
Guardian. In einem anderen Interview, das der russische Dienst der BBC als | |
Audiodatei veröffentlichte, rief Loskutow zur Teilnahme an dem Marsch auf. | |
Lokutows Engagement rief umgehend die russische staatliche | |
Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor auf den Plan. Sie forderte 17 Websites | |
auf, die Gespräche mit Loskutow zu löschen. Denn diese enthielten „Aufrufe | |
zu Massenunruhen“ und zu „extremistischen Handlungen, die die territoriale | |
Integrität des Landes infrage stellen“ – also Separatismus. Darauf stehen | |
laut einer Gesetzänderung vom vergangenen Mai bis zu fünf Jahre Haft. Der | |
BBC drohte Roskomnadsor sogar an, die komplette Website zu blockieren, | |
sollte das Interview nicht von der Seite genommen werden. Eine | |
gleichlautende Aufforderung erging an die ukrainische Nachrichtenseite | |
www.Glavcom.ua und deren deutschen Host Hetzner Online. | |
## Amtlich registrierte Blogger | |
„Ausländische Unternehmen dürfen sich nicht zum Werkzeug der russischen | |
Zensurpolitik machen lassen“, fordern „Reporter ohne Grenzen“. Trotzdem | |
sind mittlerweile die meisten Websites der Aufforderung, die Interviews zu | |
tilgen, nachgekommen. | |
Die Meinungsfreiheit im Netz ist unter Russlands Präsident Wladimir Putin | |
schon länger bedroht. Im Rahmen eines Gesetzespakets zur Bekämpfung des | |
Terrorismus sind Internetdienstleister in der Russischen Föderation | |
verpflichtet, die Kommunikationsdaten ihrer Nutzer sechs Monate lang zu | |
speichern. Außerdem muss sich jeder Blogger, Twitterer oder Nutzer von | |
sozialen Netzwerken amtlich registrieren lassen, sobald er täglich mehr als | |
3.000 Besucher hat. | |
Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen Geldstrafen von umgerechnet bis zu | |
10.000 Euro. Wer in einem Internetcafé surfen will, muss seinen Pass | |
vorlegen. Zusätzlich wird die Nummer des Gerätes, mit dem der Nutzer ins | |
Netz gegangen ist, registriert. Die Veranstalter des Marsches in | |
Nowosibirsk wollen sich mit dem Verbot nicht abfinden. Sie haben die Aktion | |
jetzt unter einem anderen Namen angemeldet. | |
10 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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