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# taz.de -- Twitter experimentiert mit der Timeline: Ungebetene Gäste
> Twitter nimmt Nutzern teilweise die Kontrolle über angezeigte
> Informationen. Damit könnte das Netzwerk sein Alleinstellungsmerkmal
> verlieren.
Bild: Twitter wird immer mehr wie Facebook.
BERLIN taz | „Auf Facebook findest du die Menschen, die in deine Schule
gegangen sind, auf Twitter jene, mit denen du gern zur Schule gegangen
wärst.“ Dieses snobistisch anmutende Credo vieler Twitter-Nutzer erfährt
nun eine ungebetene Erweiterung. Neben den abonnierten Feeds und „Sponsored
Tweets“, also bezahlter Werbung, werden den Nutzern nun Kurznachrichten von
[1][nicht abonnierten Accounts in die Timeline gespült], die nach Meinung
des Mikrobloggingdienstes „[2][für dich relevante Inhalte]“ haben.
[3][Die Aufregung] nicht weniger Nutzer über diese Änderung an der
Oberfläche erscheint auf den ersten Blick wie das gar nicht so selten zu
beobachtende und dabei paradox anmutende Phänomen, dass ein signifikanter
Teil der technikaffinen Nutzer, darunter nicht wenige early adopter,
praktisch jeder Änderung „ihres“ Systems, „ihrer“ App, „ihrer“ Obe…
mit konservativstem Beharrungsvermögen widerstehen.
Gerade so, als gäbe es einen perfekten Entwicklungsstand der verwendeten
Technologien, dessen Veränderung nur Verschlechterung bedeuten kann und wie
Häresie behandelt werden muss.
So wird schon lange jedes Update der Twitter-App oder des Webinterfaces mit
rauen Beschimpfungen quittiert. Jede Designanpassung ist da ein Sakrileg.
Das mag übertrieben wirken, der Schritt, den Twitter mit der Präsentation
nicht bestellter Inhalte in den Timelines seiner Nutzer jetzt versucht, hat
jedoch das Zeug dazu, das Prinzip des Dienstes nachhaltig zu verändern –
das Prinzip nämlich, dass der Nutzer alleine den Informationszufluss in
seiner Timeline kontrolliert.
## Ohne Auswahlalgorithmen
Der Kommunikationswissenschaftler Günter Hack [4][beschreibt auf zeit.de]
den Wert dieser Kontrolle über den Informationsfluss anhand der Wahrnehmung
der Zustände in Ferguson auf Facebook und Twitter. Während Facebooks
Auswahlalgorithmen Tage brauchten, um die Relevanz des Themas so hoch
anzusetzen, dass es in den Timelines der Nutzer auftauchte, verbreiteten
sich Bilder und Kommentare zum Tode Michael Browns und den Zusammenstößen
zwischen Bürgern und der Polizei ungefiltert und zügig auf Twitter.
Da liegt auch einer der Gründe, warum Twitter als Werkzeug bei Journalisten
so beliebt ist: die unmittelbare und chronologische Abbildung von aktuellen
Ereignissen, ohne zwischengeschaltete und wertende Algorithmen. Dabei wäre
grundsätzlich vielleicht gar nichts gegen eine Vorauswahl einzuwenden: „Das
Problem besteht nicht darin, dass sie Nachrichten algorithmisch ordnen,
sondern dass die Nutzer, genau wie in [5][Facebooks berüchtigter
Emotionsstudie], nicht erfahren, wie diese Ordnung hergestellt wird“,
schreibt Hack.
Da Twitter bereits mit einigen Designentscheidungen in der jüngeren
Vergangenheit, wie der [6][prominenteren Einbindung von Bildposts],
angedeutet hat, dass ein Ziel des Dienstes eine Art „Facebookisierung“ sein
könnte, ist ein gewisses Misstrauen nun durchaus angebracht.
Ein paar nicht bestellte Tweets zu möglicherweise „für dich relevanten“
Themen sind sicher noch kein Problem für den informierten Nutzer. Da es für
dieses Experiment jedoch kein Opt-out gibt, stellt sich die Frage, wie
lange es noch dauern wird, bis die chronologische Abfolge gänzlich
unverlangt nach unbekannten Kriterien abgewandelt wird oder „irrelevante
Tweets“ ganz verschwinden, und das dann wiederum ohne die Möglichkeit, eine
solche Sortierung abzuschalten.
Dann kommen vielleicht auch mehr von den alten Schulfreunden zu Twitter und
damit mehr Werbekunden. Als Werkzeug für „Journalisten, Wissenschaftler und
andere Akteure, die ernsthaft daran interessiert sind, sich zu aktuellen
Themen einen Überblick zu verschaffen“, wie Günter Hack Twitter noch sieht,
wird es dann aber unbrauchbar.
20 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Twitter-schleust-fremde-Tweets-ein-2…
[2] http://support.twitter.com/articles/495848-was-ist-eine-twitter-timeline#
[3] http://www.sebastian-pertsch.de/5991/twitter-favoriten-timeline.html
[4] http://www.zeit.de/digital/internet/2014-08/ferguson-twitter-facebook-algor…
[5] /Umstrittenes-Timeline-Experiment/!141419/
[6] http://blog.twitter.com/de/2013/besser-visualisierte-tweets
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Twitter / X
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