# taz.de -- Rechnergestützte Prognosen: Wie Ihre Zukunft berechnet wird | |
> Jede Menge Daten: Was der Supermarkt, das Smartphone, der Geheimdienst | |
> und die Polizei heute schon über morgen wissen – vier Beispiele. | |
Bild: Dieses Getränkeregal weiß eventuell schon, wo wir gleich zugreifen werd… | |
## Das Kaufverhalten im Blick | |
Das Produkt: Einkaufsanalyse der Firma RetailNext | |
Das Ziel: Supermarktkunden kennen. Exakt wissen, wofür sie sich | |
interessieren, was sie kaufen wollen. | |
Die Methode: Wie lange stehen Sie vor dem Regal mit den Schokoriegeln? | |
Welchen Gesichtsausdruck haben Sie dabei? Überwachungskameras machen | |
Gesichtszüge erkennbar. Smartphones dokumentieren den Weg durch den Laden, | |
sobald sich jemand ins WLAN des Supermarkts einwählt. Über Smartphone und | |
über Kundenkarten werden Käufer wiedererkannt. | |
Der Nutzen: Hinweis auf Preisnachlässe beim Lieblingsschokoriegel oder den | |
Salatgurken. | |
Treffsicherheit: Weil sie so das Kaufverhalten bestimmter Personen | |
analysieren und schon kleinste Veränderungen bemerken können, verschicken | |
Händler früh Werbung für Schwangerschaftsprodukte. Manchmal lange bevor die | |
Familien der Schwangeren davon wissen. An die Adressen kommen die Firmen | |
unter anderem über die Daten auf den Kundenkarten. | |
Einsatzgebiet: Bloomingdale’s-Kaufhäuser und die Modekette American Apparel | |
nutzen diese Technologie. | |
Datenmenge: 2013 hat das Unternehmen mehr als 500 Millionen Käufer | |
verfolgt. | |
## Ungefragter Organizer | |
Das Produkt: Google Now | |
Die Idee: Den Alltag optimieren. | |
Die Methode: Die Google-Anwendung für Smartphones oder Tablets durchsucht | |
das Handy nach Hinweisen darauf, was jemand wohl als nächstes tun will. Sie | |
verwendet dafür E-Mails, Webprotokolle, den aktuellen Standort und | |
Bewegungsdaten. | |
Der Nutzen: „Die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ | |
– wirbt Google. Die App erinnert an unbezahlte Rechnungen, schlägt | |
Restaurants in der Nähe vor oder auf Reisen Hotels. | |
Treffsicherheit: Je mehr der Nutzer zulässt, umso genauer weiß Google | |
Bescheid, umso besser kann es Werbung platzieren. | |
Einsatzgebiet: Google Now lässt sich in der Google-Such-App für Smartphones | |
oder Tablets aktivieren. | |
Datenmenge: Mehr als 90 Prozent aller Suchanfragen laufen in Europa über | |
Google. | |
## The revolution will be televised | |
Das Produkt: Prognoseinstrument Embers | |
Das Ziel: Demonstrationen und Revolutionen voraussagen. | |
Die Methode: Ein Algorithmus durchsucht soziale Netzwerke, Zeitungsartikel | |
und andere Quellen, um vor Protesten zu warnen: Neben dem genauen Datum, | |
dem Ort und dem Grund für eine mögliche Demonstration weiß das System auch, | |
welche soziale Gruppe auf die Straße gehen wird. | |
Treffsicherheit: Laut der US-Zeitung Roanoke Times traf Embers im April 658 | |
Vorhersagen für lateinamerikanische Länder – 99 Prozent bewahrheiteten | |
sich. | |
Einsatzgebiet: Das Projekt wird mit bis zu 13 Millionen US-Dollar von den | |
Geheimdiensten der USA gefördert. | |
Datenmenge: Embers analysiert Tweets, Gesundheitswarnungen, meteorologische | |
Daten der Nasa und Restaurantreservierungen oder Belegstatistiken von | |
Krankenhausparkplätzen. Derzeit hat Embers 12 Terabytes archiviert. Das | |
sind rund 3 Milliarden Nachrichten. Jede Sekunde werden 200 bis 2.000 | |
weitere Nachrichten analysiert. Pro Tag produziert das Programm um die 40 | |
Warnungen. | |
## Minority Report | |
Das Produkt: Heat List der Polizei von Chicago | |
Das Ziel: Das Chicago Police Department führt eine Liste mit 420 Personen, | |
die in nächster Zeit ein gewaltsames Verbrechen begehen könnten. | |
Die Methode: Der Algorithmus wurde entwickelt von Miles Wernick, einem | |
Professor am Illinois Institute of Technology. Der Algorithmus wertet | |
Informationen über vergangene Verbrechen aus. Die nutzt die Liste, um die | |
Zielobjekte besonders genau zu überwachen. Zu den verwendeten Daten zählen | |
unter anderem Strafregister, Listen mit Inhaftierten, die auf Bewährung | |
freigelassen wurden, Durchsuchungs- und Vollstreckungsbefehle, aber auch | |
Informationen über die Freunde der Zielperson und wie deren | |
Vorstrafenregister aussehen. | |
Treffsicherheit: Polizei und Hersteller werben mit gesunkenen | |
Kriminalitätsraten. Immer wieder geraten Unschuldige ins Visier. Robert | |
McDaniel bekam im Sommer 2013 Besuch von der Polizei. Man sagte ihm, man | |
werde ihn überwachen. Ins Raster war er anscheinend geraten, weil ein | |
Freund von ihm im Jahr zuvor erschossen worden war. | |
Einsatzgebiet: Neben der Heat List des Chicago Police Department gibt es | |
auch in anderen Städten der USA vergleichbare Ansätze. Das Unternehmen | |
PredPol beispielsweise wirbt mit Verbrechensvorhersagen in Echtzeit. Es | |
arbeitet etwa mit der Polizei von Los Angeles zusammen. In Deutschland will | |
das Land Nordrhein-Westfalen künftig mit der Technik Einbrüche verhindern. | |
Auch das Bundeskriminalamt hat sich bei verschiedenen Herstellern über das | |
predictive policing informiert. | |
Datenmenge: Keine Ahnung. Die Polizei von Chicago legt diese Information | |
nicht offen. | |
3 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
Julia Ley | |
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