| # taz.de -- Druck auf serbische Medien: Der Journalist als Gläubiger | |
| > Premier Vucic hat wenig für Kritik übrig. Medien, die ihm widersprechen, | |
| > werden diffamiert. Die Folge: Nur wenige wagen, ihm auch nur Fragen zu | |
| > stellen. | |
| Bild: So ist's recht: Vucic immer freundlich zeigen – hier mit einer kosovari… | |
| BELGRAD taz | Er ist tapfer, energisch und zielbewusst. Er kämpft | |
| kompromisslos gegen die Bösewichte, gegen Kriminelle, gegen korrumpierte | |
| Politiker und andere Volksschädlinge. Er ist bedroht von allen Seiten, doch | |
| er gibt keinen Millimeter nach. Er ist bereit, sein Leben für das | |
| Wohlergehen Serbiens zu opfern. Er ist Freund und Partner des Westens und | |
| des Ostens, des Norden und des Südens. Er ist Aleksandar Vucic, der | |
| Ministerpräsident Serbiens. | |
| Ein solches Bild entsteht vom serbischen Regierungschef, wenn man nicht die | |
| wenigen kritischen Zeitungen mit winzigen Auflagen oder eine Handvoll | |
| serbischer Webseiten liest. Vergebens empören sich Autoren dort über das | |
| autokratische Regime und die Vetternwirtschaft, weisen auf Populismus, | |
| Dilettantismus und Repression hin. | |
| Die Mainstream-Medien fangen all das ab: Wer Vucic kritisiert, wird | |
| automatisch als Staatsgegner gebrandmarkt, als jemand, der von der Mafia, | |
| blutrünstigen Tycoons oder dem Serbien-kritischen Ausland bezahlt wird, um | |
| Vucic zu entmachten und das Land zu destabilisieren. Gegen solche „Söldner“ | |
| werden in vom Regime beherrschten Boulevardblättern richtige | |
| Rufmordkampagnen organisiert. | |
| Was der zerschmetterten Opposition Serbiens und den wenigen kritischen | |
| Medien erschreckend erscheint, stört Brüssel und Berlin wenig. Im | |
| Gegenteil. Wegen Vucic’ „mutiger“ Kosovopolitik ist Serbien im Januar 2014 | |
| mit dem Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen belohnt worden. „Solange Vucic | |
| in der Kosovo-Frage liefert, solange er regionale Politik im Sinne des | |
| Westens betreibt, kann er innenpolitisch machen, was er will“, sagt | |
| Dragoljub Zarkovic, Chefredakteur des Wochenmagazins Vreme. | |
| Aus Brüssel und Washington betrachtet, sei die regionale Stabilität | |
| wichtiger als Medienfreiheit in Serbien – und der starke Mann Vucic sei | |
| eben als ein Stabilitätsfaktor identifiziert worden. | |
| ## „Sagt diesen Lügnern, dass sie wieder gelogen haben“ | |
| Nur ab und zu, wenn Vucic sich mit Vertretern des Westens anlegt, so wie es | |
| im Umgang mit Birn, dem Balkan Investigative Reporting Network, das auf | |
| Englisch berichtet, bereits Standard ist, wird Brüssel im Hinblick auf | |
| Meinungsfreiheit in Serbien hellhörig. So wie vergangene Woche, als Birn | |
| das Tenderverfahren für die Sanierung der Überschwemmungen im Tagebau | |
| Tamnava, des wichtigsten serbischen Bergwerks Kolubara, in Frage stellte. | |
| Birn berichtete über angebliche Unregelmäßigkeiten und brachte sie in | |
| Zusammenhang mit Leuten, die Vucic nahe stehen. | |
| Birn habe Geld von der EU und Michael Davenport, dem Leiter der | |
| EU-Vertretung in Serbien, erhalten, um Serbiens Regierung zu kritisieren, | |
| donnerte Vucic daraufhin zurück: „Sagt diesen Lügnern, dass sie wieder | |
| gelogen haben.“ Medien, die dem Regime ergeben sind, verbreiteten danach | |
| die These, dass jede Zeitung, die auf irgendeine Weise von der EU | |
| finanziell unterstützt wird, eigentlich dafür bezahlt wird, Lügen über | |
| Vucic zu verbreiten. | |
| Dass Serbiens Premier so scharf auf Kritik reagiert, ist nicht die | |
| Ausnahme, sondern die Regel. Auch auf kritische Stimmen während der | |
| katastrophalen Überschwemmungen im Mai 2014 oder Berichte über die | |
| intransparente Übernahme der serbischen Fluggesellschaft JAD durch eine | |
| Firma mit Sitz in Abu Dhabi ging er ähnlich um. | |
| „Serbischen Journalisten wird das Recht untersagt, Fragen zu stellen. Wenn | |
| man unangenehme Fragen stellt, wird man als Lügner angeprangert“, sagt | |
| Birn-Redakteur Slobodan Georgijev. Wer es wage, Journalismus nicht wie ein | |
| Gläubiger zu betreiben, erklärt Georgijev, kriege sofort eins auf die Nase. | |
| 23 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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