# taz.de -- Kommentar EU und Ex-Jugoslawien: Enttäuschte Balkanstaaten | |
> In den neuen Mitgliedsländern wächst die Kritik an der EU. In den weniger | |
> entwickelten Staaten des Balkan wird die EU aber herbeigesehnt. | |
Bild: Relikt aus alten Tagen: Revolutionsdenkmal in Pogaric, früher Jugoslawie… | |
Als der Krieg auf dem Balkan 2001 zu Ende ging, blickten die Menschen | |
voller Hoffnung nach Europa. Zwar hatte Europa darin versagt, den Krieg zu | |
stoppen, doch Europa versprach den gebeutelten Gesellschaften im Südosten | |
Europas wenigstens Frieden, Stabilität, Demokratie, Menschenrechte und | |
wirtschaftlichen Aufschwung. Die EU verpflichtete sich, allen Staaten eine | |
Perspektive der Integration zu bieten. Sie wollte den vom Kommunismus | |
geprägten Gesellschaften helfen, den Sprung in die Marktwirtschaft zu | |
schaffen. | |
In den Bevölkerungen führte dieses Versprechen damals zu einer Euphorie | |
gegenüber Europa. Die entwickelteren Staaten Slowenien und Kroatien gelang | |
der Sprung in die Marktwirtschaft halbwegs, andere Länder versanken im | |
Sumpf eines brutalen Neokapitalismus. Mit all den Erscheinungen von | |
Korruption und der Herrschaft von nach oben gespülten verantwortungslosen | |
Machteliten. | |
Die Reife der jeweiligen Gesellschaften zeigt sich darin, wie es ihnen | |
gelingt, diese Eliten zu zähmen und einen „normalen“ europäischen Staat | |
aufzubauen. In Albanien, Montenegro, in Bosnien, in Serbien, Makedonien und | |
Kosovo ist diese Zähmung noch nicht hinreichend erfolgt. Die Mehrheit der | |
Menschen gerade in diesen Ländern wollen die Integration, sie wollen weg | |
von der Herrschaft ihrer alten Eliten, sie wollen einen „normalen“ | |
europäischen Staat. | |
Dass mit der EU Milch und Honig fließen, das glaubt jedoch kaum noch | |
jemand, denn in Slowenien und Kroatien hat sich mit dem Beitritt | |
wirtschaftlich kaum etwas zum Besseren gewendet. So ergibt sich die | |
paradoxe Situation, dass in den neuen EU-Staaten Slowenien und Kroatien die | |
Kritik an der EU wächst und in den nachhinkenden Staaten die Bevölkerungen | |
nichts sehnlicher wünschen, als gleichberechtigte Bürger eines vereinten | |
Europas zu sein. | |
1 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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