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# taz.de -- Reformen in Bosnien und Herzegowina: Ein deutsch-britischer Vorstoß
> Bei ihrem Besuch in Sarajevo versuchen die Außenminister Frank-Walter
> Steinmeier und Philip Hammond den Balkanstaat auf EU-Kurs zu bringen.
Bild: Werben für Europa: Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein briti…
SARAJEVO taz | „Das ist wohl unsere letzte Chance“, lautet der Tenor der
Medien in Bosnien und Herzegowina nach dem Besuch des deutschen und
britischen Außenministers, Frank-Walter Steinmeier und Philip Hammond, am
vergangenen Freitag in Sarajevo. Auch die Menschen schöpfen wieder
Hoffnung. Deutschland, Großbritannien und damit die EU blicken endlich
wieder auf Bosnien, freuen sie sich. „Ohne Anstöße von außen wird sich hier
nichts bewegen“, ist auf den Straßen zu hören – ob vom Bäckermeister, der
Zeitungsverkäuferin, dem Professor oder der Rentnerin.
Vier Jahre Stagnation stecken allen in den Knochen. Die Verzweiflung der
Bevölkerung brach sich im Frühjahr 2014 in militanten Demonstrationen Bahn,
ohne jedoch grundlegende Veränderungen zu bewirken. Die Vorsitzenden der
politischen Parteien aller Volksgruppen haben sich in ihren Grabenkämpfen
aufgerieben und innerhalb des komplizierten Verfassungssystems alle Ansätze
für Reformen blockiert. „Die Politiker denken nur an sich und ihre
Klientelen, nicht jedoch an die gesamte Gesellschaft“, ist der Tenor der
Kritik.
Diese Stimmung wurde von Steinmeier und Hammond bei ihrem Besuch
aufgenommen. Bei Reden vor dem Parlament, bei Zusammenkünften mit den drei
Vertretern des Staatspräsidiums und den wichtigsten Parteiführern ließen
sie keinen Zweifel daran, dass dies die letzte Chance für Bosnien und
Herzegowinas EU-Integration sei. „Das von uns geöffnete Zeitfenster ist nur
klein“, sagte Steinmeier, „nutzen Sie die Gelegenheit.“
Der Präsident der serbischen Teilrepublik Milorad Dodik, der wenige Tage
zuvor erklärt hatte, er werde das Treffen boykottieren, kam und diskutierte
angeregt mit Fahrudin Radoncic, dem bosniakischen Medienzaren, dem
serbischen Oppositionsführer Mladen Bosic, dem Vorsitzenden der
Demokratischen Front aus Sarajevo, Ivo Komsic, und dem Kroaten Martin
Raguz.
## Treffen auf der Kippe
##
Es ging kurz vor dem Treffen mit Steinmeier und Hammond um das zu
verabschiedende Memorandum, das alle unterschreiben sollten. Die Serben
hatten zur Bedingung gemacht, dass es keine Verfassungsänderung geben und
der Bestand der serbischen Teilrepublik nicht angetastet werden dürfe.
Dragan Covic, kroatischer Nationalist und Mitglied des dreiköpfigen
Staatspräsidiums, hatte Sonderwünsche für eine stärkere Repräsentanz der
Kroaten im Staat angemeldet. Somit war das Treffen wieder in Frage
gestellt.
Was Steinmeier und Hammond bei dem gemeinsamen Essen erklärten, wurde zwar
nicht öffentlich. Aber am Ende war klar, dass alle Parteiführer dem noch
etwas modifizierten Text zustimmen würden. Sicher ist: Die von allen
Bosnien-Experten für notwendig erachtete Verfassungsänderung steht nicht
an. Steinmeier und Hammond hatten schon im Vorfeld darauf verzichtet, die
verschleppte Umsetzung des Urteils des Straßburger
Menschenrechtsgerichtshofs in Bezug auf die Gleichberechtigung der
Minderheiten (Sejdic-Finci-Urteil) zur Vorbedingung der Gespräche zu
machen.
Es ging ihnen darum, eine schriftliche Erklärung der Parteiführer und
Mitglieder des Staatspräsidiums – neben dem Kroaten Dragan Covic der
Bosniak Bakir Izetbegovic und der Parteichef der serbischen Liberalen,
Mladen Ivanic – vor allem für Verbesserungen der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen zu erreichen. Es müsse aber ein Mechanismus geschaffen
werden, um die Umsetzung der Reformen kontrollieren zu können, erklärte
Steinmeier. Der Erfolg der deutsch-britischen Initiative wird davon
abhängen, wie dieser Mechanismus aussieht, kommentierten Zeitungen in
Sarajevo am Montag.
20 Jan 2015
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
EU
Frank-Walter Steinmeier
Philip Hammond
Sarajevo
Bosnien und Herzegowina
Papst Franziskus
Europa
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Außenminister
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