# taz.de -- Regierungskrise in Bosnien: Koalition geplatzt | |
> Sozialdemokrat Komsic reagiert mit seinem Rückzug auf Vetternwirtschaft. | |
> Das verpasst auch EU-Hoffnungen auf Reformen einen Dämpfer. | |
Bild: Ob der Papst bei seinem Besuch die Gemüter der Menschen in Bosnien etwas… | |
SARAJEVO taz | Gerade an dem Tag, an dem in Sarajevo schon alle Behörden | |
und Betriebe um Punkt 12 Uhr geschlossen wurden, um sich auf den | |
Papstbesuch am Samstag vorzubereiten, platzte eine politische Bombe. Am | |
Freitag morgen wurde bekannt, dass die erst seit sieben Monaten amtierende | |
Regierung der Föderation Bosnien und Herzegowina, also des Teilstaates | |
bosniakisch-kroatische Föderation, am Vorabend gestürzt worden war. | |
Nach außen hin ist erst einmal der Vorsitzende der nichtnationalistischen | |
und sozialdemokratischen Partei „Demokratische Front“, Zeljko Komsic, der | |
Schuldige. Denn er ließ die Koalition zwischen seiner Partei und der | |
nationalistisch-kroatischen Partei HDZ BiH (Kroatische Demokratische | |
Gemeinschaft ) sowie der nationalkonservativen muslimischen „Partei der | |
Demokratischen Aktion“ ( SDA) platzen. | |
Bei näherem Hinsehen jedoch wird klar, wer die wirklich Schuldigen sind. | |
Denn Komsic wollte es nicht mehr hinnehmen, dass die Parteiführer Dragan | |
Covic (HDZ) und Bakir Izetbegovic (SDA) – wie in der Vergangenheit üblich - | |
die Posten in den Staatsbetrieben und in der Verwaltung unter ihren Leute | |
aufteilen wollen. Die Praxis, unqualifizierte, aber politisch genehme Leute | |
in hohe Positionen zu hieven, ist einer der Gründe für die Stagnation des | |
Landes. Und sie ruft den Unmut der normalen Bevölkerung in ganz Bosnien und | |
Herzegowina hervor. | |
Aber auch bei den internationalen Institutionen im Lande. Am vergangenen | |
Montag setzte die Europäische Union das Assoziierungs- und | |
Stabilitätsabkommen mit Bosnien und Herzegowina in Kraft. Damit verbunden | |
sind Hoffnungen, dass nun endlich die Parteien auf einen Reformweg | |
einschwenken, um das Land sowohl politisch-institutionell wie auch | |
wirtschaftlich auf EU-Kurs zu bringen. | |
## Reformversprechen | |
Erst vor wenigen Wochen hatten 14 Parteiführer dem deutschen und britischen | |
Aussenminister, Frank-Walter Steinmeier und Philip Hammond, versprochen, | |
die von der EU geforderte Reformpolitik zu unterstützen. Diplomatischen | |
Kreise sind deshalb von Covic und Izetbegovic enttäuscht. Die Politiker | |
hätten eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, dächten jedoch nur an | |
ihre Partikularinteressen, erklärten sie. | |
Der bosnische Kroate Dragan Covic strebe nach wie vor die territoriale | |
Dreiteilung des Landes auf ethnischer Grundlage an – in einen kroatischen, | |
muslimisch-bosniakischen und serbischen Teil – und Bekir Izetbegovic setze | |
mehr auf die Türkei als auf die EU, erklärten sie. | |
Die US-amerikanische Botschaft stellte sich klipp und klar hinter den | |
Sozialdemokraten Komsic und gegen die Nationalisten. Die | |
nichtnationalistischen und zivilgesellschaftlich orientierten Kräfte im | |
Lande haben deshalb die Hoffnung auf Reformen noch nicht aufgegeben. Für | |
den 9. Juli hat sich Kanzlerin Angela Merkel in Sarajevo angekündigt. Die | |
von allen Seiten als Autorität anerkannte Kanzlerin soll wie 2011 in Kosovo | |
auch in Bosnien ein Machtwort sprechen, hoffen sie. Die Botschaft des | |
Papstes Franziskus zielt nach Verlautbarungen des Vatikan gegen | |
Nationalismus und auf eine Versöhnung der Volksgruppen. Ob der kroatische | |
Nationalist Dragan Covic, der ja angeblich Katholik ist, diese Botschaft | |
akzeptieren wird, ist jedoch zweifelhaft. | |
5 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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